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VARSITY DRAG
 
Middle-aged and proud of it
Varsity Drag
Es ist, als sei die Zeit stehen geblieben. Fast zwanzig Jahre ist es nun schon her, dass Ben Deily bei den Lemonheads ausgestiegen ist, nachdem es auf deren ersten drei Alben seine Songs und nicht unbedingt die Evan Dandos gewesen waren, die den frühen Kultstatus der Band aus Boston begründet hatten. Nach langer Auszeit haut uns Deily mit seinen neuen Mitstreitern von der Band Unbalanced hier nun auf dem Album "For Crying Out Loud" in weniger als einer halben Stunde neun (auf 10" Vinyl zehn) knappe, aber äußerst präzise Songs um die Ohren, die textlich reifer sein mögen, musikalisch aber - von vereinzelten Pianoparts einmal abgesehen - so klingen, als hätten sie auch damals schon erscheinen können - was ausdrücklich als Kompliment gemeint ist. Dabei ist dies erst die zweite Deily-Platte seit seinem Ausstieg bei den Lemonheads vor 16 Jahren - die erste erschien Mitte der 90er als Zusammenarbeit mit seinem Bruder Jonno unter dem Bandnamen PODS. Mitte Januar bis Mitte Februar 2007 will Deily dann mit seiner neuen Band endlich auch wieder in Europa (und Deutschland) touren und dabei nicht nur Varsity Drag-Songs spielen, sondern auch Stücke der PODS und seine alten Heuler der Lemonheads. Davor jedoch stand er uns Rede und Antwort.
GL.de: Wie fühlt sich Ben Deily im Sommer 2006, gerade verglichen mit der Zeit der Veröffentlichung des PODS-Albums vor zehn Jahren?

Ben: Auf jeden Fall viel älter, das ist mal sicher. 2006 ist wie eine andere Welt. Als die PODS-CD erschien, schloss ich gerade, wenn auch mit einiger Verspätung, die Uni ab, lebte in Boston, Kurt Cobain war noch nicht lange tot, und unser unschuldiger Planet Erde hatte noch nicht entschieden, dass es für jedermann verpflichtend sein sollte, jederzeit ein Mobiltelefon mit sich herumzutragen. Ich stand kurz davor, meinen ersten richtigen Job als Werbetexter anzunehmen. Und ich besaß noch meine alte Gibson ES-335. Damals wie heute hatte ich ziemlich gemischte Gefühle, im "Musikbusiness" mitzumischen. Zum Hier und Jetzt: Ich bin sehr glücklich, in meinem Job vernünftig Fuß gefasst zu haben... naja, so vernünftig, wie man das in Werbekreisen sein kann... und die Freiheit zu haben, darüber nachzudenken, wie es wäre, alles hinzuwerfen und als Punkrock-Vagabund auf Tournee zu gehen. Damals wie heute bin ich allerdings zu gerne bei Herd und Heim, um es wirklich zu tun. Und mein geistiges Wohlergehen, so zerbrechlich es auch sein mag, ist mir ebenfalls zu wichtig. Mein Verlangen, überall und jederzeit im Mittelpunkt zu stehen, war nie groß genug, um damit eine wirkliche Karriere als Musiker zu befeuern. Ganz abgesehen davon bin ich unfassbar faul. Juliana Hatfield hat mich richtig eingeschätzt: I'm middle-aged and proud of it.

GL.de: Wenn wir sagen, dass die Varsity Drag-Platte klingt, als könne sie auch schon zwei Jahrzehnte alt sein, treffen wir damit das, was du beabsichtigt hast?

Ben: Ja, Varsity Drag ist definitiv das Aufflammen alter Gewohnheiten. Selbst die neueren Bands, die wir während der Entstehungsphase gehört haben, waren alle irgendwie in den 70ern und 80ern hängen geblieben. Sagen wir mal so: Wenn du mit Bands wie den Replacements, Hüsker Dü und den Descendents aufgewachsen bist, dann ist das die einzige Musik, die du spielen willst. Da ändern selbst die schamlos trendigen MTV-Imitatoren des Genres nichts dran!

GL.de: Wie seid ihr die Aufnahmen angegangen? Hattest du andere Ziele als bei vorherigen Platten?

Ben: Hehe... unser Ziel war es vor allem, das verdammte Ding im Kasten zu haben, bevor wir uns alle mit anderen Dingen ablenkten. Vor allem mit Hilfe unseres Freundes Bob Spencer schafften wir es, eine Reihe Basic Tracks aufzunehmen - er schleppte ein ADAT mit zu einer unserer Proben, die in einem mit Teppich ausgelegten Schiffscontainer in einem Industriegebiet in der Nähe des San Quentin-Gefängnisses stattfanden. Er baute die Mikros auf, und wir spielten die Basic Tracks innerhalb eines Tages ein. Zwei Drittel der Stücke wurden fertig und abgemischt - so wie man sie jetzt auf der CD hört. Die restlichen Stücke sind bis auf den Gesang fertig, aber wer weiß, ob sie jemals fertiggestellt werden? Es könnte gut sein, dass die Bänder sogar verloren gegangen sind. Wie man bei uns in Varsity Drag so schön sagt: Rock and Roll is such a hassle.

GL.de: Wenn man sich all die Platten anhört, an denen du mitgewirkt hast, hat man schon das Gefühl, dass sich ein roter Faden durch deine Songs der letzten 20 Jahre zieht. Richtig?

Ben: Definitiv! Mädchen... da gibt's immer irgendein Mädchen! Dies oder jenes. Und Sommer. Und dieser Poetry-Mischmasch, den ich ungefähr sieben Jahre lang am College auswendig gelernt habe. Wenn sich überhaupt etwas verändert hat, dann wohl, dass sich andere Dinge in meinem Unterbewusstsein breit gemacht haben, die sich nun auch in den Songs wiederfinden. Sachen wie meine Werbetätigkeit, Kafka, Ambitionen, die ständig mehr auf der Seele lastende Erfahrung von Betrug, Verlust und Wiedergutmachung, mit denen du konfrontiert bist, wenn du älter wirst. Letzten Endes geht es aber trotzdem immer noch um Mädels!

GL.de: Die Jungs der Band Unbalanced, die jetzt mit dir zusammen Varsity Drag sind, waren der Schlüssel zu deiner Rückkehr in die Musikwelt. Was ist passiert?

Ben: Hier ist die ganze Geschichte: In den späten 90ern, als AOL selbst bei den kritischeren Gemütern noch erste Wahl war, hatte ich eine eMail-Adresse, die bendeily@aol.com oder so lautete. So haben mich Greg und Will aufgespürt. Sie sagten, sie seien große Lemonheads-Fans und hatten irgendwie eine PODS-CD in die Finger bekommen, trotz meiner krampfhaften Versuche, die Platte vor allen geheim zu halten (lächelt). Ich denke, sie müssen sie im alten TAAANG!-Laden in LA gefunden haben. Jedenfalls schrieben sie mir eine eMail und fragten, ob sich mir ihre Band Unbalanced anschauen wollte. Sie spielten ein paar Wochen später im Faultline Club in San Rafal, auf der anderen Seite der Bay von Berkeley, wo ich wohnte. Ich dachte mir: Hey, warum nicht? Ihre Show war toll, sie waren betrunken, albern, unheimlich nah dran an den Replacements und brüllten mir von der Bühne aus was zu. Was kann man daran nicht mögen? Ich nickte mit dem Kopf und stampfte mit den Füßen, bis mir beides wehtat. Nach der Show blieben wir in Kontakt, und nach einer Weile ließ mich Greg wissen, dass Will ganz plötzlich nach Indonesien gegangen sei, um dort Englisch zu lehren (DAS ist noch einmal eine völlig andere Geschichte), und er fragte mich, ob ich nicht so lange mit den Jungs von Unbalanced spielen wollte. Also machte ich das. Die indonesische Wirtschaft ging den Bach runter, Will kehrte bald zurück, und danach trafen wir uns dann regelmäßig sonntags und manchmal auch unter der Woche nach der Arbeit. Unsere Freunde von Bracket (auf Fat Wreck Chords) organisierten unsere erste Show, und seitdem spielen wir ziemlich regelmäßig in San Francisco.

GL.de: Viel ist darüber geredet worden, dass du mit Evan Dando letztes Jahr eine kleine (und kurzzeitige) Reunion bzw. Aussprache hattest. Hast du da gedacht: Das hätten wir schon viel früher machen sollen - oder war es genau der richtige Zeitpunkt?

Ben: Auf die Gefahr hin, wie ein Hippie zu klingen: Das richtige Karma für dieses Treffen brauchte seine Zeit. Es passierte, als es genau der richtige Moment war. (Okay, das klang wirklich wie Hippie-Geschwätz). Was soll ich sagen? Es hat Spaß gemacht. Es war seltsam. Es war ein für allemal die Bestätigung für mich, dass es die richtige Entscheidung war, nicht die vorangegangene Dekade auf Tournee verbracht zu haben und versucht zu haben, ein Rockstar zu sein. Das verlangt ganz ohne Zweifel einen Tribut - und nicht jeder von uns ist willens, ihn zu bezahlen.

Weitere Infos:
www.bendeily.com
www.varsitydrag.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Varsity Drag
Aktueller Tonträger:
For Crying Out Loud
(Rookie Records/Boss Tuneage/Cargo)
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