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THE LONG WINTERS
 
Eigensinnig, detailverliebt, genial
The Long Winters
Wow! Sie haben es wirklich geschafft! Mit "Putting The Days To Bed", ihrem neuen, dritten Album, haben The Long Winters aus Seattle eine Platte aufgenommen, die an den Vorgänger "When I Pretend To Fall" von 2003 heranreicht. Dabei schien dieses Album - nicht nur, weil Könner wie Peter Buck, Chris Walla, Scott McCaughey oder Ken Stringfellow daran maßgeblich beteiligt waren - eigentlich gar nicht mehr zu toppen zu sein. Das neue Werk mag vielleicht weniger offensichtliche Hits aufweisen (die Songs des Vorgängers wurden beispielsweise gar von Death Cab For Cutie gecovert), doch die Detailverliebtheit und die Gabe, selbst bei Altbekanntem einen neuen Dreh zu finden, bleibt John und den Seinen auch auf dem neuen Album treu.
"Ginge es darum, John alleine an seinen musikalischen Meriten, Connections und der Attitüde zu messen, müsste er längst zu den Superstars der Szene gehören", schreibt der Kollege Ullrich Maurer richtigerweise in seiner Albumkritik. Dieses Missverhältnis spiegelt sich auch dieses Mal in der inneren Zerrissenheit von Johns brillanten Texten wider: "Honest, it's alright to be a singer / But don't you love a singer whatever you do", heißt es in "Honest", dabei liebäugelt John natürlich insgeheim doch mit dem großen Durchbruch, und wenn er beim großartigen "Teaspoon" gleich zu Beginn singt: "I know I wasn't made to play on a team", heißt das trotzdem nicht, dass er die Suche nach der perfekten Besetzung für seine Band aufgegeben hätte.

Es ist fast drei Jahre her, seit Gaesteliste.de The Long Winters zuletzt auf einer deutschen Bühne bewundern durfte (wenngleich die Show in Münster so phänomenal war, dass wir uns auch heute noch gerne daran erinnern), und damals machte das Quartett den Eindruck, eine völlig normale, intakte Band zu sein. Doch seitdem hat sich das Besetzungskarussell ordentlich gedreht: Erst stieg Johns kongenialer Gesangspartner und Sidekick Sean Nelson aus (um sich seiner Band The Harvey Dangers zu widmen), dann warf Drummer Michael Shilling das Handtuch, und selbst die Ersatzleute hielten es nie lange aus - auf der Bandhomepage wird übrigens jeder Einzelne von John vorgestellt, und das ist wirklich amüsant und lesenswert. Lediglich Bassist Eric Corson blieb an Bord, bis erst vor wenigen Monaten mit Nabil Ayers am Schlagzeug und Jonathan Rothman an der zweiten Gitarre wieder etwas mehr Konstanz einkehrte. Was war passiert?

"Ich denke, in den frühen Jahren war ich vor allem daran interessiert, mit meinen Freunden zusammen zu spielen", erklärt John, als Gaesteliste.de ihn in London trifft. "Deshalb hab ich oft Leute in der Band gehabt, die eigentlich gar keine Musiker waren oder bereits auf dem Sprung waren, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und - besonders im Falle von Sean - nicht wirklich in einer kleinen, hart arbeitenden, ständig tourenden Band mitmachen wollten. Jedes Mal, wenn jemand weiterzog, musste ich mir die Frage stellen, was nun passieren sollte. Sollte ich mir jemand Neues suchen? War das Ganze vielleicht ein Zeichen für mich, auch alles hinzuwerfen? Dann sagte ich mir allerdings, dass es kein Zeichen für mich ist, wenn Sean einen Job bei Microsoft bekommt. Darüber muss man nicht diskutieren. Er ist die Art von Typ, der einen solchen Job und die Musik unter einen Hut bringen kann, meine Entscheidung allerdings war es, allein mit der Musik weiterzumachen. Eric ist inzwischen so etwas wie der musikalische Anker der Band, und unser neuer Schlagzeuger Nabil vermittelt mir ein ganz ähnliches Gefühl. Wie bei Eric bin ich mir auch bei ihm sicher, dass er mit Leib und Seele dabei ist. Das hat zur Folge, dass uns die Arbeit und die Herumreiserei derzeit sehr leicht fällt. Einen vierten Mann zu finden, war schon etwas komplizierter, aber mit Jonathan haben wir jetzt jemand, der sich langsam aber sicher gut in die Band integriert."

Die unstete Besetzung war allerdings nicht der einzige Grund, warum der Nachfolger von "When I Pretend To Fall" so lange auf sich warten ließ. Schon vor einiger Zeit hatte John fast ein komplettes Album an Material zusammen, doch man entschied letzten Endes, dass es nicht veröffentlichungswürdig war. Lediglich die recht experimentell geratene EP "Ultimatum", produziert von Studio-Wizard Tucker Martine, kam letztes Jahr auf den Markt (und ist jetzt der europäischen Auflage des neuen Albums als Bonus beigefügt). Die lange Anlaufzeit sieht John allerdings nur bedingt als etwas Negatives. "Ich sehe das so: Ich werde das hier für den Rest meines Lebens machen. Ich sehe mich als Schreiber und Performer. Das kann verschiedenste Formen annehmen und ist nicht nur auf die Long Winters als Popband, die auf der Bühne eine Schau abzieht, beschränkt. Wenn ich das im Hinterkopf habe, ist eine längere Wartezeit - auch wenn das bedeutet, dass wir etwas an zuvor gewonnenem Boden wieder verlieren - irrelevant. Wenn wir Boden verloren haben, dann nur auf dem Gebiet, das die Marktmechanismen der Popmusik uns vorzugeben versuchen. Du wirfst einfach jedes Jahr ein neues Album in die Maschinerie, und sie kreiert für dich Aufmerksamkeit - das ist eine Art Algorithmus. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht interessiert, aber ich weiß halt, dass die Long Winters eh nicht für diese Art von Karriere gemacht sind. Ich bin keine 24, habe keinen Waschbrettbauch und bin auch nicht auf glamouröse Weise drogenabhängig. Es war klar, dass wir ein anderes Publikum als beispielsweise Franz Ferdinand würden finden müssen. Und ich bin davon überzeugt, dass unser Publikum einfach geduldiger ist."

Also gibt es nichts zu bedauern für John? "Natürlich bereue ich es manchmal, dass ich mir nicht 2001 eine Band gesucht habe, die einfach perfekt gewesen wäre, und seitdem auf einen kometenhaften Aufstieg geschafft hätte. Aber so ist es nun einmal nicht gelaufen, und anfangs schien es fraglich, ob das Ganze überhaupt Erfolg haben würde. Bei der ersten Platte gab es schließlich überhaupt keine Band. Wenn du so willst, ist Chris Walla [der als Produzent und Musiker erheblichen Anteil am Debüt "The Worst You Can Do Is Harm" hatte] der Erste, der die Long Winters verlassen hat, als er sagte: 'Ich kann nicht mit auf Tour gehen, weil ich mit Death Cab beschäftigt bin!' Da wusste ich: Die perfekte Besetzung ist schon hin, bevor es richtig angefangen hat! Seitdem habe ich viele Fehler gemacht, indem ich Leute eingestellt habe, weil ich sie gut leiden konnte, obwohl sie keine tollen Musiker waren, oder Leute, bei denen ich von Anfang an wusste, dass sie unseren Lebensstil nicht gutheißen würden. Trotzdem denke ich, dass sich die Dinge für uns auf sehr natürliche Weise entwickeln."

Das zeichnet sich derzeit auch bei den Liveplänen der Band ab. Nachdem John ein einziges Deutschlandkonzert als Solist bereits im Mai im Vorprogramm von Centro-Matic in Darmstadt bestritt, meldete er sich unlängst mit zwei Auftritten in Berlin und München zurück und wird im November, neben einigen noch in Planung befindlichen Bandkonzerten, zusammen mit Eric als "Long Winters Duo" hierzulande im Vorprogramm von Keane (!) auftreten. Eine Kombination, die auf dem Papier vielleicht seltsam anmuten mag, in den USA allerdings bereits erfolgreich erprobt wurde. "Meine Tourneeerfahrung mit Keane war zu 100% positiv", erklärt John. "Eine so unglaublich erfolgreiche Band mit einem Stab von 30 Angestellten hat schier endlose Möglichkeiten, ihre völlig unbekannte amerikanische Vorgruppe wie den letzten Dreck zu behandeln. Trotzdem waren sie - und auch die Leute, die für sie arbeiteten - in jeder Hinsicht sehr zuvorkommend. Als sie anriefen und fragten, ob wir mit ihnen auf Tour gehen wollten, wussten wir sofort, dass wir das nicht ablehnen konnten, gerade weil wir davor länger nichts gemacht hatten. Dennoch bin ich die Konzerte ein wenig mit der Befürchtung angegangen, dass wir für Keane und ihre Fans - ich erwartete vor allem kreischende Teenie-Mädchen - die ganze Zeit über unsichtbar bleiben würden. Aber selbst ihre Fans - in der Tat vor allem kreischende Mädchen, allerdings nicht nur Teenies - haben uns gut aufgenommen. Nachdem wir als Support für so angesagte Indierockbands wie Death Cab, The Decemberists oder ENON oft anmaßenden, snobistischen Fans begegnet waren, die man die ganze Show bearbeiten musste, um bei ihnen Mauern einzureißen, waren die Keane-Fans - auch wenn wir vielleicht im ersten Moment die Nase rümpfen, weil sie sehr populistisch und nicht sehr sophisticated sind - sehr offen und engagiert. Auch wenn ich hoffe, dass mein eigenes Publikum mehr auf die Texte achtet und scharfsinniger ist, ist es einfach unbezahlbar, wenn du auf die Bühne kommst und 2000 Mädchen anfangen zu kreischen. Es gibt auf dieser Welt kaum etwas Schöneres!"
Weitere Infos:
www.thelongwinters,com
www.myspace.com/longwinters
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Autumn de Wilde-
The Long Winters
Aktueller Tonträger:
Putting The Days To Bed
(Munich Records/Indigo)
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