Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Interview-Archiv

Stichwort:



 
THESE NEW PURITANS
 
Das Ziel vor Augen
These New Puritans
Zwei Alben, eine Menge Visionen und den unaufhörlichen Drang, die eigene musikalische Ader ständig anzupieksen - These New Puritans geben sich, was ihr kreatives Dasein angeht, nicht so einfach mit allem zufrieden. Ihr erfolgreicher Weg führt sie zu allererst einmal durch unendliche Gehirnwindungen, die sich eingehend mit der klanglichen Vorstellung auseinandersetzen. Musik machen ist für die Band Kopfsache, aber diese wird spätestens live durch ihre Impulshaftigkeit wieder ausbalanciert. Überhaupt bevorzugen die smarten Engländer Ausgeglichenheit und diese finden wir dank des Facettenreichtums auch auf ihrem zweiten Album "Hidden". Wir sprachen mit Jack Barnett, dem Sänger der These New Puritans, und informierten uns aus erster Hand über Einzelheiten der neuen Platte.
GL.de: Ihr wurdet in einem Artikel einmal mit den Worten beschrieben "These New Puritans haben Visionen, die junge Leute mit Anfang zwanzig nicht haben sollten". Hört man sich eure Alben an, dann scheint es so, als ob eure musikalischen Visionen sehr klar und scharf gezeichnet sind. Bist du dir immer so sicher, was du von der Musik willst?

Jack: Ja, ich denke schon, dass ich immer genau weiß, was ich will. Ich mag es, wenn jeder Ton seinen Platz hat, da es heutzutage oft der Fall ist, dass Musik zufällig erscheint. Für mich muss es diesen Prozess geben, in dem ich mit entscheide und bestimmte Dinge beim Komponieren auswähle. Jeder Klang hat etwas Spezielles an sich und ich versuche jedes Mal, dieses besondere Etwas heraus zu kitzeln und den entstandenen Klang interessant erscheinen zu lassen. Wir brauchen diese Art von Struktur für unsere Musik.

GL.de: Es wirkt so, als ob ihr so gut wie gar nichts dem Zufall überlasst, ist das so?

Jack: Ja, das stimmt schon, aber Zufälle können manchmal auch sehr wichtig sein. Besonders, wenn du am Anfang eines Songs stehst und die Melodie langsam Stück für Stück aufgebaut wird. Ich mag diesen Moment sehr, denn es herrscht oft großes Chaos und es kann so vieles passieren. Wenn dieser Teil fertig ist, dann folgt danach meistens nur noch die Pflicht und du hangelst dich am bestehenden Gerüst entlang. Dabei versuchst du die entstandene Idee so interessant wie möglich umzusetzen.

GL.de: Woher nimmst du all das Selbstvertrauen für deine Arbeit?

Jack: Ich weiß es nicht genau. Ich denke, ich war in dieser Hinsicht schon immer selbstbewusst. Man muss einfach das machen, wovon man selbst überzeugt ist. Dann spiegelt sich das auch in der Musik wider. Ich könnte niemals meine Seele verkaufen und Songs spielen, zu denen ich nicht voll und ganz stehe. Natürlich kann man damit eine Menge Geld machen, aber ich kann für jeden in unserer Band sprechen, wenn ich sage, dass wir uns lieber selbst treu bleiben.

GL.de: Die Komplexität und die vielen Facetten eurer Musik lassen erahnen, dass ihr, musikalisch gesehen, nur schwer euren kreativen Hunger stillen könnt. Denkst du, dass das überhaupt jemals der Fall sein wird, dass ihr euch völlig zufrieden zurücklehnen werdet?

Jack: Nein, das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. Jedes Mal, wenn ich einen Song schreibe, dann habe ich diese bestimmte Idee davon im Kopf, die ich aber nach Vollendung des Songs immer noch nicht ganz erreicht habe. Also mache ich mich anschließend an das nächste Stück, bei dem es mir dann vielleicht gelingt, wie ich es mir vorgestellt habe. Zu diesen Zeitpunkt bin ich gedanklich aber schon wieder ein bisschen weiter vorangeschritten und meine ursprünglichen Ansprüche sind wieder gewachsen. Dadurch entsteht diese konstante Bewegung, die mich nie an den eigentlichen Punkt gelangen lässt. Jedes Mal laufe ich darauf zu, komme der Sache näher, aber letztendlich komme ich nie ganz beim Ziel an. Die Sachen, die ich zum Beispiel vor einem Monat geschrieben habe, genügen mir jetzt schon nicht mehr, also schreibe ich weiter. So geht das andauernd. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich jemals wirklich tiefe Zufriedenheit spüren werde. Vielleicht würde ich dann aufhören Musik zu machen. Viele Bands überspringen diesen Punkt und machen trotzdem weiter, obwohl es musikalisch eigentlich ein Todesurteil ist. Das Geld scheint dann manchmal eben doch verlockender zu sein...

GL.de: Auf eurem neuen Album "Hidden" bedient ihr euch einer sehr weitreichenden Instrumentierung, die ebenso eine Vielzahl von Holz- und Blechbläsern beinhaltet. War dieses große Aufgebot an zusätzlichen Instrumenten beim Einspielen der Songs im Studio jemals beklemmend oder habt ihr euch dieser Herausforderung gänzlich sorgenfrei gestellt, weil es sich trotz der großen Produktion natürlich angefühlt hat?

Jack: Ja, es war schon eine recht große Produktion, aber wir hatten nicht wirklich Angst wegen dem, was da auf uns zukam. Wir waren uns gerade wegen des großen Aufgebots an Gastmusikern sicher, was wir wollten und dass es schließlich auch nach unseren Vorstellungen funktionieren würde. Wenn so viele Leute an den Aufnahmen beteiligt sind, dann musst du dir auch sicher sein, sonst wäre es am Ende womöglich noch eine totale Zeit- und Geldverschwendung, wenn nichts dabei herauskommt. Natürlich gab es trotzdem eine Menge Risiken, denen wir dabei ausgesetzt waren. Wir sind für die Aufnahmen der Holz- und Blechbläser extra nach Prag geflogen und hatten insgesamt nur sechs Stunden Zeit dafür. Wenn dabei etwas schief gegangen wäre, hätten wir schon einmal das halbe Budget in den Sand gesetzt. Deshalb war ich auch jeden Tag sehr darauf bedacht, dass alles richtig läuft und wir das bekommen, was wir haben wollten.

GL.de: Wie habt ihr euch denn darauf vorbereitet, wenn ihr ein nur so begrenztes Zeitfenster zur Verfügung hattet?

Jack: Wenn man nur so wenig Zeit hat, dann ist es natürlich klar von Vorteil, wenn man im Voraus so viele Ideen wie möglich konkret ausgearbeitet hat und nicht erst im Studio damit anfängt, detailliertere Pläne zu machen. So sehr ich es teilweise genieße, im Studio lange an bestimmten Ideen zu arbeiten und Dinge auszuprobieren, so unmöglich war es, genau das in diesem Fall zu tun. Wir hatten eigentlich so ziemlich alle Instrumentierungen genau im Voraus geplant. Auf "Hidden" gibt es nur einen Song, bei dem wir erst vor Ort im Studio noch Ergänzungen bzw. Veränderungen vorgenommen haben und das war "We Want War". Der Rest war bereits vor den eigentlichen Aufnahmen fest strukturiert.

GL.de: Also lautete der Vorsatz - viel Struktur, viel Kontrolle?

Jack: Ja, so ähnlich. Natürlich kann man während so einer intensiven Zeit nicht selbst alles unter Kontrolle haben. Einige Dinge passieren einfach so und man muss sie hinnehmen, wie sie sind. So kommt es zum Beispiel vor, dass Songs am Ende doch anders klingen, als du zuerst dachtest. "Hologram" war einer davon. Das Endergebnis hört sich doch um einiges anders an als das, was wir ursprünglich im Sinn hatten. So sehr, dass ich anfangs sogar darüber nachgedacht hatte diesen Song nicht mit auf das Album zu nehmen. Alle anderen fanden die neue Variante aber gut und irgendwann habe ich auch eingesehen, warum "Hologram" mit auf das Album musste.

GL.de: Wie viel Detailverliebtheit tut einer Platte wie "Hidden" denn gut und wann muss man anfangen, sich selbst zurücknehmen, so dass das Ergebnis nicht zu verkopft klingt?

Jack: Ich bin jemand, der sehr auf das noch so kleinste Detail achtet. Ich bin fast schon besessen davon, jedes Detail wahrzunehmen, damit auch alles stimmt. Jede noch so kleine Veränderung kann einen so großen Unterschied ausmachen. Nimm zum Beispiel den Klang einer Snare Drum. Diese kann mit der minimalsten Veränderung plötzlich ganz anders wirken. Für mich gibt es eigentlich keine wirklichen Grenzen, was Details angeht. Ich mag es sehr, mich mit solchen kleinen Sachen auseinanderzusetzen. Meiner Meinung nach lohnt es sich, wenn man den Kopf so oft wie möglich anstrengt und über alles Mögliche nachdenkt. Mir macht diese Arbeitsweise zumindest sehr viel Spaß und meiner Erfahrung nach tut es den entstanden Songs eher gut, wenn man sich so intensiv wie möglich mit ihnen beschäftigt. Ich kann darin nichts negatives sehen.

GL.de: Für die Aufnahmen von "Hidden" hast du extra Noten lesen und schreiben gelernt. Hat das die Arbeit am Album in irgendeiner Weise beeinflusst oder geprägt?

Jack: Was den Klang angeht, hatte diese Arbeit natürlich keinen Einfluss auf die Songs selbst, aber für mich persönlich war es wichtig diesen Schritt zu gehen. Es war eine Menge sehr harter Arbeit, sich all diese Dinge anzueignen, vor allem in so einer kurzen Zeit. Hätte ich vorher gewusst, was das für ein Aufwand werden würde, hätte ich es vielleicht nicht gemacht. Dreizehn Stimmen miteinander zu vereinen, ist nicht gerade einfach. Andererseits hat sich meine anfängliche Unwissenheit auch bezahlt gemacht, da ich dadurch zu einigen interessanten Ergebnissen gekommen bin, zu denen ich sonst wohl nie vorgedrungen wäre. Wir haben in dieser Zeit wirklich unheimlich viel gelernt.

GL.de: Dieses neu erworbene Wissen rund um die Notationsweisen war sicherlich sehr hilfreich, aber hat es nicht auch gleichzeitig einen kleinen Teil deiner bisherigen Sichtweise auf die kompositorische Vorgehensweise verändert oder gar weggenommen?

Jack: Ja, ganz bestimmt. Nun sehe ich einige Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Das ist zwar nicht in jedem Fall besser, aber doch eine gewisse Veränderung, die Spuren hinterlässt. Jetzt kommt es häufiger vor, dass ich von bestimmten Mustern schneller gelangweilt bin, einfach weil ich jetzt besser über sie Bescheid weiß und einen viel tieferen Einblick habe. Das kann zwar auch interessant sein, aber meistens führt es bei mir dazu, dass all diese komplexeren Strukturen ein wenig ihren Reiz verlieren. Das Gute ist, dass sich mein erweitertes Wissen rund um die Notation nicht wirklich auf unser eigenes Album ausgewirkt hat. Sie hat mir vielmehr dabei geholfen, mich mit den anderen Musikern zu verständigen und die interne Kommunikation zu vereinfachen. Die meisten Songs waren schon geschrieben, bevor ich mich intensiver der Notation gewidmet habe. Ich möchte keiner von diesen Menschen sein, die die klassische Musik und ihre Strukturen in den Himmel lobt. Ich mag es, mich bei den unterschiedlichsten Stilen zu bedienen und das Beste von ihnen miteinander zu verbinden. Sei es Rock, Klassik, Hip Hop oder Elektro.

These New Puritans
GL.de: Gibt es noch andere Fähigkeiten, bei denen du dir vorstellen könntest, dass du sie dir vielleicht in der Zukunft gerne aneignen und eventuell auch für deine musikalische Arbeit nutzen würdest?

Jack: Ich lerne gerade Bassklarinette zu spielen. Überhaupt würde ich gerne noch mehr Instrumente spielen können. Ich spiele sonst die eher typischen Sachen wie Gitarre oder Cello, da könnten von mir aus noch einige andere Instrumente hinzukommen.

GL.de: Bei "Hidden" stellt man sich nach dem Hören ganz klar die Frage, inwiefern das musikalisch anspruchsvolle Material überhaupt live auf der Bühne umgesetzt werden kann. Im Studio standen euch noch zahlreiche Gastmusiker zur Seite, auf Tour werdet ihr auf euch alleine gestellt sein. Sind diese Einschränkungen für euch eher nachteilig oder nehmt ihr sie als Bereicherung an, da ihr wieder umdenken müsst, um eure Songs in der gewünschten Weise live zu reproduzieren?

Jack: Es dauert mittlerweile auf jeden Fall viel länger, um sich auf eine Tour vorzubereiten als früher, eben weil wir teilweise vieles für die Bühne verändern müssen. Manchmal kommt es vor, dass wir mit einem Quintett aus Holz- und Blechbläsern spielen, aber das können wir natürlich nicht immer und überall machen, weil es viel zu kostspielig wäre. Somit verändert sich der Klang unserer Songs andauernd, was ich sehr spannend finde. Ich würde diese ganze Situation wohl eher als bereichernd betrachten, denn wenn wir innerhalb dieser Einschränkungen spielen, ergibt sich für uns wiederum eine ganz neue Dynamik. Außerdem erscheint vieles auf diese Weise auch direkter und nichts wird verschleiert. Es ist ganz bestimmt eine Herausforderung, die wir insgesamt mit unseren Shows eingehen, aber das tun wir sehr gerne.

Weitere Infos:
www.thesenewpuritans.com
www.myspace.com/thesenewpuritans
Interview: -Annett Bonkowski-
Fotos: -Hella Wittenberg-
These New Puritans
Aktueller Tonträger:
Hidden
(Domino Records)
jpc-Logo, hier bestellen

 
Banner, 234x60, ohne Claim, bestellen
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister