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"Ich denke sehr viel über den Tod nach"
Health
Das haben sich Health irgendwie anders vorgestellt. Anstatt ihre Fans mit der Hoffnung auf ein neues Studioalbum auf die Wartebank zu schieben, wollten die kalifornischen Noise-Rocker schon viel früher wieder mit neuem Songmaterial auf der Bildfläche erscheinen. Für ihr neues Album "Death Magic" vergingen schließlich sechs Jahre, in denen das Quartett ausgiebig über den Stücken brütete. Wir sprachen mit der Band über Zwangspausen, den Bruch mit der Regelmäßigkeit und wie es für die Musiker mit dem ungeduldigen Naturell mit der Entschleunigung klappte. Im sonnendurchfluteten Innenhof eines Berliner Hotels spricht die Band ebenfalls über den Tod als zentrales Thema ihres neuen Werks und warum die Chancen auf ein neues Remix-Album gar nicht schlecht stehen.
GL.de: Sechs Jahre Entstehungszeit - habt ihr euch die Arbeit am neuen Album unkomplizierter vorgestellt?

Jake Duzsik: Ja, definitiv, aber wenn du etwas besonders gut machen willst, braucht es schon einige Zeit. Da sind sechs Jahre für ein Album gar nicht einmal so viel. In der Zeit hat man normalerweise die Grundschule abgeschlossen und ebenfalls viel gelernt. Okay, der Bau der Sixtinischen Kapelle hat etwas länger gedauert.

GL.de: Wie oft ist euch dabei der Geduldsfaden gerissen oder seid ihr in jeder Phase ruhig geblieben?

Jake Duzsik: Eigentlich sind wir keine besonders geduldigen Menschen, aber was unsere Arbeit betrifft, nehmen wir uns gerne so viel Zeit wie möglich, damit am Ende alles stimmt. Deswegen hatten wir kein Problem damit die Ruhe zu bewahren.

John Famiglietti: Ich will nicht irgendwann in meinem Grab liegen und mir vorher auf dem Sterbebett denken, dass ich gerne mehr Zeit in eines unserer Alben investiert hätte. Deshalb achten wir immer darauf, uns genügend Zeit zu nehmen. Es wäre fatal, später nur aus diesem Grund bestimmte Entscheidungen zu bereuen.

Jake Duzsik: Der Zeitfaktor spielt für uns als Band stets eine große Rolle. Wir fragen uns ständig, ob wir unseren Ideen genügend Zeit einräumen. Dann wiederum sollte die Zeit eigentlich keinen Einfluss auf das letztendliche Ergebnis haben, wenn du kreativ bist. Wichtig ist nur, dass du alles aus dir herauslässt, was du deiner Umwelt mitteilen möchtest.

GL.de: Wie seid ihr damit umgegangen, eure Fans so lange zu vertrösten?

John Famiglietti: Du erscheinst auf Parties und die Leute fragen dich nach neuen Songs. Dann sagst du ihnen zwei bis drei Jahre lang, dass sie sich auf neues Material gefasst machen können. Danach stellt dir niemand mehr solche Fragen, wenn bis dahin nichts passiert ist. Du kratzt dir nur noch am Kopf und spürst, dass es eigentlich an der Zeit wäre, wirklich mit neuen Songs um die Ecke zu kommen.

Benjamin Jared Miller: Teilweise wurden wir sogar schon gefragt, ob wir überhaupt noch eine Band sind, weil wir so lange gebraucht haben, den Leuten neue Musik zu präsentieren!

GL.de: Stimmt es, dass ihr vier Anläufe gebrauch habt, um die Platte fertigzustellen?

Jake Duzsik: Ja, insgesamt gesehen, haben wir mehrere Anläufe benötigt. Theoretisch hätten wir das Album auch schon vor zwei Jahren veröffentlichen können. Wir waren kurz davor den Schritt zu gehen, bis wir noch einmal den Rückwärtsgang einlegten, denn mit etwas Abstand dazu waren wir alle nicht einhundert Prozent damit zufrieden.

John Famiglietti: Während all der Jahre fragt man sich manchmal schon, ob am Ende wirklich auf ein fertiges Album blicken wird. Wir waren in jedem Fall sehr erleichtert, als wir an der Ziellinie ankamen.

GL.de: Gab es einen Zeitpunkt, an dem das Eis künstlerisch für euch gebrochen war?

Jake Duzsik: Ein sehr wichtiger Schritt für uns bei der Entstehung des Albums war der Song "Stonefist". Als wir die Arbeit an ihm abgeschlossen hatten, wussten wir sehr viel genauer, wo wir hinsichtlich des Sounds mit dem Rest der Platte hin wollten. Eine ganze Zeit lang hatten wir den Eindruck, dass der Song zwar einige gute Elemente hatte, aber eben im Gesamtbild nicht wirklich stimmig war. Bis wir ihn schließlich knackten und er für uns zu einer Art Vorlage für alle weiteren Songs wurde. Das hat die Arbeit für uns um einiges leichter gemacht.

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GL.de: Es scheint, als hättet ihr euch dieses Mal sehr viel mehr im Studio ausgetobt als sonst. Ist dem so?

Jake Duzsik: Das stimmt. Auf "Get Color" haben wir uns sehr stark an unserem Live-Sound orientiert und alles in einer Art Live-Demo aufgenommen. Dieses Mal sind wir es ganz anders angegangen. "Death Magic" ist vielmehr eine richtige Studioplatte geworden, die uns beim eigentlichen Aufnahmeprozess mehr beschäftigt hat. Die Songs sind im Detail erst direkt im Studio entstanden und nicht wie sonst schon vorab. Gewissermaßen war das Studio für uns ein weiteres Instrument bei der Umsetzung unserer Ideen.

John Famiglietti: Teilweise stand unsere Studio-Wahl wohl im Widerspruch zu dem, was wir eigentlich gebraucht hätten. Wir haben so viel Zeit in den verschiedensten Studios verbracht. Am Ende war das technisch beste und schönste Studio aber nicht das, was uns bei den Aufnahmen wirklich voran gebracht hat. Unser Produzent (The Haxan Cloak) wurde während dieser Zeit so etwas wie ein weiteres Bandmitglied für uns. Auf dem Weg dahin wurden wir so einige Male unsanft von den komischsten Umständen zurückgeworfen, was unsere Arbeit anging. Studio-Termine wurden gecancelt oder Leute tauchten plötzlich nicht mehr auf, weil sie andere Verpflichtungen hatten.

GL.de: Zwischenzeitlich habt ihr auch noch am "Max Payne 3"-Soundtrack gearbeitet. Wie hat sich das auf euren eigenen Sound ausgewirkt?

Jack Duzsik: Es ist nahezu unmöglich für uns als Band an etwas wie dem "Max Payne 3"-Soundtrack zu arbeiten, ohne dass wir dabei nicht in irgendeiner Form in unserer Arbeit beeinflusst werden. Wir haben während dieser Zeit so viele verschiedene Sounds entwickelt, dass wir einiges davon auch für unsere eigenen Songs mitgenommen haben.

John Famiglietti: Ein Teil der neuen Songs wäre ohne den Soundtrack wohl viel atmosphärischer ausgefallen. Darauf hatten wir alle keine Lust, so dass uns dieser Umstand wohl davor bewahrt hat.

Jack Duzsik: Wir haben so viele Brian Eno-Ambient-Tracks gemacht, dass wir wirklich genug davon hatten und unbedingt etwas anderes machen wollten.

GL.de: Das Thema Sterblichkeit spielt auf dem neuen Album eine zentrale Rolle. Wie sehr beschäftigt ihr euch im Zuge dessen, auch über die Musik hinaus, mit dem Tod?

Jack Duzsik: Ich denke sehr viel über den Tod nach. Die Songtexte auf "Death Magic" machen das ohne Zweifel deutlich. Ich könnte versuchen, Songs über Parties zu schreiben, aber das würde ich vermutlich nicht hinbekommen. Wir sind nun einmal keine Band, die über das Ausgehen am Wochenende singt. Der Tod kommt auch auf unseren anderen Alben zur Sprache, aber dieses Mal behandeln wir diese ganze Thematik noch viel direkter. John Lennons erste Soloplatte war hinsichtlich seiner Lyrics so herrlich unmittelbar. Diesen Ansatz habe ich auch für die neuen Songtexte gewählt. Mir ist die Umsetzung viel einfacher gefallen als gedacht. Für mich hätte es keinen Sinn gemacht, mich mit dem Tod auseinanderzusetzen und die Texte unter Symbolik zu begraben. Ich wollte Klarheit und keine Verschleierung des Inhalts.

GL.de: Um aktuell nicht den Hitzetod zu sterben, badet ihr dafür samt euren Kaltgetränken förmlich in Eiswürfeln...

Jack Duzsik: In Europa ist es viel schwerer an Eiswürfel zu kommen, wenn man Getränke bestellt. Für uns als Amerikaner ist das sehr wichtig. Die Kühlschränke hier drüben sind gefühlt auf Zimmertemperatur eingestellt. Bei uns sind sie immer extrem kalt eingestellt. Ich brauche zu Hause eine Eiswürfel-Maschine, weil ich auf der Stelle Eis haben will.

GL.de: Die Dürre in Kalifornien verbietet demnach noch nicht den exzessiven Gebrauch von Eiswürfeln, wie ich sehe.

John Famiglietti: Die paar Eiswürfel werden die Dürre schon nicht noch weiter ins Chaos stürzen. Immerhin habe ich meinen Whirlpool abgeschaltet, wenn ich schon nicht da bin. Normalerweise fülle ich ihn randvoll mit Eiswürfeln! Um Wasser zu sparen, gehe ich aber immer draussen in meinem Garten pinkeln (lacht).

GL.de: Für die neuen Stücke habt ihr euch mit The Haxon Cloak zusammengetan. Warum passt diese Kollaboration für euch wie die Faust auf's Auge?

John Famiglietti: Wir mochten seine Sachen schon lange und haben eine Zusammenarbeit mit ihm ins Auge gefasst. Er schien uns geeignet dafür, unseren Sound voranzutreiben. Die Intensität und Lautstärke, die dabei entstanden ist, war genau das, was uns vorab vorschwebte.

GL.de: Neben der textlichen Klarheit ist auf den neuen Songs noch eines sehr viel deutlicher geworden - der Gesang. Warum begrabt ihr ihn nicht, wie gewohnt, unter einer Menge Lärm?

Jack Duzsik: In den Anfangszeiten der Band habe ich mir kaum Gedanken um meine Stimme gemacht. Wohl auch, weil die Songs gar nicht so viel Melodiösität hergegeben haben und ich stimmlich darauf reagieren musste. Heute kommen wir immer mehr dahin, dass mir auch als Sänger mehr abverlangt wird. Da wird mir dann schon ab und zu bewusst, dass ich kein Bruce Springsteen bin. Meine Selbstwahrnehmung hinsichtlich meines Gesangs ist über die Jahre viel sensibler geworden. Wenn ich ein besserer Sänger wäre, hätte die Band wahrscheinlich mehr Erfolg. Verdammt, manchmal sind unsere Songs so eingängig, was ihre Melodie angeht und ich wünschte mir, dass ich am Mikrofon mehr Möglichkeiten hätte, um dem gerecht zu werden.

Benjamin Jared Miller: Viele unserer Fans hat es nie gestört, dass wir in der Vergangenheit vergleichsweise wenig Wert auf Melodien oder auch den Gesang gelegt haben. Sie haben genau diese Tatsache an den Songs geschätzt.

Jack Duzsik: Wir sind nach wie vor eine Noise-Band, nur wissen wir diese Dinge mittlerweile besser auf unseren Alben einzusetzen. Früher hätte es überhaupt keinen Sinn für uns gemacht, uns übermäßig viel mit dem Gesang zu beschäftigen. Wir wollten laut und ungehobelt sein. Es ist dennoch schön, dass wir uns über die Zeit weiterentwickelt haben, ohne unsere Wurzeln völlig zu vernachlässigen. Wir haben Melodien schon immer als einen wichtigen Teil des Songwritings gesehen, nur wussten wir lange Zeit nicht, wie wir dieses Element in unsere Songs mit einbauen können. Außerdem wäre es live physisch gar nicht möglich gewesen, die Vocals so klar hinzubekommen. Alles war immer sehr laut und ich versuchte erst gar nicht da mitzuhalten. Wir wollten schließlich genau so ohrenbetäubend sein.

GL.de: Noch eine abschließende Frage - wird es ein weiteres Remix-Album geben?

John Famiglietti: Wir hoffen sehr, dass wir auch Remixe für die neuen Songs veröffentlichen werden. Das hängt allerdings ganz von der Qualität ab.

Jack Duzsik: Es wird vermutlich so um die sechs Jahre daurern bis das Remix-Album erscheint (lacht).

Benjamin Jared Miller: Das nächste Studioalbum wird dafür zwei Monate später veröffentlicht!

Weitere Infos:
www.youwillloveeachother.com
www.facebook.com/healthnoise
www.twitter.com/_health_
Interview: -Annett Bonkowski-
Fotos: -Sesse Lind-
Health
Aktueller Tonträger:
Death Magic
(Caroline/Universal)
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