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IDA GARD
 
Aus dem Bauch heraus
Ida Gard
Manche Musikanten genügen sich ja darin, hin und wieder ein weiteres neues Album herauszubringen, auf dem sich dann genau das findet, was jedermann auch erwartet hätte. Und dann gibt es visionäre Künstlerinnen wie die Dänin Ida Gard, die - neben dem neuen Material - auch gleich mit einer neuen Vision, einer neuen Lebenseinstellung, einem philosophischen und lyrischen Unterbau, einer eigenen Frisurästhetik und einer deutlich erkennbaren musikalischen Weiterentwicklung aufwarten.
"Womb", das neue Werk von Ida Gard, das im Wesentlichen von dem Buch "Populärmusik aus Vittula" (dem Romandebüt des schwedischen Autors Mikael Niemi) inspiriert wurde, kommt dabei obendrein noch mit einem Soundsetting daher, das sehr viel mehr dem entspricht, was Ida auf der Bühne - zusammen mit ihrer Drummerin Anne Kristin Winkler - realisiert als das, was sie bislang so im Studio zusammenfrickelte. Es scheint so, als habe Ida viel Zeit damit verbracht, über das, was sie künstlerisch zu bieten hat, nachzudenken. Wie stellt sich die Sache für Ida selbst dar? "Also zunächst mal bin ich ja froh, dass du sagst, dass sich das neue Material anhört wie meine Live-Shows", bedankt sich Ida überflüssigerweise, "denn das ist genau das, was wir auch wichtig war. Das ist das erste Album, das ich auch selbst produziert habe, und ich wollte, dass alles - die Produktion, die Texte, die Melodien und auch der Sound - aus derselben Quelle kamen. Das wusste ich schon, bevor die Sache von dem Buch inspiriert wurde. Alles sollte aus einer Quelle kommen." Dennoch schaffen es ja nicht viele Künstler, die Energie einer Live-Performance auf Konserve einzufangen. "Wir haben das Material einfach live im Studio eingespielt", gibt Ida zu, "sogar ohne Clicktrack oder Effekte. Wir haben dann natürlich nachher noch diverse Ebenen hinzugefügt, aber im Wesentlichen waren die Basis unsere Live-Aufnahmen. Es ist dann gar nicht einfach, die Energie dieser Aufnahmen beizubehalten, störende Fehler zu eliminieren, charmante aber drinzulassen." Das kann man als Control-Freak aber nicht erreichen, oder? "In der Tat", räumt Ida auf, "es hilft da natürlich auch, dass ich keine ausgebildete Produzentin bin und meine Ideen vielleicht eher unkonventionell sind. Ich bin zum Beispiel keine Drummerin und keine Bassistin - musste aber erklären, wie die Sachen klingen sollten. Das hatte dann zuweilen den Charme eines Anfängers." Ist Ida Gard überhaupt an den technischen Aspekten ihres Handwerks interessiert? Das ist ja bei Musikern erstaunlich oft nicht der Fall. "Ich bin schon daran interessiert, aber man kann ja nicht alles selbst machen - und deswegen bin ich auch froh, dass ich Leute habe, die sich mit den technischen Aspekten besser auskennen als ich. Es ist aber schon notwendig, sich damit auseinanderzusetzen", führt Ida aus, "es ist auch sehr interessant, zu beobachten, wie sich der Klang von Instrumenten ändert, wenn man diese stimmt, wenn man die Verstärker einsetzt und all diese kleinen Dinge, die sich ergeben, wenn man mit dem Sound hantiert."
Ida Gard
Dann wollen wir da auch nicht allzulange drauf herumreiten: Was hat es denn mit dem Buch "Populärmusik aus Vittula" auf sich? In welchem Bezug steht "Womb" zu dem Buch? Sind die Songs alle von dem Buch inspiriert oder vermengen sich da eigene Erfahrungen mit den fiktiven Ereignissen des Buches? "Also die Sache mit dem Buch war eher ein Zufall", räumt Ida ein, "auf der letzten Tour haben wir bereits Songs gespielt, die für das neue Album 'Womb' geplant waren. Erst dann habe ich das Buch gelesen und es hat sich sozusagen in mein Material hineingeschlichen. Als die ersten neuen Songs sich unter dem Einfluss des Buches konkretisiert hatten, habe ich mir gedacht, dass ich vielleicht mehr Material in dieser Richtung schreiben sollte. Am Ende sind dann alle neuen Songs von Szenen in dem Buch inspiriert. Allerdings habe ich auch Ideen verwendet, die schon dagewesen waren, bevor ich das Buch gelesen hatte. Ich habe diese Ideen dann in die Richtung des Buch-Themas umgebogen. Zum Beispiel hatten wir live schon den Song 'Sons Of Isak' gespielt. Damals war mir noch nicht klar, worum es darin eigentlich ging. Eigentlich ging es um einen Kurzfilm, der niemals realisiert wurde. Ich hatte aber den Song und habe dann den Text so umgeschrieben, dass er zu dem Buch passt. Es geht also in den neuen Songs nicht um meine persönlichen Geschichten. Ich habe aber meine persönlichen Themen mit jenen des Buches verquickt - so dass am Ende etwas Größeres dabei heraus kam." Moment mal: Hat Ida etwa soeben eingeräumt, dass sie zuweilen nicht wisse, worum es in ihren Songs geht? "Ich weiß teilweise, worum es in meinen Songs geht", gesteht Ida, "ich weiß ja zum Beispiel, was ich mir gedacht habe, als ich sie schrieb, und ich kenne den Grundgedanken. Dann gibt es aber auch diese Ebene, die mir selbst gar nicht so bewusst ist. Ich denke aber, dass es wichtig ist, dass ich gar nicht alles über meine Songs weiß. Das macht einen guten Song ja eigentlich erst aus. Manchmal kommen Leute zu mir und erzählen mir, was sie von meinen Songs halten. Zum Beispiel sagte mir jemand, dass er gedacht habe, dass 'Vittula Pt. 1' von einer Frau handele, die ihr Kind verloren habe. Das war überhaupt nicht das, woran ich gedacht hatte - aber nachdem er mir das erklärt hatte, dachte ich mir dann, dass das durchaus Sinn machte. Wenn du also etwas in meinem Songs heraushörst, dann ist es offensichtlich auch da. Das finde ich großartig. Es gibt also immer konkrete Geschichten hinter den Songs - aber auch etwas mehr, von dem man gar nicht so genau sagen kann, was es eigentlich genau ist." Eine Art "Twilight Zone" vielleicht? "Ja, kann schon sein."
Ida Gard
Gilt das auch für die Charaktere in Idas Songs - oder trifft sie diese nur, wenn sie über sie singt. "Auch hier gilt: Ich weiß ein bisschen was über meine Charaktere", überlegt Ida, "ich versuche mich in diese hineinzuversetzen und ich versuche, so wie sie zu denken. Aber sie erzählen mir ja nicht die Geschichte ihres Lebens, sondern bloß, was sie gerade denken. Und das kann sich von Tag zu Tag ändern. Mal sagt man eben dies und mal das." Manchmal kennt Ida nicht ein Mal die Titel ihrer eigenen Songs: Es gibt auf dem Album einen Hidden Track, der ohne Titel auskommen muss: "Ja, das liegt daran, dass der letzte Track der Scheibe fragt 'Ist es schon vorbei?' Und der versteckte Track gibt die Antwort darauf: Nein, es ist niemals vorbei, es gehrt immer irgendwie weiter - es ist niemals wirklich zu Ende." Wie wichtig ist es denn überhaupt, die geheimnisvolle Welt von Idas Texten zu ergründen? "Manchmal hilft es, sich auf den Flow einzulassen", rätselt Ida selbst, "manchmal muss man sich aber auch einfach überraschen lassen. Einige Worte sollten immer herausragen und dich zum Nachdenken anregen. Gute Texte sind die, an die man sich nachher noch erinnern kann. Es ist aber nicht wichtig, genau zu wissen, worum es geht. Texte sind mir sehr wichtig. Wenn ich Musik höre, dann höre ich auch immer auf die Texte." Inwieweit möchte Ida denn ihre eigenen Texte erläutern? "Ich finde, dass es manchmal sinnvoll ist, wenn ich z.B. einige meiner Texte bei den Live-Konzerten erkläre", zögert sie eher, "aber andere sollten besser auch der Vorstellungskraft überlassen werden. Ich mag es, über die Songs zu reden, aber wenn man einen Song zu konkret an irgend etwas festmacht, ist das wie eine Art Käfig."

Ein Track, über den man vielleicht dann doch mal reden sollte, ist der Titeltrack "Womb" - einfach weil dieser die rätselhaftesten Textzeilen enthält. Wie sich herausstellt, hat aber gerade dieser Song einen konkreten Hintergrund. "Also dieser Song wird aus der Sicht der Hauptperson des Buches, Matti, erzählt", verrät Ida, "es gibt da eine Szene in dem Buch, wo sich Matti vor einem Hausmeister versteckt und dabei in einen großen Brennofen klettert, der sich wie ein metallener Schoß anfühlt. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass das eine ziemlich surreale, aber wichtige Szene in dem Buch war, in der sich die Perspektive der Erzählung veränderte und man somit als Leser zu einer anderen Art von Realität gelenkt wurde. Ich mochte das sehr, und versuchte diese Stimmung in meinem Song umzusetzen. Für mich ist das ein Song über die Pubertät und das Aufwachsen. Außerdem ist er ja auch aus einer männlichen Perspektive geschrieben und somit habe ich versucht, mich in die Gedankenwelt eines jungen Teenagers hineinzuversetzen." Das gehört ja zur Königsdisziplin der Songwriter-Gilde - sich in andere Charaktere hineinzuversetzen. Was ist für Ida Gard die größte Herausforderung als Songwriterin? "Ich denke, dass die Herausforderung die ist, sich weiterzuentwickeln, dabei aber immer im Hinterkopf zu behalten, warum man überhaupt Musik macht. Es geht nicht darum, irgendetwas Verrücktes zu tun, sondern sich selbst treu zu bleiben." Was ist denn der Grund, warum Ida Musik macht? "Als ich noch ziemlich jung war, habe ich angefangen, Stücke auf der Gitarre oder dem Piano nachzuspielen. Damals dachte ich, dass ich Sängerin werden wollte. Mein Onkel, der selbst auch Musiker ist, hat mir dann aber empfohlen, selbst Songs zu schreiben, denn damit könne man Geld verdienen. Dann habe ich auch irgendwann Songs geschrieben und das ist das, was ich heute hauptsächlich tue. Ich sehe mich selbst nicht als Sängerin - obwohl ich natürlich auch singen muss, wenn ich meine Songs vortrage - aber ich würde mich jederzeit für das Song-Schreiben entscheiden, wenn ich mich entscheiden müsste."

Nachdem die Songs geschrieben und eingespielt sind, hört es bei Ida Gard aber noch lange nicht auf. So lässt sie sich zum Beispiel bei der visuellen Umsetzung ihres Materials von dem dänischen Künstler-Duo Apperaat (Tami Vibberstoft und Nils Gade) unterstützen, dessen Videos mindestens genauso rätselhaft sind, wie Idas Songtexte. "Mit denen habe ich bislang die Videos zu meinen Songs gemacht. Das ist schon ein seltsames Pärchen", räumt Ida ein, "sie erscheinen mir aber von mal zu mal normaler zu sein, denn je besser wir uns kennen, desto besser verstehen wir uns auch. Sie sind gleichzeitig visuelle Künstler wie auch Musiker und sie verstehen, worauf es ankommt. Es ist diese Kombination kreativer Ideen, die mich anspricht. Wir sprechen zuvor über diese Ideen, aber dann überlasse ich ihnen die Arbeit an dem Video. Wir werden noch mehr zusammen machen - Videos, Documentaries und vielleicht einen Live-Mitschnitt. Es wird spannend zu sehen, was sie daraus machen werden." Und was Ida auf Tour macht, kann man sich gleich im Anschluss an die Veröffentlichung der CD anschauen. Eine Frage bleibt aber noch: Was hat Ida Gard zu ihrer charakteristischen Doppel-Hefezopf-Frisur inspiriert? "Ich weiß auch nicht - das ist irgendwann einfach mal passiert", verrät Ida, "ich hatte mir diese Bluse gekauft, zu der meine offenen Haare nicht so recht passten und dann habe ich mir die Haare hochgesteckt. Ein Zopf hat mir aber nicht gereicht und plötzlich hatte ich diese zwei Knoten auf dem Kopf. Es ist zwar eine Art von Gimmick - aber auch irgendwie ein Markenzeichen, weil mich die Leute daran wieder erkennen. Und außerdem ist das eine erstaunlich praktische Frisur..."

Weitere Infos:
idagardmusic.com
www.facebook.com/idagard
www.youtube.com/watch?v=4TcS-SwnEM0
www.youtube.com/watch?v=9GN6gEFfle0
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Sarah Hesselbo-
Ida Gard
Aktueller Tonträger:
Womb
(Revolver/Rough Trade)
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