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Interview-Archiv

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SUZANNE VEGA
 
Die Logik der Melodie
Suzanne Vega
Das neue Werk der New Yorker Songwriterikone Suzanne Vega ist sozusagen eines mit Ansage geworden, denn schon lange bevor Suzanne 2011 das Wagnis unternahm, sich mit dem Theaterstück "Carson McCullers Talks About Love" auch als Schauspielerin zu präsentieren, war sie schon ein Fan der Schriftstellerin McCullers - einer Autorin der Stilrichtung "Southern Gothic", deren bekannteste Vertreterin wohl Harper Lee war. Bereits auf der dritten Folge ihrer "Close-Up"-Quadrilogie gab es 2011 das Stück "Instant Of The Hour After" einen ersten Song aus dem genannten Theaterstück zu hören. Mit "Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles" erschien 2014 zunächst allerdings ein weiteres Album mit neuem Material, bevor erst jetzt mit "Lover Beloved: Songs From An Evening With Carson McCullers" sozusagen der vollständige Soundtrack zu dem Theaterstück vorliegt.
Die Stücke darauf beziehen sich entweder auf die Lebensgeschichte Carson McCullers selbst - oder aber auf Szenen und Charaktere aus dem literarischen Werk der Autorin. Wenn sich jemand mit einer solchen Akribie dem Wirken eines anderen Künstlers widmet, ist es natürlich insbesondere von Interesse, zu erfahren, worin denn die Faszination für das Subjekt der Begierde wohl liegen mag. Ging es vielleicht auch darum, durch die eigene Begeisterung ein Interesse an der Schriftstellerin Carson McCullers zu wecken, oder hätte es die betreffenden Projekte sowieso gegeben? "Die hätte es sowieso gegeben", räumt Suzanne unumwunden ein, "auch wenn es natürlich schön ist, wenn sich dann jemand für Carson McCullers interessiert." Wie kam eigentlich die Zeitschiene zustande, nach der das Album zu dem Theaterstück von 2011 erst jetzt vorliegt? "Nun, die Zeitschiene für dieses Projekt ist sogar noch länger, als du vermutest", berichtet Suzanne, "denn ich begann damit schon auf dem College - und das ist ja schon einige Zeit her. Zwei der Songs auf diesem Album stammen aus der Zeit, in der ich 21 Jahre alt war. Ich arbeite also schon eine ganze Weile an dem Projekt. Der Grund, warum wir jetzt die Scheibe herausbringen ist der, dass es im Oktober eine neue Produktion des Theaterstückes in Los Angeles geben wird. Ich hoffe, dass das dann die finale Version des Stückes sein wird und ich es nicht mehr umschreiben muss - denn das tue ich zuweilen, weil ich denke, dass es immer noch nicht richtig ist." Wie unterscheiden sich denn das Theaterstück und die Präsentation des Albums? "Nun, der Unterschied ist eben, dass das Theaterstück ein Theaterstück ist", meint Suzanne, "es geht hier ja eher um das gesprochene Wort - eine Frau auf der Bühne. Und bei meinen Konzerten singe ich ja einfach meine Songs, darunter dann vier oder fünf Songs von dem Album - vielleicht mit ein paar erklärenden Worten zu den Songs."
Graham Greene wird folgendermaßen zitiert: "Carson McCullers und William Faulkner sind vielleicht die einzigen Schriftsteller seit des Todes von D.H. Lawrence, die eine ursprüngliche poetische Sensibilität besitzt. Ich ziehe Mrs. McCullers Faulkner vor, weil sie klarer schreibt und ich ziehe sie D. H. Lawrence vor, weil sie keine Botschaft hat." Wie sieht Suzanne Vega das? "Ich denke schon, dass sie eine Botschaft hatte", überlegt Suzanne, "sie hat das aber nicht zu ihrem Anliegen gemacht. Ihre Botschaft ist das Vermitteln einer Art von Liebe. Einer unbedingten Liebe der Menschheit. Damit ist keine erotische Liebe, sondern die profunde Liebe der Menschheit mit all ihren Fehlern und Eigenarten gemeint. Ich denke, sie liebte die Menschen und natürlich ihre Charaktere und hat versucht, dieses zu Papier zu bringen. Das ist die Vision ihrer Arbeiten." Wie hat Suzanne denn die Person Carson McCullers erforscht, die ja immerhin verstorben ist, als sie selbst noch ein Kind war. "Ich habe Carson sogar sehr intensiv studiert", räumt Suzanne mit der Begeisterung eines Fans ein, "es gibt eine großartige Biographie namens 'Der einsame Jäger', die ich herangezogen habe. Man kann erkennen, dass die Autorin, Virgina Carr, Carson McCullers wirklich geliebt haben muss. Und deswegen ist sie auch so dick - sie enthält jede Anekdote und jede Geschichte und jedes Interview mit Leuten, die sie kannten - aber auch viele Vermutungen wie dieses und jenes gewesen sein muss. Und das Ganze ist sehr humorvoll. Der Charakter Carson McCullers wird so wahrhaftig zum Leben erweckt." Wie kam Suzanne - als Musikerin - denn darauf, aus dieser Thematik ein Theaterstück zu machen? "Das hat schon angefangen, als ich auf der Schule mal einen Theaterkurs mitgemacht habe", verrät Suzanne, "es ging hier um Musiktheater. Eine unserer Aufgaben war, als ein verstorbener Künstler gekleidet zum Unterricht zu erscheinen und wir sollten so tun, als ob wir zum Interview im Fernsehen wären. Wir wussten nicht, welche Fragen uns gestellt werden würden, mussten aber darauf vorbereitet sein, alles als die Person, die wir darstellten beantworten zu können. Da hatte ich die Biographie bereits gelesen, besorgte mir ein Kostüm und ein paar Zigaretten, übte ein wenig und präsentierte mich dann als Carson McCullers. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich gar nicht mehr damit aufhören wollte. Also habe ich auch weitergemacht, bis ich dann das richtige Format dafür in Form eines Theaterstückes gefunden habe." Ist Suzanne Vega generell am Schauspiel interessiert? "Ja, das war ich immer schon", berichtet sie, "auch am Tanzen. Tatsächlich bin ich sogar hauptsächlich als Tänzerin ausgebildet. Ich habe eigentlich nur keine richtige Ausbildung als Musikerin. Auf der Tanzschule mussten wir natürlich auch Schauspielunterricht nehmen. Das Interesse war also immer schon da - und ich habe gelegentlich auch ein Mal kleine Rollen gespielt."
Suzanne Vega
Konzeptionell bestehen die Songs auf dem neuen Album aus einem Mix von Stücken über Carson McCullers (teilweise auch aus deren Blickwinkel) und solchen über die Charaktere aus Carsons Geschichten. "Ja, 'The Ballad Of Miss Amelia' beinhaltet zum Beispiel die ganze Geschichte der Novelle 'The Ballad Of The Sad Café' - die Handlung, die Charaktere, die Orte", führt Suzanne aus, "während 'Anne Marie' zum Beispiel eine reale Person ist, die Carson - unerwidert - liebte. 'Anne Marie' war sozusagen die goldene Göttin ihrer Phantasien und Tagträume - aber eine reale Person - eine Schweizer Journalistin, Schriftstellerin und Teil des Kreises um Thomas Mann und seiner Tochter Erika, mit der Carson befreundet war." Bereits an solchen Details lässt sich erkennen, wie intensiv sich Suzanne Vega mit allem, was Carson McCullers betrifft, auseinandergesetzt haben muss. "'We Of Me' ist einer dieser Songs, die sowohl in ihrer Gedankenwelt, wie auch in ihrem Leben verankert sind", verrät Suzanne, "denn die Sprache stammt von ihrem Roman 'The Member Of The Wedding', der hier in Deutschland - sofern ich weiß - einfach 'Frankie' heißt. Es geht um ein 12-jähriges Mädchen - Frankie -, das nicht möchte, dass ihr Bruder heiratet und die Familie verlässt. Ihre Idee ist es dann, sich der Braut und dem Bruder der Heirat anzuschließen. Das klappt dann natürlich nicht. In dieser Hinsicht hat das Ganze eine unschuldige Bedeutung. In ihrem richtigen Leben hatte Carson McCullers jedoch viele Dreiecksbeziehungen, die sie auch auslebte. Zum Beispiel sie, ihr Ehemann Reeves McCullers und Anne Marie. Oder sie und ihr Ehemann und dieser Komponist namens David Diamond, den sie in ihren Zirkel einlud, der dann aber eine Affäre mit ihrem Ehemann anzettelte. Das war dann eine sehr empfindliche Situation." Das sind dann Situationen, die sich anhand der Zeugenaussagen ja auch rekonstruieren lassen. Wie sieht es aber mit Songs aus wie "Harper Lee", die aus der Perspektive von Carson McCullers geschrieben sind (in diesem Song macht sich Carson lustig über ihre literarische Konkurrentin Harper Lee) - sind das denn eher Vermutungen? "Oh ich weiß sogar, dass Carson ganz genau diese Sachen gesagt hat", meint Suzanne, "weil ich diese aus ihrer Autobiographie entnommen habe. Sie hat Sachen gesagt wie 'Ich habe mehr zu sagen als Hemingway' - was sehr lustig ist, da Hemingways Geheimnis war, bestimmte Sachen wegzulassen, was ja eigentlich seine Stärke ist. Sie warf Faulkner vor, in der Stimme seiner seltsamen Charaktere zu sprechen. Sie hat all diese Dinge gesagt - bis auf die Zeile 'I Want To Kill More Than Just This Mockingbird', die nämlich Duncan Sheik geschrieben hat, die aber so perfekt ist, dass sie sicherlich diese Art von Humor verstanden hätte."

Der Musical-Komponist Duncan Sheik ist ja Suzannes Partner bei diesem Projekt, mit dem zusammen sie diese Songs auch geschrieben hat. Warum eigentlich? Schließlich ist Suzanne doch selbst eine versierte Songwriterin und hätte die Songs auch alleine verfassen können. "Ja, aber ich betrachte mich eher als Texterin und ich mag es, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Und tatsächlich passten wir sehr gut zusammen. Denn die Sache mit Duncan ist die, dass zu ihm zum Beispiel sagen konnte: Schau, wir brauchen jetzt ein Stück, mit dem wir die Show beenden können. Es muss zugleich ein Trinklied und eine Art Hymne sein und er kommt 15 Minuten später mit 'Carson's Last Supper' zurück. Oder ich beschreibe ihm, wie Carson nach New York City kommt, mit romantischen Visionen im Sinn und ich brauche so etwas wie Cole Porter in den 30ern. Und er singt mir sofort eine Melodie vor, auf der ich dann aufbauen und meine Worte einfügen kann. Dann macht er Vorschläge, wie man die Melodie mit den Texten verbinden könnte. Das ist perfekt und es ist eine echte Zusammenarbeit, die sich hin und her entwickelt hat."

Wie wichtig ist Humor als Element für die Songwriterin Suzanne Vega? "Das kommt darauf an, worüber ich schreibe", überlegt sie, "ich liebe es, Humor in meinem Songs und auch in dem Stück zu haben. Andererseits gibt es aber auch Songs wie 'The Instant Of The Hour After', der gar nicht lustig ist, und Zeilen enthält wie 'How I Love You - How I Loathe You' und in dem es um Alkohol-Probleme geht, den aber auch Leute, die sich nicht für Carson McCullers oder ihre Literatur interessieren verstehen können, weil man das gut nachvollziehen kann. Der Humor wird dann dazu benötigt, die ganze Sache ein wenig aufzuheitern." Ein bisschen Humor ist also immer dabei? "Ja, zumindest in den Shows versuche ich die Sache - auch zwischen den Songs - heiter zu halten; schon alleine, weil es ansonsten zu ruhig ist, was sich seltsam anfühlt." Und wonach sucht Suzanne Vega heutzutage als Songwriterin? "Nun heutzutage sind meine Ansprüche höher, als das früher der Fall war", überlegt sie, "früher dachte ich immer, wenn man eine gute Idee hat, und diese drei mal wiederholt, sei man fertig. Man braucht dann nicht mal eine Melodie. Heute habe ich aber Standards, die ich nicht unterschreiten möchte. Ich versuche, eine gute Melodie zu finden, ich suche nach einer guten Idee - einer soliden, einfachen Metapher etwa und nicht etwa ein Bündel kleiner Ideen, die zusammengeklatscht werden. Es geht um eine zentrale Idee. Mein Stiefvater war ein Schriftsteller, der mir das beigebracht hat, dass es besser sei, mit einer Metapher zu arbeiten - wie es auch besser ist, mit einem Stück Holz zu arbeiten, anstatt viele kleine Stücke zusammenzukleben. Daran habe ich mich erinnert und versuche heute, eine Idee möglichst elegant zu präsentieren. Und dann versuche ich auch noch, ein bestimmtes Gefühl zu kommunizieren, damit die Sache auf keinen Fall zu abstrakt wird." Das ist ja im Prinzip eine recht konkrete Anleitung zum Song-Schreiben. Wird das mit der Zeit dann zur Routine? "Nein, es ist immer genauso schwierig wie beim ersten Mal", erklärt Suzanne, "die einfachen Sachen fallen einem immer leichter, aber die schwierigen sind dann eher paralysierend. Ich brauche heute also ein wenig länger als früher - weil ich einfach nicht so schnell mit mir zufrieden bin. Als ich zum Beispiel 'Cracking' geschrieben hatte, war ich sofort begeistert. Heute hinterfrage ich mehr und probiere mehr aus - und ich denke eine Menge darüber nach, bevor ich es zu Papier bringe." Was ist dabei die größte Herausforderung? "Eine schöne Melodie zu finden", räumt Suzanne ein, "Melodien fallen mir schwer. Der Rhythmus fällt mir leicht. Und die richtigen Worte zu finden, ist mir zur zweiten Natur geworden. Die Melodien zu finden fällt mir jedoch schwer, weil Melodien ihre eigene Logik haben. Eine schöne Melodie, an die man sich erinnern kann, ist wie ein Geschenk. Am Ende tendieren meine Melodien dazu, sehr kurz und einfach zu sein und ich wiederhole sie dann einfach. Das ist natürlich nicht so toll und auch nicht das, was Elvis Costello, Paul Simon oder Paul McCartney tun würden. Ich muss immer lange drüber nachdenken, ob eine Melodie etwas taugt. Deswegen ist es übrigens so schön, mit Duncan zusammenzuarbeiten, denn der kann immer genau sagen, ob eine Melodie etwas taugt oder nicht."

Wenn Suzanne also sagt, dass ihr der Rhythmus leicht fällt, heißt das dann, dass sie ihre Texte eher am Rhythmus orientiert? "Ja, immer", bestätigt sie, "Jerry Marotta - der ja ein großartiger Drummer ist - hat mal gesagt, dass ich Worte wie ein Perkussionsinstrument einsetzte. Da ist schon etwas dran, in der Art wie ich Konsonanten und Vokale verwende. Das fällt mir auch sehr leicht." Wie sieht es denn mit den Themen für Songs aus? Wird das mit der Zeit auch schwieriger, welche zu finden? "Nein - es gibt immer etwas, über das man schreiben könnte", widerspricht Suzanne, "wenn es keine Erinnerung ist, dann ist es etwas, was ich lese oder das ich mir aus einem anderen Blickwinkel ansehe, ein Wunsch, eine Phantasie, ein Ratschlag für meine Tochter - es gibt alle möglichen Dinge, über die man schreiben kann. Es ist meiner Meinung nach übrigens ein Fehler, immer nur über die eigenen Erfahrungen zu schreiben - weil man ja schließlich auch die Zuhörer irgendwohin mitnehmen möchte, und das geht nicht, wenn man immer nur über das schreibt, was man selbst weiß oder sieht. Phantasie oder Vorstellungskraft sind wichtig." Das heißt: Songs müssen größer als das Leben sein? "Nein - es muss dann nicht immer größer als das Leben sein, wenn man über eine Tasse Kaffee und Entfremdung schreibt - wie in 'Tom's Diner' -, dann braucht das keine große Geste. Aber wenn man über leidenschaftliche Liebe schreibt, dann darf diese auch größer als das Leben sein." Gibt es denn für eine Songwriterin wie Suzanne Vega noch einen musikalischen Traum? "Ja, den gibt es in der Tat", meint sie enthusiastisch, "ich hätte gerne noch einen Song wie 'Tom's Diner', zu dem man sich bewegen könnte. Denn ich höre mir nach der Show immer Sachen an, zu denen man tanzen kann. Vielleicht sollte ich ja mal mit Giorgio Moroder zusammenarbeiten und eine EDM-Scheibe (Electronic Dance Music) machen. Das wäre supercool."

Weitere Infos:
www.suzannevega.com
en.wikipedia.org/wiki/Suzanne_Vega
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Suzanne Vega
Aktueller Tonträger:
Lover, Beloved: Songs from An Evening With Carson McCullers
(Red Essential/Sony Music)
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