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SAM VANCE-LAW
 
2 x Sam = Moby Dick
Sam Vance-Law
Obwohl das von Konstantin Gropper produzierte Album "Homotopia" das Solo-Debüt des in Berlin lebenden und arbeitenden Kanadiers Sam Vance-Law ist, ist der Mann - insbesondere auf unseren Bühnen - dennoch kein Unbekannter mehr, denn immerhin betrieb Sam - zusammen mit Emma Greenfield - ein Bandprojekt namens Traded Pilots, das zwar zur Zeit auf Eis liegt, im Rahmen dessen er und Emma aber auch als Support- und Band-Mitglieder für unter anderem Dear Reader und Wallis Bird bereits des Öfteren auf unseren Bühnen agierten.
Was ist denn momentan der Stand bei Traded Pilots? "Das ist eine starke erste Frage", scherzt Sam, "tatsächlich schreiben Emma und ich noch Musik zusammen. In der Tat arbeitet sie auch selbst gerade an eigenen Songs. Wir machen gerade Pause, haben aber Material aufgenommen, das vielleicht auch ein Mal veröffentlicht werden könnte. Was aber tatsächlich passiert ist, ist dass mein Solo-Projekt etwas wilder und schneller wurde, als ich mir das selbst vorgestellt hatte. Deswegen habe ich mich darauf konzentriert, bevor alles aus der Kontrolle lief." Wie ist dann das Projekt "Homotopia" schließlich zustande gekommen? "Wie du vielleicht weißt, machen sich manche Bands einen Spaß daraus, sich ohne besonderen Grund Album-Titel auszudenken - einfach weil es amüsant ist. Als jemand den Begriff 'Homotopia' in die Runde warf, haben wir uns dann gleich überlegt, welche Art von Musik auf solch einer Scheibe sein könnte. Ich habe das zunächst als Witz betrachtet - bis dann die ersten Songs entstanden. Ich habe mich gar nicht hingesetzt, um diese Songs für dieses Projekt zu schreiben. Das geschah so, dass ich eines morgens aufwachte, und der erste Song in meinem Kopf herumspukte. Und das passierte ein paar mal - und irgendwann erschien es mir doch eine gute Idee zu sein, die Sache zu konkretisieren." Nun sind Sams Songs aber doch recht komplex und leben vor allen Dingen von den phantasievollen Strukturen und Arrangements. "In der Tat", räumt er ein, "aber zunächst habe ich ja nur eine Idee oder eine Textzeile - und manchmal vielleicht eine kleine orchestrierte Phase im Kopf - die Arrangements und der Rest müssen dann schon aufgebaut werden, wenn der Rahmen feststeht."
Sams Hauptinstrument ist eine Geige - und nicht etwa eine Gitarre. Wie schreibt er denn die Songs und Arrangements? "Das ist ganz einfach", schmunzelt er, "ich schreibe die Songs in meinem Kopf und stelle mir einfach alles als Geigenparts vor. Und dann sage ich den Musikern: 'Diese Geige sollte ein Saxophon sein und jene eine Harfe' und so weiter." Und wie wirkte sich das im Ergebnis aus? "Ich wollte sehen, was passiert, wenn die Prinzipien der Klassik und die Spontaneität des Pop zusammen kamen", überlegt Sam. "und wenn ich einen Punk-Song schreiben wollte, dann sollte es auch ein Punk-Song sein. Es ist ja so: Wir schreiben nicht die Musik, die wir hören, sondern die, die wir schreiben. Ich mag zum Beispiel keine Walzer - und doch habe ich zwei Walzer auf der Scheibe. Ich höre keine Punk-Musik - und doch gibt es Punk-Momente auf der Scheibe. Man kann das nicht alles kontrollieren. Ich wollte sehen, was passierte und ob sich das dann für die Scheibe eignete."

War das Ganze denn von vorneherein als Konzept-Album angelegt? "Ja, insoweit wir das Motiv 'Homotopia' erst mal hatten, schien das doch Sinn zu machen", erklärt Sam, "und außerdem mag ich es, wenn die Songs miteinander zu tun haben - sowohl musikalisch wie auch thematisch. Ich finde es auch unterhaltsam einen Gedanken oder ein Thema nicht nur über einen Song von drei Minuten Länge zu strecken, sondern über eine ganze Scheibe." Wenn Sam mit anderen Musikern auf der Bühne steht, ist der Comedy-Aspekt beim Hin und Her zwischen den Songs zweifelsohne ein integraler Bestandteil der Show. Auch bei den Texten und sogar den musikalischen Zitaten auf seiner Scheibe bleibt kaum ein Auge trocken. Wie wichtig ist Sam Vance-Law denn der Humor bei seiner Arbeit? "Du hast uns in Köln gesehen, richtig? Ich muss dazu sagen, dass es in Köln aus irgendwelchen Gründen immer besonders lustig ist. Das liegt da irgendwie in der Luft", meint Sam, "ich genieße immer einen gewissen Humor. Es könnte nämlich sein, dass meine Songs ansonsten dann doch zu ernsthaft rüberkämen - was durchaus Vorteile beim Schreiben haben kann, aber ich nutze gerne den Humor, um den Kontrast zu einem ernsten Thema und einem leichten Ansatz zu kombinieren. Ich denke, dass das emotional wirkungsvoller ist, als nur auf den ernsten Aspekten herumzureiten." Gehört Sam Vance-Law zu jener Kategorie von Menschen, die dabei tatsächlich über sich selbst lachen können? "Ich habe neulich mit jemandem gesprochen, der mir geraten hat, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen - weil es da immer diesen zweiten Sam zu geben scheint, der alles beobachtet und sich darüber amüsiert und über mich lacht", antwortet Sam eher ausweichend, "2017 war für mich auch nicht ganz einfach - es gab da ein paar dunkle Momente in meinem Leben. Und trotzdem hat mich dieser andere Sam darauf aufmerksam gemacht, dass es da auch humorvolle Momente gibt, verliere das nicht aus den Augen. Es gibt da also einige Momente, in denen ich mich distanziert mit mir selber beschäftigen kann. Ich denke aber, ich kann tatsächlich über mich lachen - auch ohne zweiten Sam - denn das Leben tendiert doch dazu, zuweilen recht absurd zu sein, wenn es hart auf hart kommt. Ich habe kein Problem damit, mir dann etwas Abstand zu gönnen und dann die Komik in Sachen zu sehen, die nicht so offensichtlich sind."

Sam Vance-Law
Das Ergebnis erinnert dann in Mehrerlei Hinsicht an das, was Sams Kollege Stephin Merritt mit seinem Projekt Magnetic Field macht. "Ja, denn Stephin war der erste, der mir klar machte, dass Komik und menschliche Tragödien auf eine wunderschöne Weise miteinander in Einklang gebracht werden können", meint Sam, "wenn er einen besonders coolen Witz macht und in der nächsten Zeile ein profundes, ernsthaftes Thema anspricht, dann rührt mich das zu Tränen - was nicht so oft passiert. Und zwar, weil er dich überrascht und nicht auf so was vorbereitet. Wenn mich also jemand lyrisch beeinflusst hat - wobei ich auch seine Melodieführung bewundere - dann ist das Stephin Merritt." Was war dann die Aufgabe von Konstantin Gropper, dem Produzenten der Scheibe? "Nun, er hat Vorschläge gemacht, um einige Songs zu verbessern - zum Beispiel hat er Drumpattern vorgeschlagen oder Intros oder Outros beigesteuert, während er andere - wie 'I Wanted To' oder 'Isle Of Man' - gar nicht oder fast nicht geändert hat, was die Arrangements betraf. Und dann war es noch so, dass ich keine besonderes Augenmerk auf die Mixe gelegt hatte. Marcus Fürst, der auch bei Get Well Soon spielt, hat die Mixe geleitet und da haben wir dann auch eng zusammen gearbeitet und Konstantin hat uns bei den Mixen sein Ohr geliehen."

Wonach sucht eigentlich der Songwriter Sam Vance-Law? "Es gibt eine Menge Dinge, die einen guten Song ausmachen", lacht er, "musikalisch würde ich sagen, dass ein großartiger Song - im Gegensatz zu einem guten Song - mich auf eine Art berührt, auf die ich gewöhnlich nicht berührt werde. Ich finde auch, dass gute Texte sehr wichtig sind. Wenn der Text nicht gut ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich diesen dann mag, recht niedrig. Und eine großartige Melodie ist auch ausschlaggebend. Das alles muss auf meine eigenen Songs übrigens gar nicht zutreffen." Aber anstreben tut er diese Ideale doch schon, oder? "Ja, ich bin ein Oben/Unten-Typ", orakelt er, "das meint, dass ich mit der Melodie anfange, dann die Texte schreibe und dann an den Arrangements arbeite - und erst dann Bass und Drums hinzu kommen. Die meisten Leute arbeiten ja umgekehrt, oder? Was bedeutet, dass für mich ein Song nur dann funktioniert, wenn die Melodie und die Arrangements sitzen - und nicht dann, wenn er einen treibenden Rhythmus hat und sonst nichts." Und was ist inhaltlich ausschlaggebend? "Thematisch sollte man versuchen einen Teil der menschlichen Umstände auf universeller Ebene anzusprechen und nicht bloß eine persönliche Geschichte Position einzunehmen. Man sollte versuchen, das Universelle durch das Spezifische anzusprechen. Herman Melville ist ein Meister dieser Technik - jedes Kapitel in Moby Dick enthält solche Details."

Was ist denn das Anliegen des Albums "Homotopia" - die Botschaft oder die musikalische Selbstverwirklichung? "Ich würde gerne sagen, dass es beides ist", überlegt Sam, "aber es ist mir wichtig zu sagen, dass es beim Vermitteln der Idee nicht um Didaktik geht. Es geht eben nicht darum, den Leuten zu sagen, was sie zu denken haben. Es gibt Songs, bei denen die Leute einen Charakter sympathisch finden oder nicht, ihn mögen oder hassen, sich wohl damit fühlen oder nicht. Wenn es also um das Vermitteln von Ideen geht, dann nicht darum, den Leuten zu sagen, was sie zu denken haben, sondern darum, mittels Geschichten Fragen zu stellen, die jeder für sich selbst beantworten kann." Es geht also um einen philosophischen Ansatz? "Ich würde es eigentlich einen gemeinsamen Ansatz nennen", erklärt Sam, "denn das Problem, was ich mit vieler Musik habe, ist, dass sie nämlich didaktisch ist - es gibt dann nur einen Schluss, zu dem du kommen kannst. Ich denke aber nicht, dass das Leben so einfach ist. Die Weise auf der Menschen ihr Leben leben und miteinander agieren funktioniert ja nicht so, dass man am Ende die ultimative Antwort auf alle Fragen hat. Warum sollte ich also versuchen, so etwas in einem Song zu packen? Ich möchte Geschichten erzählen, von denen du sagst: Okay - das ist also eine Geschichte - was hat die mit mir zu tun? Ich hoffe dabei, dass ich meine Charaktere interessant genug konstruiert habe, dass der Zuhörer da mitfühlen kann und die Charaktere vielleicht auf eine Weise lieben können - auch wenn sie nicht mit allem einverstanden sind oder ihn schwierig finden." Und was war musikalisch das Ziel? "Nun, ich wollte etwas machen, das nicht wie etwas anderes klingt", führt Sam aus, "und ich denke, diese Scheibe klingt nicht wie etwas, das es schon gibt. Das war mir musikalisch besonders wichtig."

Was ist denn die Funktion der Musik für Sam" Ist es eine Berufung? "Musik ist definitiv eine Berufung für mich", bestätigt Sam, "was ich an der Musik - im Gegensatz zu anderen Kunstformen - interessant finde, ist die Art, auf die sie bewegt. Im Falle von Film, visueller Kunst oder Literatur ist es ja doch so, dass man da bestimmten Leitlinien zu folgen hat. Bei der Musik handelt es sich jedoch um etwas flüchtiges. Sie geht ins Ohr und ist dann wieder weg - bleibt jedoch im Unterbewusstsein. Deswegen ist die Musik für mich die beste Möglichkeit, Geschichten zu erzählen. Weil man die Möglichkeit hat, den Zuhörer unbewusst zu erreichen - auch an Stellen, wo niemand damit rechnet. Nachdem ich das gesagt habe, muss ich noch hinzufügen, dass ich es generell einfach liebe, Musik zu erschaffen - sei es, dass ich Songs schreibe, dass ich probe oder dass ich live auftrete." Auch bei Live-Performances von Sam Vance-Law gibt es diese Momente des Unerwarteten, die den Zuhörer an Stellen packen, wo niemand damit gerechnet hat. Vielleicht sollte man sich also schon alleine deswegen eine Live-Show auf der kommenden Tour anschauen.

Weitere Infos:
www.samvancelaw.com
facebook.com/samvancelaw
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Sam Vance-Law
Aktueller Tonträger:
Homotopia
(Caroline/Universal)
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