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CHRISTINA MARTIN
 
Nichts zum Festhalten
Christina Martin
Zwar kommen Christina Martin und ihr Ehegatte (und Gitarrist) Dale Murray aus der kanadischen Provinz Nova Scotia - wo sie auch leben und ihre Musik produzieren -, eigentlich ist das Duo aber eher "on the road" zu Hause. So wird zum Beispiel jede Möglichkeit genutzt, auch in unseren Breiten auf Tour zu gehen. Dafür wird dann jeder der 90 Tage genutzt, die einem Nicht-EU-Bürger ohne Arbeitsvisum zustehen - was dann nicht nur dazu führt, dass Christina Martin so ziemlich die längsten Touren ihrer Zunft absolviert, sondern auch dazu, dass sie im Verlauf ihrer langen Besuche auch ziemlich viel Deutsch aufgeschnappt hat - und sich demzufolge gut verständlich machen kann. Fast schon ungewöhnlich, dass bei diesem Arbeitspensum dann immer wieder noch Zeit bleibt, neue CDs einzuspielen. Immerhin: Auf diese Weise lassen sich neue Tracks schon ein Mal auf ihre Live-Tauglichkeit prüfen, bevor sie überhaupt eingespielt wurden. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich auch auf Christinas neuer CD "Impossible To Hold", denn der Song "Lungs Are Burning" debütierte schon auf Christinas Tour im März letzten Jahres. In diesem Stück geht es um Drogen und den Verlust durch Drogen - was für Christina ein ungewöhnliches Thema ist.
Gab es vielleicht eine politische Agenda für das neue Album? "Nein - eigentlich nicht", zögert Christina, "jedenfalls nichts anderes als in der Vergangenheit. Die Frage ist eigentlich immer: Schaffe ich es, genügend Songs zusammenzustellen, die dann im Endeffekt ein Album ergeben? Und dann damit auf Tour zu gehen. Denn ich brauche ja einen Grund, auf Tour zu gehen und brauche dafür etwas, was ich den Leuten erzählen kann." Und dennoch finden sich auf ihrem neuen Album auch Songs wie "Deep Dark Red", die die aktuelle Flüchtlingsthematik aufgreifen. "Nun, es geht hier um nichts, was ich erlebt habe", erklärt Christina, "ich bin ja in Kanada aufgewachsen und musste mir nie Gedanken darum machen, wie es wäre, wenn man sein Land verlassen muss, wenn es nicht sicher ist. Aber nachdem ich hier in Europa so viel getourt bin - und wir auch in Kanada einige Flüchtlinge haben -, wollte ich diese Immigrationsfrage mal auf einem allgemeinen Level ansprechen: Wie müsste man sich verhalten, wenn man komplett auf die Nachsicht anderer Leute angewiesen wäre? Es war eine Fingerübung in Sachen Empathie, würde ich sagen. Man muss heute mit solchen Themen ansprechen." Gibt es denn zumindest eine konzeptionelle Klammer, die die neuen Songs zusammenhält? "Ich will einfach, dass es jeweils die besten Songs sind, die ich zu der Zeit machen kann", ergänzt sie noch, "die Songs, die ich momentan schreibe, enthalten zwar eine Botschaft - aber nicht notwendigerweise eine politische. Man sollte jedoch fühlen können, dass meine Songs eine Bedeutung für mich haben. Wenn das der Fall ist, dann denke ich, dass auch andere Leute eine Beziehung zu dem Song entwickeln können." Okay - was ist denn dann zum Beispiel die Botschaft von Songs wie "Lungs Are Burning"? "Diesen Song schrieb ich, um den Verlust meines Bruders zu verarbeiten, der mit der Sucht lebte und seiner Krankheit - und schließlich an einer Überdosis gestorben ist", erläutert Christina, "das mit den Drogen ist schon seit längerer Zeit ein großes Thema in Kanada. In der Presse gibt es viele Berichte über diese Modedroge Fentanyl." Ist es das, was die Lunge zum Brennen bringt? "Nein - ich glaube Fentanyl lässt dich eher einschlafen", führt Christina aus, "es ist ein Opioid und eine sehr starke Droge. Aber der Titel 'Lungs Are Burning' sagt sowieso etwas anderes aus. Ich habe diese Formulierung in diesem Song verwendet, weil es brennt, wenn etwas schmerzt. Manchmal fühlt sich der Schmerz des Verlustes wie ein dumpfes Brennen an. In dem Song geht es nicht um den Drogenkonsum, sondern um den Schmerz, der durch den Verlust von an Drogen zugrunde gegangener Menschen entsteht. Wichtig ist mir aber auch, dass es darum geht, den Schmerz zu stillen. Suchen wir denn nicht alle nach Möglichkeiten, Schmerz zu stillen? Für manche sind das ja Drogen - für andere aber auch der Schrei nach Hilfe."
Das heißt dann unter dem Strich also, dass es keinen thematischen Masterplan für das ganze Album gab, oder? "Nein, denn als ich begann, die Songs für dieses Album zu schreiben, wusste ich selbst nicht, wovon sie handeln würden", bestätigt Christina, "es gab also keinen Masterplan außer dem, gute Songs zu schreiben. Weißt du: Ich komme ja kaum noch dazu zu schreiben, weil man sich im Musikbusiness um so viele Sachen kümmern muss, die man erledigen muss, um das, was man eigentlich machen will, tun zu können." Dazu muss man wissen, dass Christina ohne die Unterstützung einer großen Plattenfirma arbeitet und ihre Scheiben jedes Mal aufs neue selbst vermarkten muss. "Ja, das Ziel war, zu schreiben und zu schauen, ob ich etwas zu sagen hätte", überlegt Christina, "ich wusste das vorher nicht - denke aber, dass ich es geschafft habe; wobei ich eigentlich immer über die Themen schreibe, über die ich immer schon geschrieben habe." Gibt es dafür denn ein bestimmtes Rezept? "Nun ja, ich habe da eine gewisse Routine, indem ich morgens in eine Art Tagebuch schreibe", verrät Christina, "das mag dann die Basis für einen Song oder den Teil eines Songs sein - aber manchmal ist es auch einfach nur Geschreibsel. Ich mag es auch zu lesen - über das Schreiben zu lesen - nicht notwendigerweise über Songwriter, sondern von anderen Autoren."

Und was inspirierte Christina musikalisch auf dem neuen Album? Kann es sein, dass sie dieses Mal das Schiff bewusst in Richtung einer poppigen Ausrichtung lenkte? Es finden sich nämlich vergleichsweise viele Keyboard-Sounds und elektronische Effekte auf dem Album - und weniger die folkbasierten Elemente der Vergangenheit. "Es war gar nichts Spezielles", berichtet sie, "jeder Song hat seine eigene Geschichte und sind ziemlich unterschiedlich. Ich wollte, dass sie schon im Studio so klängen, wie ich sie später auch live spiele. Ich wollte keine große Band und keine großen Arrangements dahinter haben. Sie sollten eigentlich eher ruhig und soulig rüberkommen. Allerdings denke ich, dass ich sie ganz anders gesungen habe, als ich das früher getan habe." Tatsächlich kann man Christina eine gewisse Inbrunst im Vortrag nicht absprechen. "Ja, aber was ich meine sind Songs wie 'Winter'. So etwas habe ich melodisch in dieser Form noch nie gemacht und ich weiß auch gar nicht, wo die Inspiration dafür herkam, aber versuchte, dieser Eingebung zu folgen. Das ist aber nicht geplant. Ich denke einfach, dass - je älter ich werde, desto freier werde ich auch. Es gibt aber definitiv keinen Plan so oder so klingen zu wollen. Natürlich will ich immer besser werden und immer besser unterhalten - sonst steckt aber kein Anspruch dahinter."

Christina Martin
Nun ja - wenn kein Anspruch oder Plan dahinter steht, wie erfolgt dann denn stattdessen die musikalische Weiterentwicklung? Denn seit ihren Anfangstagen als Folkpop-Songwriterin hat sich Christina musikalisch doch ziemlich deutlich weiter entwickelt. "Manchmal ist das Ganze ein Experiment", verrät sie, "wie zum Beispiel der Song 'Always Reminding', meine letzte Single. Dale hat hier die Musik geschrieben und ich den Text. Wir hatten die Melodie und den Text eigentlich schon seit Jahren. Aber erst als er mit diesem elektronischen Beat um die Ecke kam, wussten wir beide genau, wie das rhythmisch zusammenpassen könnte. Aber auch hier sind wir nicht mit dem Anspruch herangegangen, es nach irgendetwas bestimmten klingen zu lassen. Es sollte halt ein Pop-Song werden. Ich mag es einfach mit der Produktion zu arbeiten." Das führt dann aber auch zu Stücken wie "Impossible To Hold", mit einem ganz speziellen Klangdesign. "Ja, ich muss zugeben, dass ich ein riesiger Pretenders-Fan bin und wollte, dass dieser Song einen gewissen Chrissie Hynde-Touch bekommt - auch wenn ich mit damit widersprechen mag. Sagen wir mal so: Ich gehe die Sache Song für Song an und manche Songs erfordern eben eine bestimmte Absicht." Worum geht es denn in dem Song? "Das ist ja das Ding", meint Christina, "darum geht es um eine Schreibblockade und Zweifel am eigenen künstlerischen Vermögen. Deswegen musste der Song auch rau und aggressiv sein. Ich habe diesen Song geschrieben, nachdem ich ein Konzert von Carole King im Hyde Park gesehen habe. Die Idee des Songs ist die, dass man einem Künstler oder einer Idee verbunden sein kann - ohne diesen Künstler oder diese Idee direkt - also physisch - erfahren zu können. Man kann sie nicht festhalten. Ist es nicht so, dass man in diesem Leben sowieso nicht allzu viel festhalten kann?" Das ist wohl wahr. Aber zurück zu Christinas Album: Was wäre den das Fazit, das Christina selbst zieht? "Vielleicht erlaubte dieses Album mir einfach, meine verschiedenen Seiten aufzuzeigen und einzufangen", erklärt sie. Was ist Christina wichtig an einem guten Song? "Ich versuche immer darauf zu achten, was der Song selbst möchte", überlegt Christina, "es geht eigentlich immer um ein Bauchgefühl. Es ist dieses unbestimmbare Gefühl, das man hat, wenn man einen Song gut findet. Das kann ja nur ein Song auf einem ganzen Album sein - auch wenn diese vielleicht sogar alle ähnlich sind. Manchmal ist es die Botschaft des Songs, manchmal nur ein Rhythmus. Ich überarbeite meine Songs heutzutage stärker als früher, weil man sich ja heutzutage gut überlegen muss, was man wie ausdrücken will, um seine Ideen zu vermitteln."

Welche Zukunftsaussichten gibt es denn für Christina Martin? "Wenn ich an die Zukunft denke, dann denke ich vor allem daran, wie ich meine Live-Shows etwas größer machen könnte. Ich würde gerne auf größeren Bühnen vor mehr Leuten auftreten. Es ist mir natürlich klar, dass das alle wollen, aber ich bin hoffnungsvoll. Und ich bin auch dankbar für das, was ich habe, denn nicht allen talentierten Musikern bieten sich die gleichen Möglichkeiten wie mir. Ich möchte die Musik weiter verbreiten, denn Musik ist ein kraftvolles Medium, das zu heilen imstande ist."

Weitere Infos:
www.christinamartin.net
facebook.com/ChristinaMartinMusic
twitter.com/xtinamartin
www.instagram.com/XtinaMartinMusic/
tonetoaster.com/christinamartin.html
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Christina Martin
Aktueller Tonträger:
Impossible To Hold
(Tonetoaster/Alive)
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