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MIKAELA DAVIS
 
Lieferung aus der Provinz
Mikaela Davis
Offiziell ist "Delivery" zwar das Debütalbum der aus dem Staate (nicht der Stadt) New York stammenden Songwriterin Mikaela Davis; aber so einfach ist die Sache nicht. Bevor sie nämlich die Songs von "Delivery" schrieb und sich von dem Indie-Guru-Produzenten John Congleton auf originelle Weise auf den Leib produzieren ließ, arbeitete Mikaela lange Zeit als klassisch ausgebildete Harfinistin im Orchester ihrer Heimatstadt Rochester (die nahe der Grenze zum benachbarten Kanada gelegen ist). Aber auch als Songwriterin in eigener Sache war Mikaela keineswegs untätig: Wer zum Beispiel auf YouTube den Namen Mikaela Davis eingibt, wird auf eine Vielzahl von Videos aus den letzten fünf Jahren finden, diverse EPs finanzierte sie über Crowdfunding und auf dem Präsentationsportal Noisetrade findet sich etwa ein komplettes, selbst betiteltes Album Mikaelas - auf dem sie vor allen Dingen ihre Fähigkeiten als Harfinistin in einem eher folkigen Umfeld demonstriert.
Und selbst das ist noch nicht alles: "Ich habe vor 'Delivery' noch ein komplettes anderes Album eingespielt, das auch auf Noisetrade nicht zu hören ist", verrät sie nämlich, "das habe ich überhaupt nicht veröffentlicht, weil ich damals noch nicht zu meiner Richtung gefunden hatte. Ich habe das Material in Brooklyn aufgenommen und festgestellt, dass das nicht mein Ding war und bin dann wieder nach Rochester gezogen, wo ich mich wieder sammeln konnte. Ich denke, dass 'Delivery' sehr viel mehr das ausdrückt, was mich im Grunde genommen ausmacht." Wobei wir dann endgültig beim Thema wären, denn auf "Delivery" geht es nicht um irgendwelche Lieferungen - wie der Titel vermuten lassen könnte -, sondern um des Begriffes Bedeutung im Sinne der Art, wie man etwas darbietet (bzw. "abliefert"). Aber lassen wir doch mal Mikaela selbst berichten, wie sich die ganze Sache entwickelt hat. Immerhin ist es ja nicht selbstverständlich, dass klassisch ausgebildete Harfinistinnen den Weg zur Songwriterin im klassischen Rock- und Pop-Setting suchen bzw. finden. "Nun, es fing alles damit an, dass ich Klavier- und Harfenunterricht nahm als ich acht Jahre alt war", berichtet Mikaela, "Harfe lernte ich sogar an der Schule - wobei es ziemlich ungewöhnlich ist, dass die das angeboten haben, da ja normalerweise höchstens Geige, Cello oder irgendwelche Blasinstrumente dort zu finden sind. Meine Eltern haben das auch unter der Bedingung zugelassen, dass ich auch Klavier lernen sollte - was ja schön war - und ein Jahr später habe ich dann Privatstunden beim Harfinisten der Rochester Philharmonie genommen. Ich habe dann klassische Musik studiert und in der Highschool bin ich für vier Jahre dem Orchester beigetreten. Ich bin mit diesem Orchester in meinem ersten Jahr auch in Europa - in Ungarn, der Slowakei und Polen - aufgetreten. Das war ziemlich cool. Ich bin dann auf ein Musik-College gegangen, wo ich auch einen Diplom-Abschluss absolvierte."
Ehrlich gesagt, hat uns Mikaela aber bereits hinter sich gelassen, als sie erwähnte, dass sie im Alter von acht Jahren den Wunsch äußerte, Harfe spielen zu wollen. Wie ist sie denn bloß auf diese Idee gekommen? "Nun - in der Schule zeigten sie uns damals einfach alle Instrumente, die wir spielen könnten", erzählt Mikaela, "ich fand zunächst das Cello ganz interessant - aber als sie uns die Harfe zeigten, fühlte ich mich sofort zu diesem Instrument hingezogen. Meine Oma war im Jahr zuvor gestorben und ich hatte diese Vision, die Harfe unter diesem Oberlicht zu Hause aufzustellen, damit mir die Oma im Himmel beim Üben zuhören könnte." Übrigens sagt sie statt "Grandma" oder "Granny" tatsächlich "Oma", was durchaus seinen charmanten Reiz hat. Wie kam es dann zu der eigenen Musik, die Mikaela ja heute spielt? "Ich habe während meiner ganzen Ausbildung immer schon eigene Musik geschrieben - hätte aber nie gedacht, dass ich das mal zum Lebensunterhalt betreiben könnte, denn die Laufbahn schien ja als Harfinistin - oder vielleicht mit einer Professur - vorgegeben", erinnert sie sich, "aber in meinem Abschlussjahr an der Uni wurde ich von einer Booking-Agentur kontaktiert, die mich fragten, ob ich nicht mit meiner eigenen Musik auf Tour gehen wollte. Da ging mir dann auf, dass aus meiner Leidenschaft ja vielleicht doch Realität werden könnte und entschloss mich dazu, dann doch lieber diesen Weg einzuschlagen und begann zu touren."

Nützte das klassische Harfenspiel Mikaela eigentlich beim Schreiben eigener Songs in einem nicht-klassischen Setting oder musste sie dafür einen eigenen Stil entwickeln? "Das ist eine gute Frage", überlegt sie, "ich hätte nie gedacht, dass es leicht sein würde, auf der Harfe meine Musik zu spielen - zumal ich anfing, auf dem Piano zu komponieren. Aber meine Freunde ermutigten mich, zum Komponieren zur Harfe zu wechseln. Zuerst war das komisch, weil ich ja gewohnt war, nach Noten zu spielen. Mein Harfenprofessor hatte mich aber immer schon die 'Nudlerin' genannt, weil ich immer auf der Harfe herumgenudelt habe. Es hat mir aber durchaus geholfen, die klassische Harfe gelernt zu haben, denn eine Harfe ist ein Instrument, das nicht einfach alleine zu erlernen ist. Man muss nämlich sehr auf die Technik achten, damit man sich nicht selbst verletzt. Man muss schon richtig spielen, um Sehnenscheidenentzündungen oder ähnliche Sachen zu vermeiden. Manchmal greife ich auch noch auf Musik, die ich gelernt habe zurück, wenn ich solo auftrete, weil ich immer noch nach einem eigenen Stil suche. Aber es gibt ja Jazz Harfinistinnen wie Alice Coltrane oder Dorothy Ashby, die einen guten Job machen und die ich als Inspiration ansehe." Ist es denn schwierig, die Harfe als Instrument in eine Rockband zu integrieren - wie Mikaela das heutzutage macht? "Nein", erwidert sie bestimmt, "es ist einfach dieses Instrument, das ich spiele - mit dem ich dann eben eine Band gegründet habe. Heutzutage achte ich auch darauf, dass die Harfe ein Instrument von vielen ist. Manchmal verwende ich die Harfe auch einfach wie eine Gitarre. Ich muss sie nicht unbedingt in den Vordergrund rücken." Das unterscheidet "Delivery" übrigens auch von den Sachen, die Mikaela zuvor veröffentlichte.

Anders als andere Harfinistinnen, die mit ihrem Instrument im Rock-Kontext reüssieren (beispielsweise Joanna Newsom), orientiert sich Mikaela Davis heutzutage aber nicht mehr am Folk-Setting. "Ich denke, das hängt mit der Musik zusammen, die einen selbst beeinflusst", erklärt Mikaela, "Joanna mag ja vielleicht von der Folkmusik beeinflusst sein - ich stehe aber mehr auf Neil Young oder John Lennon und klassische Songwriter aus den 70ern. Die habe ich mir auch viel angehört, als ich 'Delivery' schrieb." Das lässt sich leicht nachvollziehen: Auf YouTube finden sich nicht nur Coverversionen von "Zeitgenossen" wie Sufjan Stevens oder Elliott Smith, sondern auch solche von den Kinks oder Joan Baez. Es ist somit durchaus nachvollziehbar, dass Mikaela als Songwriterin eben nicht im ätherischen Folk-Sektor stecken blieb.

Mikaela Davis
Was ist denn nun mit dem "alten" Material Mikaelas los? Warum verschweigt sie dieses heutzutage? "Nun, früher ging es mir um viele Texturen, Instrumente, Tempo-Wechsel und sowas", erklärt sie, "ich stand damals ziemlich auf Sufjan Stevens. Aber ich denke, dass sich mein Songwriting seit dem doch ziemlich weiterentwickelt hat. Und wenn ich mir heute meine alten Texte anhöre, denke ich nicht, dass diese besonders gut waren. Jeder Künstler ist schließlich mit sich selbst besonders kritisch. Man nimmt also Sachen auf und ein Jahr später ist man dann schon wieder bereit, etwas Neues zu machen. Man möchte ja auch immer besser werden und möchte dann neu anfangen. 'Delivery' ist das erste Album, auf dem ich meine Stimme gefunden habe. Das frühere Zeug habe ich ja auch auf der Highschool geschrieben." Was betrachtet Mikaela als Herausforderung als Songwriterin? Sie erwähnte ja bereits, dass sie ihre alten Texte nicht mehr so gut findet. "Ich habe auch in der Tat Schwierigkeiten beim Texten", räumt sie ein, "ich meine immer, sie seien nicht gut genug. Das Schreiben von Melodien bereitet mir hingegen gar keine Mühen - die schüttele ich einfach so aus dem Ärmel. Texte zu schreiben und etwas zu finden, das nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere Bedeutung haben könnte, das kann ganz schön schwierig für mich sein."

Auf dem Album arbeitete Mikaela mit dem Produzenten John Congleton zusammen. John ist ja ein regelrechter Indie-Spezialist, der eher einen abrasiven, rockigen Sound bevorzugt. Die Songs auf "Delivery" sind aber eher in einem poppigen Old-School-Glamrock Setting angerichtet. "Zugebenermaßen kamen die meisten Ideen die Produktion betreffend von ihm", gesteht Mikaela, "bei einigen der Songs wussten ich und meine Band schon, was wir machen wollten. Er hat dann Vorschläge gemacht - wie zum Beispiel bei diesem und jenem Track mal eine Fuzz-Gitarre zu verwenden; worauf ich nie gekommen wäre. Ich fand das cool und bin seiner Richtung gefolgt, weil ich ihm diesbezüglich vertraut habe. Die Arrangements haben wir dann alle zusammen gemacht." Die Produktion passt aber auch sehr gut zu den Songs, die stilistisch ja kaum einem bestimmten Genre oder Stil zuzuordnen sind.

Wie es mit Mikaela weiter geht, steht noch in den Sternen. Erste Konzerte in unseren Breiten sind für den Herbst angekündigt und dann wird man sehen müssen. "Ich möchte einfach weiter Songs schreiben, aufnehmen und aufführen", resümiert Mikaela, "und ich bin froh und dankbar, wenn ich dadurch meinen Lebensunterhalt bestreiten kann." Und funktioniert das denn auch? "Bis jetzt klappt das gerade so eben", überlegt Mikaela, "und auch hauptsächlich deswegen, weil ich in dieser Provinzstadt Rochester im Norden des Staates New York lebe, wo ich eine Musik-Szene habe, die mich unterstützt. Als ich nämlich in New York City lebte, musste ich schon einem Job nachgehen, um mich über Wasser halten zu können."

Weitere Infos:
www.mikaeladavis.com
facebook.com/mikaeladavismusic
twitter.com/MikaelaDavis
www.instagram.com/mikaeladavis
www.youtube.com/watch?v=FvXgeET47KI
www.youtube.com/watch?v=HsRnehchkZU
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Jacalyn Meyvis-
Mikaela Davis
Aktueller Tonträger:
Delivery
(Concord/Universal)
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