Ist es nicht schwierig, die Menge an Möglichkeiten, die sich bei der Arbeit mit Computern bieten, zu nutzen, sich an den Song heranzutasten. Oder ist es ganz einfach?
K: Ich glaube weil wir vorher schon eine Variante aller Songs hatten, war diese Gefahr nicht mehr gegeben. Es hat auch ganz bestimmt mit Reife oder Erfahrung zu tun. Daß man doch recht früh eine Vision bekommt und weiß: Dort will man hin. Wir haben dann verschiedene Instrumente ausprobiert. Alles war permanent bedienbar. So konnte wir sehr flexibel reagieren.
U: Oder beim Computer auch an der Nicht-Erfahrung. Ich hatte mich gerade von Atari auf Mac umgestellt. Du kannst ja auch bestimmte Möglichkeiten von vorneherein ausschließen. Das Wichtige ist aber, daß Du vorher eine Idee hast. Die ganz neue Technologie gibt dir einfach die Möglichkeit, individueller mit allem umzugehen.
Nun klingt die Platte aber trotz allem recht simpel - nicht einfach, aber überschaubar, unkompliziert. Wie fügt sich denn das Gitarrenspiel da ein?
K: Also ich bin ja eigentlich eine reine Rhythmus-Gitarristin. Ich begleite mich auf der Gitarre. Durch Jon habe ich noch einige Sachen hinzugefügt - Slide-Gitarre, Melodie etc. Ich spiele also mehr Gitarre als auf den letzten Platten. Ich bin sowieso nicht jemand, der überall da sein muß. Dieses Trio besteht eigentlich auch aus Weglassen.
U: Das wollte ich auch gerade sagen. Mir macht es einfach Spaß, einfach zu sein und Sachen wegzulassen anstatt möglichst viel zu machen und möglichst viele Harmonien zu bringen und so. Was mir bei der Platte besonders Spaß gemacht hat, war die ganzen Bässe zu spielen. Ich liebe diese von unten treibende Töne, die einen ganzen Song stützen können. Ich finde, daß diese Platte eine Sache ist, an der wir zu dritt gearbeitet haben, ohne daß ich mich subjektiv überall wiederfinden muß. Ich sehe jedes einzelne Stück als Gesamtheit. Deswegen ist diese Platte objektiver als die, die wir vorher gemacht haben. Objektiver im Sinne von: Ich löse mich gerne davon.
Ein weiser Rezensent (ich) hat das mal so formuliert: Kollektive Selbstverwirklichung. Aber richtig: Da war doch noch die Sache mit ohne Bassist:
T: Der Hauptgrund, weswegen wir keinen Bassisten dazugenommen haben ist, daß wir das Trio so gefunden haben und die Chemie einfach perfekt ist. Es würde etwas verlieren, wenn man noch jemand dazunimmt.
Mögt ihr es den Klang der Instrumente zu verändern?
U: Was uns gefällt ist, wenn die Dinge gut klingen. Generell mögen wir die puren Klänge, wenn sie gut klingt. Tim's Schlagzeug klingt einfach gut, weil er es so perfekt stimmen kann. Oder wie Katja ihre Gitarre spielt klingt einfach gut, obwohl die überhaupt nicht durch Effekte geschickt wurde.
K: Eigentlich ist die Gitarre höchstens mal gedoppelt. Genauso die Stimme. Meist ist jedoch gar nichts damit gemacht worden. Der Klang der Stimme kommt durch Effektlosigkeit, sie ist sehr nah. Ich war davon gleich total begeistert, weil ich so zum ersten Mal meine Stimme, mich erkannt habe. Ich hatte wirklich das Gefühl, das bin ich. Deswegen gibt es auch keine Chöre. Es hat damit zu tun, die persönliche Ansprache des Hörers nicht zu verlieren. Wenn zuviel gemacht wird, entfernt man sich vom Hörer, spricht ihn nicht mehr an.
Dieser Aufwand macht sich tatsächlich in der gewünschten Form bezahlt. Nie wird man durch Sterilität oder Konstrukt verprellt - auch bei den Dance-Einschüben nicht. War das eigentlich beabsichtigt, in diese Richtung zu gehen? Zeit wäre es ja mal, daß so etwas passiert.
U: Das haben wir uns auch gedacht. Es macht viel Spaß, das zu komponieren. Ich spüre eine solche Energie, erinnere mich daran, wie wir das gemacht haben, Break-Beats zu suchen, Bässe zu suchen.
Dabei gehen aber die typischen Rainbirds Charakteristika keineswegs verloren. Wie gesagt finden sich die melancholischen, zum atonalen tendierenden Weill-Momente nach wie vor statt. Ist es schwierig, sowas mit kontemporären Sounds zu kombinieren?
U: Das kommt einfach so aus uns raus. Das ist ganz komisch, aber das ist bestimmt unser europäischer Background. Das spricht uns total an. Amerikaner würden bestimmt ganz andere Melodien dazu komponieren. Das hat aber mit uns zu tun, ist nicht konstruiert. Das ist irgendwie da im Kopf.
Es gäbe noch viel zu sagen zum Thema Rainbirds. Aber digital ist besser: Mal reinhören, zur Tour gehen (Anfang '97) etc. Und dann gibt's da noch ein Projekt von Katharina solo: "Hunger" heißt eine Platte mit eigenen Gedichten und Texten zu größtenteils gesampelter Musik von Ulrike Haage. Katharina trägt hierauf kurzweilige Geschichten, Hörspiele und Klangcollagen in deutsch vor, die allemal unterhaltsamer sind, als die Hörspiele auf Eins Live. Dazu gibt's in englisch kleine "eßbare Gedichte" - das sind eher Wortspielereien, die auf einem Spiel beruhen. In Kombination mit Ulrike's durchaus nicht unpoppiger musikalischer Untermalung kommt zuweilen gar ein gewisses Trip-Hop-Feeling auf. Aber dennoch: Dies ist eine Sprechplatte - hat also nur wenig mit der Rainbirds-Musik zu tun. Wer sich aber trotzdem auf Katharina's einfühlsamen Umgang mit dem Wort als solches einlassen möchte, kann diese Platte im Buchhandel beziehen über den Verlag Sans Soleil, Bonn, ISBN: 3-88030-031-3.
[Erstveröffentlichung im Baby Talk-Fanzine #12, Dezember 1997]