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COWBOY JUNKIES
 
Offen für alles
Cowboy Junkies
Manche Gruppe wird über Nacht deine Lieblingsband. Vielleicht hörst du sie nur einmal, aber sie erwischt dich sofort, und am nächsten Morgen gehst du los und kaufst all ihre Platten, gehst zu den Konzerten, nervst deine Freunde mit Stories von der Band und erzählst jedem, der es nicht wissen will, wie großartig die Musik doch ist. Nicht selten schwinden solche Lieblingsbands genauso schnell, wie sie gekommen sind, wieder aus deinem Leben. Aber es gibt auch Bands, die du nie und nimmer in die Kategorie "Lieblingsband" aufnehmen würdest: Nicht einmal im Traum würde es dir einfallen, ein T-Shirt mit dem Namen der Gruppe zu tragen, du redest nicht mit deinen Bekannten über sie, du tapezierst deine Wand nicht mit ihren Postern, trotzdem lassen sie dich nicht wieder los. Auf die Cowboy Junkies aus Kanada passt ohne Frage letztere Beschreibung. Denn während die The Cure Platten heute nur noch aus sentimentalen Gründen herausgekramt werden und die U2-Poster schon lange, bevor Recycling modern wurde, auf den Müll gewandert sind, waren die Cowboy Junkies mit Platten wie ihrem frühen Meisterwerk "The Trinity Session" stets eine Alternative zu all den Bands, die nur für einen Sommer hip waren.
Mit jeder neuen LP ist die Band um die Geschwister Timmins gewachsen und hat stets neue Facetten eines wiederkehrenden Themas bearbeitet. Sie haben so manchen an den großen Townes Van Zandt herangeführt, die Tore für unzählige Slow-Core-Bands geöffnet und mit "Lay It Down" 1996 sogar Pop-Appeal en masse bewiesen. Nachdem sie von ihrem (Major-) Label 1998 in die Wüste geschickt worden waren, überbrückten sie die Zeit mit zwei "Archiv"-Veröffentlichungen auf ihrem eigenen Latent Recordings Label, auf dem schon Mitte der 80er die beiden ersten - später weltweit wiederveröffentlichten - Cowboy Junkies-Alben herausgekommen waren. "Open" ist der Titel (und Programm) ihrer ersten Platte mit neuem Material seit drei Jahren. Denn auch nach mehr als 15 Jahren in unveränderter (Basis-) Besetzung können uns die Kanadier noch überraschen. Die Pop-Elemente der vorherigen Platten sind einer gehörigen Portion Experimentierwillen gewichen, und "Open" ist streckenweise endlich die lange versprochene Rock-Platte geworden.

Also alles neu? Mitnichten, wie uns eine etwas müde, aber dennoch gut gelaunte Margo Timmins im Radisson Hotel zu Hamburg beim spätabendlichen Interview erklärte: "Vieles erinnert mich derzeit daran, wie es 1988 war. Natürlich sind wir älter geworden, aber ansonsten ist es nicht viel anders. Allerdings sind wir jetzt als Band eine stärkere Einheit."

Der Unterschied ist allerdings, dass "Open" - veröffentlicht auf Cooking Vinyl - das erste Nicht-Major-Album der CJ seit 13 Jahren ist. "Das ist schon ein Riesenunterschied. Wenn wir unsere Songs aufnehmen, kümmern wir uns zwar nie darum, ob oder bei welchem Label wir unter Vertrag sind. Wir hatten das Glück, bei den Aufnahmen immer in Ruhe gelassen worden zu sein. Die Kopfschmerzen fangen erst in dem Moment an, in dem du dem Label die fertigen Bänder gibst. Dieses Mal gab es diese Schwierigkeiten nicht, und das ist sehr schön. Wir sind als Band viel glücklicher, weil wir nicht mit diesen Frustrationen zu kämpfen hatten. Deshalb war es uns auch wichtig, dass wir die Rechte an unserer neuen Platte behalten. Egal was passiert, sie gehört immer noch uns. All die anderen Platten gehören rechtlich gesehen nicht uns, und wir können sie auch nicht zurückkaufen. Wir haben sie aus der Hand, gegeben und nun gehören sie Leuten, die's nicht interessiert. Mich interessiert's", ärgert sich Margo und fügt lachend an: "Ich will sie wiederhaben!!!"

Die negativen Erfahrungen hätten den Blick der Band für's Wesentliche geschult, meint Margos Bruder Michael. "Ideal wäre natürlich, wenn du dich überhaupt nicht um die geschäftliche Seite kümmern müsstest. Aber die Gesetze des Marktes zu Beginn des neuen Jahrhunderts schreiben vor, dass du dich damit auseinandersetzen musst, sonst gehst du unter. Eine Zeitlang haben wir das aus den Augen verloren, weil wir uns so sehr darauf konzentrieren mussten, unsere Musik auf die Reihe zu kriegen, aber jetzt, wo wir als Band besser funktionieren, die Tourneen einfacher geworden sind, haben wir mehr Zeit, um uns um geschäftliche Belange zu kümmern."

Das ist auch der Grund dafür, warum die Cowboy Junkies nicht den einfachen Weg eingeschlagen haben und sich nach dem Ende ihrer zehnjährigen Majorzeit einfach aufgelöst haben. "Ich habe mich das oft gefragt: Wie lösen sich Bands auf?", erzählt Michael. "Neben den bekannten Gründen lösen sich garantiert auch eine Menge Bands auf, weil sie die geschäftlichen Dinge nicht im Griff haben. Du wirst fallengelassen und dann? Was machen wir jetzt? Wie macht man alleine eine Platte? Wie organisiert man auf eigene Faust eine Tournee? Viele Bands sind ihrem Label oder ihrem Manager ausgeliefert, und wenn einer oder beide aus dem Rennen sind, steht die Band vor dem Nichts, weil sie keine Ahnung hat, wie man die Dinge selbst in die Hand nimmt." Die Cowboy Junkies dagegen hatten diese Erfahrungen in ihrer frühen Phase bereits ausgiebig gemacht. Außerdem war es für die Kanadier auch überhaupt kein Problem, von den überdrehten Erwartungen der Majors zu einer bodenständigen Erwartungshaltung zurückzukehren. Michael: "Sieh dir nur mal den Unterschied zwischen einem Geschäftsführer bei einem Major und bei einem kleineren Label an. Der Major-Mann ist stinkreich, und selbst wenn er morgen gefeuert wird, geht er noch mit einem fetten Scheck in der Hand nach Hause. Der Indie-Typ dagegen arbeitet genauso wie wir, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wenn er sich keine Mühe mit unserer Platte gibt, geht die Firma vielleicht den Bach runter und er sitzt auf der Straße. Uns fällt es wesentlich leichter, mit so jemandem zu kommunizieren, weil er an dem Erfolg der Platten genauso interessiert ist wie wir. Für einen Major ist selbst eine Band wie wir, die 500.000 Alben verkauft, immer noch Peanuts."

Anscheinend hat der Labelwechsel aber nicht nur das Geschäftliche, sondern auch die Musik maßgeblich beeinflusst. "Diese Platte wurde fast komplett live eingespielt, in der sechs- oder siebenköpfigen Besetzung, in der wir auch die Konzerte spielen", verrät Michael. "Wir haben einfach drauflosgespielt, es gab kaum Overdubs, und selbst der Gesang ist größtenteils live. Deshalb ist das Album sehr dynamisch, das kommt aus der Band selbst heraus und das bestimmt auch die Atmosphäre der Platte. Die Herangehensweise war fast identisch bei unseren ersten Platten. Wir waren einfach lange auf Tour, und als wir 'Whites Off Earth Now' und 'The Trinity Session' gemacht haben, wussten wir auch bereits genau, wie die Songs klingen sollten, weil wir sie schon so oft gespielt hatten und sie sehr gut beherrschten."

Cowboy Junkies
Stellt sich abschließend noch die Frage, ob die Band - die übrigens eine hervorragende und mit vielen persönlichen Anekdoten gespickte Website im Netz hat - denn nach 15 Jahren einen Überblick hat, welche ihrer Platten die Fans auf die Cowboy Junkies aufmerksam werden ließen? "Es gibt immer noch viele, die seit 'The Trinity Session' dabei sind", weiß Michael. "Aber wir sind immer etwas geschockt, wenn wir feststellen, dass gerade durch 'Pale Sun Crescent Moon' viele Leute erstmals von uns gehört haben. Das ist vor allem deshalb interessant, weil sich die Platte vergleichsweise schlecht verkauft hat. Naja, nicht wirklich schlecht, aber doch bei weitem nicht so gut wie 'Trinity Session' oder sogar 'Black Eyed Man'. 'Lay It Down', eine meiner persönlichen Lieblingsplatten, die sich wirklich gut verkauft hat, wird sehr selten von den Fans genannt." Margo fügt lachend an: "Inzwischen treffen wir auch eine Menge Leute, die jetzt zur Uni gehen und uns erzählen: 'Also, wir haben eure Platten schon als Kinder gehört, unsere ELTERN haben sie die ganze Zeit gespielt'. Hmmmm, ach wirklich?" Aha, also eher ein gutes Zeichen für das Durchhaltevermögen der Band oder doch ein dezenter Hinweis auf das Alter der Mitglieder? "Beides", grinst Michael. "Irgendwie gehört es letztendlich alles zur Psychotherapie!"
Weitere Infos:
www.cowboyjunkies.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Cowboy Junkies
Aktueller Tonträger:
Open
(Cooking Vinyl/Indigo)
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