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Interview-Archiv

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MOBY
 
Der Knochen im Big Mac
Moby
Der Mann setzt sich mal eben hin und schreibt einen Millionen-Seller. Moby kann das. Seit seinem Album "Play" wird alles, was er anfaßt, zu Gold, da geht nichts schief. Er müßte platzen vor Selbstvertrauen. Und wer sitzt da zum Interviewtermin vor einem? Ein kleiner Wicht, die Höflichkeit in Person und so bescheiden, daß man ihm fast Ratschläge zum Aufbau eines Egos erteilen möchte. Wenn da nicht dieses Gefühl wäre. Jenes Gefühl, daß er ganz genau weiß, was er tut, daß alles Kalkulation ist. Und daß er sein Gegenüber genau dann im Griff hat, wenn er sagt: "Ich bin ein dermaßen einfach gestrickter Idiot."
Der Idiot hat gerade "18" produziert, ein randvolles Album, das schon vorab für gehörigen Presserummel sorgte und dessen erste Auskopplung "We Are All Made Of Stars" bei MTVIVA rauf- und runtergespielt wird. Ein Album, daß - von wenigen sehr flotten Tanznummern abgesehen - die Wärme einer Daunendecke verströmt. "18" setzt fort, was mit "Play" begonnen hat: Weggeputzt sind die aggressiven Nummern, die noch "Animal Rights" ausmachten, keine Spur mehr von den plakativen Feststellungen auf "Everything Is Wrong". Wird Moby mit den Jahren sanft? "Möglich. Früher war ich viel angriffslustiger. Ich wollte Musik machen, die den Leuten ins Gesicht springt. Schnelle Dance-Musik, aggressiven Punk-Rock, ich wollte die Leute herausfordern. Jetzt denke ich, daß die meisten Leute genügend Konfrontationen erleben. Dazu muß ich nicht noch beitragen. Jetzt mache ich lieber Alben, die Menschen im Auto hören können, wenn sie nach einem harten Tag nach Hause fahren".
Alben mit Gebrauchswert also. Solche Sätze hört man nicht oft von Musikern, und die meisten hören es gar nicht gerne, wenn man sagt, ihre Musik würde sich gut beim Abwaschen machen. Moby stört das überhaupt nicht. "Richtig, ich will Musik machen, die einen Nutzwert hat. Der man bei einer Dinner-Party lauschen kann, oder über Kopfhörer vor dem Zubettgehen oder Sonntag morgens. Einen emotionalen Soundtrack". Das paßt, schließlich hat er auch schon einmal eine Nummer aufgenommen, der "The Ultimate Fuck Song" heißt. Gebrauchsanweisung gleich im Titel. Es freut ihn sogar, wenn man erzählt, daß man auf der Zugfahrt zum Interview eingeschlafen ist - zu den Klängen von "18". "Siehst du, das wäre dir mit 'Animal Rights' nicht passiert!" Aufgabe erfüllt, Hörer schlafen gelegt. Freilich ist "18" kein Album, das man nur schlafend erträgt, ganz im Gegenteil, doch es hat eine einlullende und beruhigende Wirkung. Attacken auf den Gehörgang bleiben aus. Was auch weitgehend fehlt, sind die Essays im Booklet, mit denen Moby auf früheren Alben die Welt erklären wollte. Gerade mal zwei Texte enthält "18". "Als ich jünger war, war die Welt für mich schwarz und weiß. Ich war ein Punk-Rocker mit einer Mission. Ich hatte Recht und alle anderen nicht, und ich mußte alle davon überzeugen. Mit der Zeit bin ich toleranter und offener geworden. Die Welt stellt sich für mich jetzt wesentlich komplizierter dar, und es behagt mir nicht, die Menschen von irgendetwas zu überzeugen. Ich fühle mich wohler, wenn ich tolerant, respektvoll und offen bin. Was immer du glaubst, geht nur dich etwas an. Wenn du ein moslemischer Kommunist bist, oder ein christlicher Kapitalist, oder ein Heavy-Metal-Fan, der Ballett und den Verzehr von Würstchen liebt - das geht in Ordnung. Probleme gibt es immer nur dann, wenn man versucht, seine eigenen Überzeugungen anderen aufzudrängen."

Der Einwurf, das klinge etwas nach Resignation, stößt auf wenig Akzeptanz. "Die Welt ist so kompliziert, daß es unmöglich ist, eine wirklich starre Meinung über irgendetwas zu haben. Früher war mein Problem, daß ich geglaubt habe, alles zu verstehen. Das war extrem. Wenn ich, als ich 20 war, dich gesehen hätte, wie du einen Hamburger ißt, hätte ich dich für einen schlechten Menschen gehalten. Jetzt bin ich 36 und erlaube mir da kein starres Urteil mehr. Ich werde den Hamburger nicht essen, wünsche mir, niemand würde das tun, aber gleichzeitig weiß ich: Das Leben ist eben kompliziert". Na, bitte. Resignation. So leicht kommt er nicht davon. Doch Moby hat ein Beispiel aus einem, sagen wir einmal, imaginären Leben parat: "Wolfgang sitzt da und ißt einen Big Mac, und er hat ein kleines Stück Knochen darin, an dem er sich verschluckt. Nun ist Wolfgang so beleidigt, daß er losgeht und hier in Deutschland eine Kampagne für den Boykott von McDonald's anzettelt. Und das ist der Anfang vom Ende für den Fleischkonsum in der ganzen Welt. Das wäre nicht passiert, wenn Wolfgang diesen Hamburger nicht gegessen hätte. Man weiß also nie, was die Folgen von irgendetwas sind. Deswegen bin ich etwas bescheidener geworden, was Urteile angeht". Diese Argumentationskette ist etwas abenteuerlich, aber im Kern nicht von der Hand zu weisen. Und eigentlich gilt es hier ja nicht die Weltlage, sondern ein Album zu besprechen.

"Lustigerweise bekomme ich die unterschiedlichsten Reaktionen auf '18'. Manche Leute haben mir gesagt, 'Play' und '18' seien sich sehr ähnlich, andere finden das überhaupt nicht. Es ist interessant, wie unterschiedlich da die Eindrücke sind". Die Wahrheit liegt, wie so trivial oft, irgendwo dazwischen. Manche Songs wie "One Of These Mornings" hätten sich nahtlos in "Play" eingefügt, andere gar nicht. Man könnte meinen, er würde versuchen, einen typischen Moby-Sound zu vermeiden. "Nein, nicht wirklich. In meiner Zeit als Profi-Musiker habe ich die unterschiedlichsten Arten von Musik gemacht, das muß mich wie einen abgedrehten Künstler aussehen lassen, aber gleichzeitig bin ich ein dermaßen einfach gestrickter Typ. Ich versuche nicht, innovativ oder Avant-Garde zu sein, ich will nicht den Horizont der Musik erweitern, sondern nur Musik machen, die ich liebe. Vielleicht bin ich manchmal zu offen, denn ich mag sehr viele Arten von Musik und liebe es, mit ihnen zu spielen".

Moby
Wie zum Beispiel Country. Er hat sich schon auf eine Bühne gestellt und Johnny Cashs "Ring Of Fire" gespielt, um es dann mit den Worten "I used to have a career as a dance artist" zu kommentieren. Müssen wir damit rechnen, in dem Stil-Kuddelmuddel, den Moby so beherrscht, irgendwann auch Country-Töne zu finden? "Nein, um Gottes Willen! Wenn ich eine Country-Platte machen würde, wäre die ganz schrecklich. Ich mag Johnny Cash, Willie Nelson, Merle Haggard, aber wenn ich das machen würde, wäre es ein Desaster. Ich habe im letzten Jahr einige Songs geschrieben. Punk-Rock, Country, Disco. Sie sind nur nicht auf dem Album, und das aus gutem Grund, denn sie sind furchtbar. Experimentieren sollte man lieber im Privaten. Warum sollen die Leute meine Fehler hören?" Warum? Weil besonders devote Fans das vielleicht hören wollen, darum. Doch die müssen sich wohl als Bootleg- und Outtake-Jäger betätigen, freiwillig wird Moby diese Aufnahmen nicht herausgeben. "So ein Idiot", hört man Hardcore-Fans sagen. Aber das sagt Moby ja selbst.
Weitere Infos:
www.moby.com
www.moby18.de
Interview: -Christian Zeiser-
Fotos: -Pressefreigaben-
Moby
Aktueller Tonträger:
18
(Mute/Labels/Virgin)
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