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Interview-Archiv

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MARY TIMONY
 
Die goldenen Tauben fliegen tief
Mary Timony
Fast hätten wir diese Story verschieben müssen. Die ehemalige Helium-Vorsitzende und jetzt Solo-Künstlerin Mary Timony konnte leider nicht vorab über den großen Teich kommen und so haben wir dieses Interview per eMail geführt. Normalerweise eine feine Sache, weil sich so gewissen Formulierungen einfach eindrucksvoller einfangen lassen, weil das Gegenüber ja nicht unter Zeitdruck steht. Was wir aber vergessen hatten: Mary schreibt nicht gerne. Nicht weil sie nicht gerne schreibt, sondern weil sie nicht schreiben kann, wie sie schreiben möchte. Erklärung: Auf der vorletzten Scheibe waren auf dem Label seltsame Geschichten von Wesen namens "The Wogs" aufgekritzelt. Darauf angesprochen meinte Mary, daß dies Geschichten seien, die sie sich als Kind mal ausgedacht habe. Und daß man als Kind ja so schreiben könne, wie man möchte, und nicht, wie man müsse. Sie sei ziemlich schlecht im Buchstabieren und würde gerne lieber so schreiben, wie sie es für richtig hielte.
Wie dem auch sei: Auf dem neuen Album geht es in dem Stil weiter. Dort findet sich ein Song namens "Musik And Charming Melodee" - genauso geschrieben. "Ja - das ist so, als würde ich mir meine eigene Welt kreieren", führt Mary das aus, "'Charming Melodee' ist allerdings ein Charakter, der in der reinen, freudvollen Welt der Tiere und Melodien existiert." Tiere und Melodien - damit hat es Mary seit einiger Zeit. Dieses Mal, so scheint es, driftet sie vollkommen in die Welt der Fabeln, Fabelwesen und Metaphern ab - so wie die "Goldene Taube" aus dem Titel (und aus dem Song "Blood Tree"). "Das ist in der Tat schon eine Metapher", gibt Mary zu, "der Song erklärt das aber besser, als ich das könnte. Es geht um eine Person, die man verloren hat, und für die man nostalgische Gefühle hegt. Ich mag Bilder, die scheinen, als kämen sie aus der Vergangenheit. Uralte, mythische Bilder, die dann zeitgenössischen Bildern gegenübergestellt werden. Es geht um Bücher, Volkslieder, Hymnen..." Musikalisch schlägt sich das auch in ihrer Musik nieder. Auf der neuen Scheibe macht Mary gar nicht mal mehr den Versuch, in traditionellen Rockstrukturen zu denken. Die mittelalterlich anmutenden Harmonien kollidieren dann etwa mit Texten über das urbane Leben in L.A., wo Mary etwa darüber erzählt, daß ein betrunkener Nachbar ihre Party aufmischt ("Eine absolut wahre Geschichte!"). Diese Kombination verleiht ihrer Musik schon das gewisse Etwas. "Ich mag halt diese Art von Harmonien", meint Mary hierzu, "Ich denke, daß in der Rockmusik heutzutage einfach zu viele langweilige Akordwechsel verwendet werden und ich gebe mir Mühe, mit etwas aufzuwarten, das ein wenig anders ist und frischer klingt. Zum Beispiel eben in Bezug auf die Akordwechsel, die dann auf eine andere Ära verweisen." Und woher kommen die Inspirationen zu dieser Musik? Was hört Mary selber? "Die Haupt-Inspirationen zu dieser Scheibe kommen von Alice Coltrane, Ash Bowie und Brian Eno." (Alice ist John Coltranes Ehefrau, die bis '78 selber Jazz-Scheiben aufnahm und danach in spirituellem Halbnebel verschwand, und Ash ist der Helium- und Polvo-Baß-Spieler - der letzte Track auf "Dove" ist somit eine direkte Hommage). "Was ich privat höre, wechselt oft, aber zur Zeit habe ich auf meinem Plattenteller eine Scheibe von einer koreanischen Band namens 'Sn Ul Lim'. Es ist eine psychedelische Band aus den späten 60ern." Ist die Betonung von Keyboard-Sounds ein Teil des neuen Konzeptes? Mary meinte mal, daß sie ja eigentlich viel besser Gitarre spielen können müßte, als sie es tatsächlich könne. Und auf der neuen Scheibe ist z.B. öfters ein Wurlitzer Piano zu hören. "Ehrlich gesagt, macht mir das Gitarre-spielen in letzter Zeit mehr Spaß, weil ich mir eine 12-saitige und einen neuen Verstärker gekauft habe. Aber im allgemeinen spiele ich lieber Piano, weil ich es nicht gelernt habe und es somit interessanter für mich ist. Es ist auch einfacher, das Notenschema zu erkennen... Synthesizer verwende ich nur, weil ich die Art mag, wie sie klingen."
Mary Timony
Inhaltlich finden sich in den Texten der neuen CD mehr oder minder deutliche Referenzen auf tatsächliche Gegebenheiten (wie z.B. die Geschichte von dem Party-Crasher). Das kommt dann natürlich recht kurzweilig, wenn Mary zu mittelalterlichem Mönchsgedudel singt, man möge doch das Telefon bei lebendigem Leibe verbrennen. "Das war halt so: Ich lebte alleine und wurde immer frustrierter über den Umstand, daß es mir offensichtlich nur möglich war, mittels des Telefons Verbindungen zu anderen Leuten einzugehen." Ein gewisser Pragmatismus, gepaart mit dem Drang, durch mittelalterliche Harmoniegefüge Neues in der Rockmusik zu kreieren - das scheint es also zu sein, was Mary momentan antreibt. Obwohl, so richtig durchanalysieren darf man das natürlich auch nicht. Auf die Frage etwa, was denn Marys bevorzugte Tugend beim Musizieren sei, antwortet sie eher verstört: "Ich weiß nicht, was du meinst. Ich denke nicht, daß die Rockmusik sehr tugendhaft ist." Nun gut - das lassen wir mal so stehen. Abschließend bleibt noch die Frage, an wen Mary ihre Songs denn richtet - denn öfters scheint sie sich in ihren Songs an bestimmte Personen zu wenden. "Ich spreche zu praktisch jedem, der es hören will."
Weitere Infos:
www.ladyofthefire.com/index2.html
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Mary Timony
Aktueller Tonträger:
The Golden Dove
(Matador/Zomba)

 
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