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BERT JANSCH
 
"Ich bin schon ein komischer Kauz"
Bert Jansch
Der Begriff der Legende ist überstrapaziert, doch für Bert Jansch gibt es kaum eine treffendere Bezeichnung. Seit fast 40 Jahren ist der Schotte eine der einflussreichsten Figuren in der britischen Folk-Szene und hat als Gitarrist Virtuosität und Eklektizismus wie kein zweiter bewiesen - als Gitarrist der berühmten Pentangle genauso wie als Solokünstler. Neil Young sagte einmal über ihn, dass er für die Akustikgitarre das sei, was Hendrix für die elektrische gewesen sei - kann es ein größeres Lob geben? Das dieser Tage erscheinende neueste Jansch-Album heißt "Edge Of A Dream", und es ist sein bestes seit Jahren. Denn hier brilliert der kauzige Folkie nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Songwriter, und sogar sein stets etwas schroffer Gesangsstil fällt positiv ins Gewicht. Das sieht Jansch selbst auch so, wie er Gaesteliste.de unlängst gestand: "Diese Platte ist hundertmal besser als die letzte, 'Crimson Moon', und das zeigt sich jetzt auch darin, dass die Plattenfirma viel mehr hinter dem Album steht. Sie standen zwar auch zum vorherigen, aber erst jetzt wissen sie wirklich, was zu tun ist. Was die Dinge hinter den Kulissen angeht, hilft mir meine Frau Loren auch sehr, die Dinge am Laufen zu halten."
Apropos Familie: Während die eine Hälfte der Platte im Kreise seiner Familie eingespielt wurde - Gattin Loren (die unter ihrem Mädchennamen Auerbach auch Soloplatten veröffentlicht hat) singt auf dem Album das durch Mimi & Richard Farina bekannt gewordene "The Quiet Joys Of Brotherhood", Sohn Adam, von Bert liebevoll "My boy" genannt, spielt auf zahlreichen Stücken Bass. Für den Rest des Albums kollaborierte Jansch mit Größen wie Bernard Butler, Hope Sandoval, Dave Swarbrick oder Ralph McTell. "Ein großartiger Plan verbirgt sich nicht dahinter", verriet uns Jansch. "Eigentlich bin ich sogar mit dem Vorsatz an das Album herangegangen, es ganz alleine, als echte Soloplatte, aufzunehmen, aber dann hatte ich stets das Gefühl, dass es doch schön wäre, wenn hier und da noch weitere Instrumente hinzukämen. Die Platte entwickelte sich einfach, und das gefiel mir."

Auf der Platte finden sich sowohl Vokal-Stücke als auch Instrumentals und das, obwohl Jansch eigentlich gar keine Stücke ohne Text mehr schreiben wollte. "Alle Stücke sind zunächst als echte Songs konzipiert, denn ich sehe mich selbst in erster Linie als Songwriter, der interessante Gitarrenparts spielt. Trotzdem ist es so, dass ich die Musik und die Gitarrenfiguren oft schon jahrelang im Kopf habe, die Texte kommen erst dazu, wenn ich die Stücke aufnehme - oder, wenn es nicht 'klick' macht, eben nicht!" Stellt sich die Frage, ob es Jansch manchmal wurmt, dass ihn Heerscharen von Fans und Journalisten dennoch zuerst als Saiten-Virtuosen und erst dann als Songschreiber schätzen? "Nun ja", lachte Jansch, "es ist schon nicht schlecht, als Gitarrist bekannt zu sein, vor allem, weil ich schon ein komischer Kauz bin. Ich halte mich nicht an die üblichen Akkord-Sequenzen. Deshalb spiele ich gerne mit anderen Musikern zusammen, denn nur so werde ich Teil der 'normalen' Musikwelt. Wenn ich für mich alleine spiele, macht es ja nichts, wenn eine Strophe drei Takte hat und die nächste fünf!"

Der auffälligste Song der Platte ist ohne Frage "All This Remains", aufgenommen mit Hope Sandoval und ihrem Partner Colm O'Ciosoig. Während der Rest der Platte auch klanglich als Einheit wirkt, fällt dieses Stück völlig aus dem Rahmen. "Der Song war als Experiment angelegt. Ich wollte einfach herausfinden, was passiert, wenn ich Hope einfach einen Gitarrenpart schicke. Meine Aufnahme hatte auch Gesang, aber sie konnte das Stück nicht so singen, wie ich mir das gedacht hatte, also hat sie bei sich zu Hause in San Francisco einfach ihre eigene Gesangsspur aufgenommen und mir diese Version zurückgeschickt, die einfach phantastisch war! Kennen gelernt habe ich Hope, als sie mein Management gefragt hatte, ob ich als Support für sie in der Garage in London spielen wollte. Das war ein völlig verrücktes Konzert, völlig überfüllt. Es waren nur junge Leute da, und alle standen. Da ich mich ja auf der Bühne beim Spielen hinsetze, konnte mich überhaupt niemand sehen. Das war absolut unglaublich. Danach ist dann Hope zu einem meiner Konzerte gekommen und hat gefragt, ob ich auf ihrem Album spielen wollte, was ich letztes Jahr dann ja auch getan habe."

Der zweite interessante Name auf "Edge Of A Dream" ist der des früheren Suede-Gitarristen Bernard Butler, seit vielen Jahren als Jansch-Fan bekannt. Kann es nicht manchmal zu Problemen kommen, gerade wenn ziemlich junge Musiker wie Bernard plötzlich ihrem Idol gegenüberstehen? "Mit Bernard war es eigentlich ganz einfach", erwiderte uns Jansch." Ich habe ihn bei der Arbeit an einer Dokumentation für Channel 4 kennen gelernt, bei der mich der Produzent der Sendung, Matt Quinn, einer ganzen Reihe junger Musiker vorgestellt hat, von denen einige zuvor nie von mir gehört hatten und einige echte Fans waren. Einer von ihnen war Bernard, der dann kurz darauf ungefragt an meine Tür geklopft hat und seine Gitarre gleich dabei hatte! Daraus hat sich eine kontinuierliche Zusammenarbeit entwickelt, und das ist großartig!"

Bert Jansch
So gelungen die Kollaborationen mit Sandoval und Butler auch sind, das ohne Zweifel beste Stück des Albums ist "Bright Sunny Morning", das mit einfachen Worten Janschs Sicht des 11. September 2001 nacherzählt, ein Song, der trotz einer kleinen politischen Wertung am Ende eher Augenzeugenbericht-Charakter denn Politsong-Format hat. Passend dazu hört man nur Janschs Gitarre und eine effektvolle Mundharmonika, gespielt von Ralph McTell. Da unser Gespräch mit Jansch zufälligerweise am Jahrestag der World-Trade-Center-Katastrophe stattfand, wollten wir natürlich wissen, wie es zu diesem Stück kam, das "Edge Of A Dream" beschließt. "Das Interessante ist, dass ja alle, gleich nachdem es passierte, vor dem Fernseher die gleichen Bilder gesehen haben, trotzdem haben alle sie unterschiedlich wahrgenommen. Das Erste, was mir auffiel, war, dass es ein sehr sonniger Morgen war. Die ersten Reaktionen von Leuten, die das Unglück mit Camcordern filmten, war ja auch nicht unbedingt Entsetzen, sondern zuerst einmal Interesse, als wäre es nur ein Stunt eines Filmdrehs. Als ich den Song schrieb, versuchte ich, mich in Woody Guthrie zu versetzen. Wie hätte Woody diesen Song geschrieben, wenn er dabei gewesen wäre? Er hätte auch niemanden angeklagt, er hätte - wie ich jetzt - einfach die Ereignisse geschildert." Und alleine damit hat Bert Jansch bereits bewiesen, dass er seinen legendären Status zu Recht besitzt!
Weitere Infos:
www.bertjansch.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Bert Jansch
Aktueller Tonträger:
Edge Of A Dream
(Sanctuary/Zomba)

 
 

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