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Interview-Archiv

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J MASCIS & THE FOG
 
Die Freiheit, die ich meine
J Mascis & The Fog
J Mascis gilt nicht gerade als bequemer Gesprächspartner. So mancher mag sich noch an das "Interview" für die MTV-Kultshow "120 Mins." Mitte der 90er erinnern, als J - damals bekanntlich noch Frontman von Dinosaur Jr - den zum Moderator mutierten früheren Wonder-Stuff-Sänger Miles Hunt fast zur Verzweiflung brachte, weil er in einem rund zehnminütigen Gespräch aus J außer "ja" und "nein" eigentlich keine Antworten herausbringen konnte. Als J nun unlängst in Köln zu Gast war, um der hiesigen Journaille sein äußerst gelungenes zweites Post-Dino-Album "Free So Free" zu erklären, hätte er Gaesteliste.de eigentlich um 11.00 Uhr morgens gegenübersitzen sollen. Gegen 11.15 Uhr schlug er dann endlich in der Lobby des Cristall Hotels auf - und war ganz offensichtlich gut dreieinhalb Minuten zuvor aufgewacht. Jedenfalls war seine - seit Menschengedenken unveränderte - Frisur noch undefinierbarer als sonst, und sein Gesicht verbarg eine überdimensionale Sonnenbrille, wie sie seit den frühen Siebzigern verboten sind. An so weltlichen Dingen wie Interviews schien J wenig interessiert, trotzdem summte er die ganze Zeit - vermutlich neue - Songs vor sich hin und spielte selbst beim Kaffeeeinschenken Luftschlagzeug! Auch wenn er oft nicht so aussieht - J ist immer bei der Arbeit!
J Mascis & The Fog
"Free So Free" ist zwar bereits das zweite Soloalbum des etwas eigensinnigen, inzwischen 36 Jahre alten Amerikaners, trotzdem ist es in mancher Hinsicht der Neuanfang, den einige schon beim Vorgänger "More Light" erwartet hatten. Denn auch wenn J das selbst etwas anders sieht, präsentiert sich auf "Free So Free" mit dem Akustik-Kleinod "If That's How It's Gotta Be" und der an My Bloody Valentine erinnernden Ballade "Someone Said" ein musikalisch etwas zurückhaltenderer Mascis. Mancher mag vielleicht denken, dass die Balance von Song und Sound sich inzwischen für J verändert habe, aber das verneint er vehement. Auch wenn das manchmal vielleicht anders geklungen haben mag, die Songs an sich seien ihm immer schon wichtiger gewesen, sagt J. Auf dem neuen Album finden sich natürlich auch typische Songs wie die tolle aktuelle Single "Everybody Lets Me Down" und interessante Ausreißer wie die offensichtlich Glamrock-inspirierte Bubblegum-Rock-Nummer "Bobbin'". "Das ist einfach so passiert", wehrt J die Frage nach letzterem Stück ab und fügt lachend an: "Es war jedenfalls nicht so, dass ich eine große T.Rex-Phase gehabt hätte oder so." Der Begriff "free(dom)" taucht auf dem neuen Album nicht nur im Titel, sondern auch in einer Vielzahl von Songtexten auf - vielleicht, weil er sie bei der Ausübung seines neuesten Hobbies (Fallschirmspringen) geschrieben hat? Von einem neuen Songwriting-Approach oder gar einem Konzeptalbum zu sprechen wäre allerdings dennoch falsch. "Ich kann außer den textlichen Bezügen eigentlich keine wirkliche Verbindung zwischen den Stücken erkennen", meint J in seiner urtypischen, knarzigen Stimme, die immer ein bisschen so klingt, als würde er beim Sprechen den Mund gar nicht aufmachen. "Das Einzige, was ich dieses Mal anders gemacht habe, ist, dass ich meine Texte nicht so zusammengekürzt habe, wie ich das früher häufig gemacht habe. Früher hätte ich wohl ein paar 'freedoms' aus den Texten gestrichen, dieses Mal habe ich sie schlicht und ergreifend drin gelassen." Dennoch hat sich in den letzten gut 15 Jahren einiges verändert in J's Songwriting. "Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Songs auf dem ersten Dino-Album viel mehr Parts hatten. Damals fühlte ich mich wohl noch nicht so sicher beim Songschreiben, deshalb hab ich mich nie nur an eine Ideegehalten, sondern immer ganz viele verschiedene Parts in einem Song untergebracht. Das ist wohl der größte Unterschied zu heute."

Trotzdem, das Gefühl von Freiheit schwingt nicht nur in vielen Texten mit, auch die anstehende Tour, die den Mann aus Massachusetts für eine Handvoll Konzerte Anfang November auch wieder nach Deutschland führen wird, soll nach dem derzeitigen Stand der Dinge erstmals eine reine Solo-Tournee werden. Allerdings nicht nur, weil Ein-Mann-Konzerte mehr Freiheit bedeuten, wie uns J erklärt: "Natürlich ist es einfacher, alleine zu touren, aber vor allem ist es billiger. Um ganz ehrlich zu sein, auf der letzten [Band-] Tour habe ich nicht nur keinen Gewinn gemacht, ich habe Geld verloren. Das war ein ganz schöner Schlag für mich, weil ich nie gedacht hätte, dass das passieren würde. Ich hab noch nicht mal einen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendet, weil mir das in der Vergangenheit noch nie passiert ist. Die Solo-Tour ist also auch eine Reaktion darauf. In Europa werde ich wohl alleine spielen, wie das in den Staaten aussieht, ist noch nicht ganz klar." Für die Tournee wird J natürlich auch alte Songs im Gepäck haben, allerdings sind Platte und Konzerte in erster Linie zu seinem eigenen Amüsement da, wie J freimütig zugibt. Er verriet allerdings auch, dass er ab und zu auch auf sein Publikum hört. "Ich bin in der Vergangenheit des Öfteren beschuldigt worden, zu wenig 'Hits' zu spielen. Es kommt immer auf die Situation an. Wenn es Wünsche aus dem Publikum gibt, spiele ich die häufig auch. Ich würde allerdings nie 'Feel The Pain' oder 'Start Choppin' bringen." Heißt das, dass J bei seinen Soloshows das Gefühl hat, dass soundtechnisch etwas fehlt? "Nein, aber es ist natürlich anstrengender, alleine zu spielen. Es ist schon eine große Herausforderung für mich, aber viele Leute mögen es, weil es nicht so laut ist und man die Texte versteht und so weiter. Und die Reiserei ist so viel unkomplizierter, dass es einfach Sinn macht. Du kannst auch nebenbei viel mehr machen, weil du nicht jeden Tag eine Show spielen musst, nur, um die Kosten zu decken."

J Mascis & The Fog
Dass sich eine Legende wie J inzwischen Gedanken machen muss, wie er auf Tour gehen kann, ohne nachher draufzuzahlen, stimmt natürlich bedenklich, vor allem, wenn man bedenkt, dass sein Status als Indierock-Gott weiterhin unerschütterlich ist. Inzwischen werden ja bekanntlich ganze Songs über J geschrieben oder ihm wird auf andere Art und Weise songtechnisch Tribut gezollt. Mary Lou Lord zum Beispiel schrieb einen "J Mascis Song" (später umbenannt in "Western Union Desperate") und lieh sich aus dem Dino-Klassiker "Freakscene" für das Stück die Schlusszeile "and when I need a friend it's still you". "Wenn ich so etwas höre, wird mir immer ganz anders, es ist in erster Linie seltsam. Zu Mary Lou Lord fällt mir ein: Sie hat ja mit Bevis Frond zusammengearbeitet, das finde ich sehr interessant, denn er ist jemand, den ich gerade dieses Jahr für mich entdeckt habe. Meine Lieblingsalben sind 'North Circular' und 'Inner Marshland'. Letztere Platte fand ich ziemlich inspirierend." Bevis Frond ist ein gutes Stichwort, schließlich hat deren Mastermind Nick Saloman ähnlich wie J eine Vorliebe für echte Solo-Werke, auf denen er oft alle Instrumente alleine spielt. Hat J eigentlich manchmal das Bedürfnis, andere Leute um Rat zu fragen, wenn er ganz alleine an einem Album werkelt? "Manchmal frage ich schon einige Leute von außerhalb nach ihrer Meinung. Auf dieser Platte sind ja bei einigen [wenigen] Stücken die Jungs von der Band Cobra Verde mit dabei und sie haben nicht nur auf einigen Songs gespielt, sondern auch zu anderen etwas gesagt. Es ist natürlich eigentlich nie vorhersehbar, ob andere Leute die neuen Songs mögen werden oder nicht. Für die neue Platte war zum Beispiel ein Stück vorgesehen, das meine Freundin nicht mochte. Also habe ich es weggelassen."

Herausgekommen ist dabei eine sehr kompakte Platte, die an J's glorreiche Vergangenheit anknüpft, aber auch für die Zukunft eine Menge Perspektiven eröffnet. Genau die Platte also, die man von einem Könner wie Mascis erwarten darf!

Weitere Infos:
www.freakscene.net
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Ebet Roberts-
J Mascis & The Fog
Aktueller Tonträger:
Free So Free
(CitySlang/Labels/Virgin)

 
 

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