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SPEEDBALL BABY
 
Sex & Drugs & Rock N Roll & Seinfeld

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Speedball Baby
Dass Speedball Baby keine Band wie jede andere ist, dürfte jeder ahnen, der sich mal eine Scheibe der New Yorker Combo (doch doch - sie kommen wirklich daher) angehört hat. Da gibt es praktisch nichts, was es nicht gibt - und zwar alles auf einmal. Um Songstrukturen im herkömmlichen Sinn wird sich da nicht weiter geschert. Und auch wenn das Quartett - aufgrund persönlicher Beziehung - zu Sounds in Richtung Jon Spencer & Co. tendiert: Alleine wegen Matt Verta-Rays fetter (und lauter) Gretsch-Gitarre und aufgrund "Punk Poet" Ron Wards freischwebender, assoziativer und recht origineller Texte - die dieser mittels Ad-Libs ständig variiert und ergänzt - sind Speedball Baby nur schwer zu vergleichen. Ganz mal abgesehen von den Live-Shows, wo es ja drunter und drüber gehen kann. Das gehört aber alles zum Konzept.
"Rons Texte sind schon sehr speziell", verrät uns Matt, der unter anderem mal als Bassist bei Madder Rose auf sich aufmerksam machte, "er ist unheimlich gut darin, Texte zu schreiben, die für jeden etwas anderes bedeuten können. So können die Begriffe, die er verwendet, immer gleich mehrere Bedeutungen haben." D.h.: "The Blackout", der Titel des neuen Albums, das bei uns leider nur mit Anstrengungen zu bekommen ist, weil die Distribution über Holland läuft, bedeutet nicht notwendigerweise einen Zustand der Bewusstlosigkeit? "Doch, dass kann es wohl heißen. Andererseits geht es in dem Song um einen Tanz, den wir erfunden haben. So was wie 'Do the Twist'." Ron deutet einen Twist auf einem Stuhl sitzend an - was schon recht ulkig aussieht. "Ich bemühe mich heutzutage aber schon, Texte zu schreiben, mit denen der Zuhörer etwas anfangen kann", schränkt er ein, "wir machen das ja jetzt immerhin schon neun Jahre, und heutzutage denken wir auch ans Publikum, wenn wir etwas machen. Gerade auf dieser Tour sind die Leute zu mir gekommen, und haben mir gesagt, dass ihnen die Texte gefallen und sie auch darauf achten." Was soll denn das heißen, "heutzutage"? "Früher haben wir keinen Gedanken daran verschwendet", gibt Matt zu, "wir haben da ganz konsequent unser Ding durchgezogen und darauf gepfiffen, ob man sich das anhören konnte oder ob das jemandem gefällt. Ganz im Gegenteil: Wir legten es drauf an, den Plattenfirmen möglichst unverdauliches Zeug anzudrehen und haben uns dann diebisch gefreut, wenn es wieder mal geklappt hatte. Einmal wurden wir sogar von einem Major-Label gezeichnet." "Das war aber eher ein Zufall," gibt Ron zu, "weil sich unsere Songs auf der Rückseite des Tapes einer anderen Band befand. Der Typ, der dafür verantwortlich war, hatte uns gar nicht gehört. Er legte dann irgendwann das Tape richtig herum ein und meinte: 'Hm. Das Stück gefällt mir.' Woraufhin sein Kollege sagte: 'Das ist auch gut so, denn du hast die Band letzte Woche unter Vertrag genommen'."
Das sind natürlich Anekdötchen, von denen jede Underground-Band träumen müsste. Speedball Baby haben sich aber ganz bewusst für den unbequemen Weg entschieden. Zum Glück hat Matt ein eigenes Studio, so dass es keinen Druck von außen gibt und man im Prinzip tun und lassen kann, was man möchte. Vielleicht liegt es auch an diesem Außenseiter-Dasein, dass die Stücke von Speedball Baby vor allen Dingen immer recht unterhaltsam und spaßig sind - und von farbenfrohen Charakteren quasi wimmeln. "Weißt du, ich lasse mich inspirieren wie jeder andere auch - wie z.B. von meiner Umgebung, von Büchern, von Filmen", führt Ron aus, "nimm z.B. mal 'Asphalt Blues' - da geht's um jemanden, der am Ende ist und nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Inspiriert wurde das aber von folgender Begebenheit: Ich ging da also diese Straße in der Lower East Side entlang, als mir dieser Penner entgegen kam. Er schaute mir in die Augen und meinte: 'Hallo, Junkie' woraufhin ich antwortete 'Hallo, Penner' - und wir dann beide lachend auseinander gingen." Dann interessiert in diesem Zusammenhang natürlich, wie z.B. ein Song wie "Pimp Hand Strong" zustande kam, in dem es offensichtlich um Zuhälter, Drogenhändler und anderes unlauteres Gesindel geht. "Oh, das beruht auf einer wahren Gegebenheit", freut sich Ron erzählen zu können, "der Saxophonist James Chance [The Contortions] ist ein Freund von mir. Er hatte wohl mal diesen Dealer bei sich in der Wohnung. Irgendwie gab es dann einen Tumult, wobei er die Tür zuknallte und der Dealer noch seine Hand im Rahmen hatte - wodurch seine Fingerkuppe abgetrennt wurde. Du musst dir das mal vorstellen: Dann krochen alle auf dem Boden rum, um die Fingerkuppe zu suchen - zum Schreien. Und dann konnte ja auch nicht die Polizei oder ein Arzt gerufen werden - Drogen und so, du weißt schon. Eine haarsträubende Situation. Woher der Begriff 'Pimp Hand Strong' kam, weiß ich jetzt auch nicht mehr so genau. Ich glaube, es war ein abgewandelter Werbeslogan." "Pimp Hand Strong" ist auch ein gutes Beispiel für einen relativ organisierten Speedball-Song. Vielleicht könnte man daran auch mal erläutern, wie die Stücke entstehen? Auch wenn sich manche Passage auf Speedball Baby Scheiben zufällig und chaotisch anhört: Aufgrund der Komplexität der Sache kann es das doch eigentlich nicht sein, oder? "Wir sind keine typische Rockband", erklärt Matt unnötigerweise, "es geht uns nicht um einzelne Songs. Was du letztlich hörst, ist eigentlich immer mehr als der Song", führt Matt aus, "es geht um das Ganze. Das, was du hörst ist auch gleich immer eine Dokumentation dessen, was passiert ist. Du bekommst quasi die ganze Entwicklungsgeschichte des Songs zu hören." "'Pimp Hand Strong' entstand langsam aus einer Idee heraus. Wir haben über mehrere Tage verschiedene Versionen eingespielt, die recht unterschiedlich waren. Das, was du jetzt hörst, ist quasi die Essenz daraus, die wir aus den verschiedenen Parts zusammengestellt haben. Das Element der Performance ist ein ganz ausschlaggebender Faktor bei uns. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir uns für Jenny entschieden haben, als Ali, unsere alte Bassistin uns verlassen hat." Jenny Decker - das sind ungefähr 1,60 m gebündelte Energie und Selbstbewusstsein: Intelligent, scharfzüngig und um keine Geistesgegenwart verlegen. Und zudem wahrlich die ideale Ergänzung zu den doch eher unberechenbaren Helden Matt und Ron. Denn mittels ihres höchst emulativen Bassspiels gibt sie der Band - zusammen mit dem neuen japanischen Drummer, der kürzlich Andy Action ersetzte, erst so etwas wie ein Gerüst, an dem die gefürchteten Fragmente, aus denen die Speedball-Elaborate zuweilen bestehen, aufgehängt werden können. "Nun ja, es half auch, dass ich vorher schon in diversen Bands gespielt habe [z.B. Starkist]", ergänzt besagte Jenny - die übrigens ein apartes Sternchen auf die Wange tätowiert hat, so dass man sie mühelos unter hunderten von Bassistinnen herausfinden kann, "aber es stimmt, ich komme aus einem Projekt, das sich 'Jackie 60' nennt. Es ist eine Performance-Truppe, die sich aus einem Club heraus rekrutierte, der jetzt nicht mehr existiert. Uns gibt es aber nach wie vor und wir stehen für alle Arten von Events zur Verfügung. Es wird jetzt sogar ein Dokumentarfilm darüber gedreht. Was wir machen ist schwer zu erklären. Es ist eben eine Live-Performance mit allerlei Elementen..." "Sexual Maelstrom" heißt es in der Info - doch das erklärt sie leider nur mit einem hingeschlurrten "...und Sex." "Es ist eben wichtig, dass wir alle zusammen passen", ergänzt Matt, "es ist ja z.B. so, dass wir auch alte Stücke zusammen spielen, [wie z.B. "Suicide Girl" vom Album "Cinema"] und nicht nur die, die wir zusammen neu eingespielt haben. Die haben nämlich genau dieselbe Energie wie die neuen, so dass das gar kein Problem ist." Dann sei noch die Frage erlaubt, warum die Scheiben der Speedballs zuweilen aus eher angedeuteten Fragmenten bestehen, so dass die Scheiben eigentlich nur en Bloc funktionieren. "Das ist übrigens ein großes Kompliment für uns", meint Jenny, während Matt den sozialrelevanten Überbau erklärt. "Nun, wir sind ja keine normale Band - obwohl wir zum Rock'n'Roll tendieren. Unsere Stücke basieren auf dem, was man als American Roots bezeichnen könnte. Aber das Konzept, dass ein Stück eingeblendet wird, dann ausgeblendet, es eine Pause gibt und das nächste eingeblendet wird - das gibt es doch schon seit Anfang der Zeiten. Auch im Film. Wir möchten mehr. Bei uns soll es sein, als schaust du dir ein Gemälde an. Unsere Stücke werden ja auch öfters als kinematisch beschrieben." Oder als Soundtracks. Wäre das denn nicht mal was? "Wir haben schon an Filmen mit gearbeitet", sagt Matt, "die waren aber alle Scheiße." "Ich habe mal als Schauspieler gearbeitet", sagt Ron, "na ja, nicht richtig. Ich war aber für eine Saison lang das Stand-In für Seinfeld. Kennst du Seinfeld?" Das schon, aber was macht eigentlich ein Stand-In? "Na ja, eigentlich habe ich alles gemacht, was er auch gemacht hat - nur von weiter weg. Ich war eine Saison immer im Weitwinkel der Außenaufnahmen zu sehen, die in Los Angeles gedreht wurden, obwohl die Serie in New York spielt." Was ja gut zu wissen ist. "Was vielleicht mal cool wäre", kommt Jenny da eine Idee, "wäre einen ganzen Film selber zu schreiben und zu drehen. Ich denke, da wären wir gut drin." Ganz sicher - mit der Phantasie und dem Background.
Bis dahin müssen wir uns weiter mit Speedball-Baby-Scheiben wie dem großartigen "The Blackout" begnügen - und den gelegentlichen Live-Auftritten, die noch um einen Gutteil spannender und kurzweiliger sind. "Ich kriege meine Bierflasche nicht auf", ärgert sich Matt. "Oh, die musst du mit meinem Hintern öffnen", erklärt Jenny und dreht sich um, dieweil der Flaschenöffner an einer rückwärtigen Schlaufe ihrer Jeans befestigt ist. Ja, ja - ein Abend mit Speedball Baby ist alles andere, als ein normaler Abend...

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Weitere Infos:
www.speedballbaby.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Speedball Baby
Aktueller Tonträger:
The Blackout
(In The Red)

 
 

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