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BLUMFELD
 
Angekommen? Weitermachen!
Blumfeld
Blumfeld sind mit dem neuem Album "Jenseits von Jedem" da. Seit "Old Nobody" ist die Band für Die-Hard Fans streitbar geworden. Sie haben sich verändert. Aber ohne Veränderung kein Weiterkommen. Album Nummer fünf vermittelt ein wenig den Eindruck, dass die Band sich in ihrem Wesen gefunden hat und diesen Augenblick nun mit der neuen Platte festhält. Gaesteliste.de trifft Blumfeld in einem modernen Berliner Hotel inmitten einer halb sanierten Gegend um den Ostbahnhof herum. Das Auto steht zwei Gehminuten entfernt vor einem Hochhaus, das man kurz mit Wohnsilo beschreiben würde. Krude Ecke und dann Blumfeld in einem nüchternen Konferenzraum. Auch das vermittelt den Eindruck eines Angekommen Seins. So ist das mit einer Majorlabel Band. Man würde die Band lieber in einem Café treffen, oder in einer originellen Location, vielleicht auf einer Bank vor dem Wohnsilo und dann über das neue Lied "Sonntag" reden, das ein eher bourgoises Tummeln beschreibt. Aber darum soll es nicht gehen. Das Trio ist vollzählig versammelt, jeder in ledernen Bürostühlen (verstellbar). Wie eine Übermacht Jochen Distelmeyer, Andre Rattay, Michael Mühlhaus. Aber die Jungs sind mehr als nett und nicht halb so verkopft wie man sich das so denkt.
Die Besetzung von Blumfeld änderte sich nur auf der Position des Bass. Zwei Alben spielt ihn Eike Bohlken, dann kam Peter Thiessen für zwei Alben und nun muss Keyboarder Michael Mühlhaus an die vier dicken Saiten. "Was ist das Problem mit Blumfeld und den Bassisten?" Jochen Distelmeyer schmunzelt. "Keine Ahnung, warum das immer die Bassisten betrifft. Es war bei beiden so, dass sie sich nach einer gewissen Phase auf etwas anderes konzentrieren wollten. Bei Eike war's halt sein Philosophie Studium und bei Peter eben seine Band Kante." Diese Besetzung sei, plus einem Keyboarder für Liveauftritte, so kein wirklicher Notnagel. Ich frage Michael nach seiner Erfahrung als Bassist, was ihn aus seiner gebückten Haltung reißt. Er beugt sich über einen Block und zeichnet etwas darin, was man nicht einsehen kann. "Ich habe für mich viel Bass gespielt, ab und zu auch mal bei einer Aufnahme", lautet die unspektakuläre Antwort. "Es hat mich einfach interessiert," fügt er noch an, "zum anderen wollten wir halt zügig weitermachen und dann hat sich das so angeboten, dass wir zu dritt im Proberaum erstmal basismäßig gespielt haben. Das ist schon anders als wenn ich weiter Keyboard gespielt hätte. Das haben wir dann bei den Aufnahmen quasi draufgesetzt. Das finde ich auch ganz gut so, dass man das so gemacht hat", schließt er seine Antwort wie ein Fussballer.
Die Kollegen vom Intro Magazin beschwerten sich in ihrer Plattenrezension, dass das neue Album als Schallplatte verschickt wurde. Man hätte sich nichts Schöneres wünschen können, vermutete jedoch eine geschickte Art von Copy Control. Eine Platte zu brennen erfordert ja zumindest einen gewissen Mehraufwand. Aber soviel Kalkül ist da gar nicht dahinter. "Ich habe gedacht, das wirkt einfach besser", zuckt Jochen mit den Schultern. Keine Hintergedanken, entschuldigung! Kommen wir zum Album. Der Blumfeld Sound wird immer akustischer, immer harmonischer, wenn auch nie zu süßlich. Der Sound, der seit "Old Nobody" immer prominenter im Kosmos der Hamburger Band wird, scheint sich vervollkommnet zu haben. "Ja, wir haben das Spielgefühl der neuen und der alten Sachen, das man live so hat, in die Entstehungsgeschichte der neuen Platte mitgenommen. Wir spielen seit drei Alben nun so schon zusammen. Und es braucht zwei Alben, bis du so einen Grad von nicht nachdenken, nicht absprechen erreicht hast. Einfach spielen. Dass du dich auf das verlassen kannst, was du über mehrere Touren und Platten voneinander weißt. Dementsprechend klingt das Ganze dann auch selbstverständlicher." Der Bandsound steht also nun? "Ja. Der Bandsound, der sich für mich im Laufe der Platten gewandelt hat. Für mich ist das eine relativ naheliegende, kohorente Entwicklung. Und manche Sachen, die man so meint, auch schon bei 'Testament der Angst', wären so neuentwickelte Ansätze, waren, nach meinem Empfinden, auch schon bei der 'Ich-Maschine' da. Also ein Faible für Melodien." Nach einer kurzen Denkpause ergänzt er: "Mich interessiert der Punkt, wo Musik über sich hinausgeht, über das was Musik ist. Wo es mehr wird als Musik. Das ist für mich aber nur vorstellbar unter der Erfahrung von Musik. Und unter meinen Erfahrungswerten kann eine bestimmte Art Musik, oder eine bestimmte Art von Spiel das leisten."

Das Album beginnt mit "Sonntag", einem Lied, das das Positive dieses Tages herausfiltert. Hier schimmert kein Kater eines Zeittotschlägers durch, es ist kein Tag an dem man aufstehen muss. "Solange wir das Stück so hatten, fand ich es klasse, wenn die Platte damit eröffnet wird. Fenster und Türen gehen auf, und dann kommt das so rein. Ich weiß gar nicht, ob das unterm Strich nur positiv ist: 'Alles will blühen, ohne etwas dafür zu haben' Da gibt es schon Spurenelemente, wo ich sage, dass das nicht nur positiv ist. Manche Leute haben Schwierigkeiten damit, dass alles gleichzeitig ist. Dass manches einfach und auch, vermeintlich, kompliziert ist. Oder eben hoffnungsvoll und verzweifelt. Das Problem mit dem Umgang dieser Wahrnehmung begleitet uns ja schon seit unserer ersten Platte."

Blumfeld
War "Wir sind frei" als Hymne geplant? Jochen windet sich. "Solche Gedanken macht man sich eigentlich nicht. Vielleicht, dass man sich so etwas vornimmt, um zu lernen wie das geht, aber im Laufe der Zeit, und ich hoffe auch, dass das auf den alten Blumfeld Alben zu spüren ist, tritt dieses masterplanhafte, juhuu!-absichtsvolle eher in den Hintergrund und man spielt das, was einem Spaß macht, singt das, was einem wichtig ist." Es ist jedoch immer interessant, von welchem Lied aus sich so ein Album entwickelt. Denn es gibt ja schon eine gewisse Stimmung vor, in der man dann weitermacht. Jochen überlegt. "Musik und Text waren als erstes bei 'Sonntag' fertig. Und 'Blues wegen dir', die B-Seite von 'Wir sind frei'. Das war bei den letzten Platten schon so, dass ein, zwei Albenstücke fertig waren und auch schon die erste B-Seite." Das Album macht einen sehr ruhigen, angekommenen Eindruck, deswegen auch die Fragen woher das kommt. "Ich hoffe, dass die energiegeladenen, rockigen Sachen, oder auch 'Sturm', das sich dann so aufschwingt," beginnt Jochen, "dass das klar ist, dass das immer noch etwas ist, das uns ausmacht, was passiert und was immer noch Spaß macht beim Musikmachen." Jetzt schaltet sich Michael wieder ein. "Der Fluss in der Musik ist einfach ruhiger geworden, der früher eckiger, drahtiger war." Und auch überraschender. Ein Blumfeld-Rocker verändert sich kaum. Ein Stück wie "Krankheit als Weg" ist musikalisch fast identisch mit "Eintragung ins Nichts" vom letzten Album. Doch Jochen hebt seinen Finger: "Da kommen vielleicht zwei Sachen zusammen. Einmal: Weil wir schon mehrere Stücke dieser Art gespielt haben und da sicherer sind in dem, wie wir das wollen, und dass die Leute, die Blumfeld Platten hören, sicherlich auch, genau wie wir beim Musikmachen, auf mehr Erfahrungswerte zurückgreifen können, um zu erkennen, das ist ein klassisches Blumfeld Stück." Michael nochmal: "Bei den rockigen Stücken hat man erstmal das Naheliegende gemacht. Für mich jetzt zum Beispiel auch, habe ich das Naheliegendste gespielt, was durch den Song vorgegeben wird. Die Art, wie ich den Bass jetzt spiele, schiebt das Ganze in eine rockigere Richtung. Peter hätte das vielleicht anders gespielt, aber vielleicht würde ich das nächstes Mal auch anders spielen. Das hat sich jetzt so ergeben und man muss nicht sagen, dass man jetzt an einem Punkt angekommen wäre und das ist es jetzt." Jochen wieder: "Es gibt auf jeder Platte ja auch Stücke..." Doch halt! Auch aus einer über einen Block gebeugten Haltung erhebt sich Andre: "Darf ich kurz mal dazwischen. Als ich jetzt so dem Gespräch folge und über Angekommen nachdenke, ist mir aufgefallen, dass ich schon die Verbindung zu anderen Blumfeld Klassikern wie 'Draussen auf Kaution', 'Langsam' oder 'Anderes Ich' [Letztere Stücke waren frühe B-Seiten]. Die gab's ja schon. Und jetzt tauchen die auf dem neuen Album verwandelt wieder auf." Jochen: "Und ich denke, dass auf jeder Platte immer so Stücke drauf sind, die wir, ohne dass man sich das selber so vorgenommen hat, aufnimmt und sich dann klar wird, dass da auch noch so andere Türen da sind, die man öffnen könnte. Ach, das ist ja auch noch interessant, da gucken wir auch noch nach, was das da für eine Gegend oder Landschaft ist."

Aber auch die Metaphern werden eindeutiger, Blumfeld nehmen vermehrt klassisch dichterische Naturverweise. "'Der Sturm' war ja für mich, nach dem Schreiben von 'Der Wind', schon so eine Gewissheit, dass es ein solches Stück auf der nächsten Platte geben würde. Wo der Wind vom 'Testament der Angst' in diese Platte so reinweht und dann so durchdreht, oder so", meint Jochen, dreht sich dann zu Andre: "Meintest du, dass da bei 'Sturm' die Verbindung zu 'Draußen auf Kaution' da ist?" "Ja, das wird mir jetzt im Rückblick klar. Das war so eine Arbeitsweise wie bei 'Langsam' auch", nickt Andre. "Stimmt", meint Jochen, "das denkt man auch gar nicht. Es braucht einen gewissen Abstand, damit man sieht, das war ja damals auch schon enthalten. Vielleicht ist das der Grund, warum sowas für uns spielbar ist und man so neue Ufer in den Blick kriegt und sich aufmacht weiterzumachen. Aber auch anders." Michael meint, man wolle ja nirgends ankommen, man spiele und versuche, die Komposition an interessanten Stellen zu packen. "Man widmet sich ja dem Song", wirft Jochen ein, "und nicht der Idee von was ist jetzt Blumfeld oder was nicht. Das ist für uns ja egal."

Weitere Infos:
www.blumfeld.net
www.wea.de/artist/3564/
skyeyeliner.endorphin.ch
Interview: -Christian Biadacz-
Fotos: -Pressefreigaben-
Blumfeld
Aktueller Tonträger:
Jenseits von Jedem
(Zick Zack/WEA)

 
 

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