Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin
Banner, 468 x 60, ohne Claim



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Interview-Archiv

Stichwort:



 
THE VEILS
 
Idealisierte Libellen-Schnappschüsse
The Veils
Manchmal taucht aus dem unüberschaubaren Wust von Neuerscheinungen eine Scheibe auf, die eben doch anders ist als all die anderen. Und das, obwohl es die 678te "The" Band ist, die wieder einmal bloß die Vergangenheit in Form von handgemachter Gitarrenmusik emuliert. The Veils haben jedoch mit "The Runaway Found" eine Scheibe zustande gebracht, die nicht überflüssig und austauschbar ist. Ja, auch The Veils machen simpel gestrickte, nette Gitarrenpop-Tracks mit melancholischem Grundtenor. Aber die Songs haben mehr Charakter als mancher Hauptdarsteller in manchem US-Film, der Sound ist greifbar, roh, urtümlich und der Gesang berührt und geht zu Herzen.
The Veils, das ist die Band von Finn Andrews - dem Sohn von Barry Andrews. Barry war in den 80er Jahren ein integraler Bestandteil der britischen New Wave in der kreativsten Phase. Zunächst als Mitglied von XTC, später dann als Kopf von Shriekback; einer Band, die vieles vorwegnahm, was heutzutage zum guten Ton gehört. Finn wuchs zunächst mit Elektronik-Musik auf (was kein Wunder war, denn Barry Andrews war auch auf diesem Gebiet tätig) und hatte gar nicht vor, Musik zu machen, sondern wollte malen. Mit zehn Jahren zog er dann zu seiner Großmutter nach Neuseeland. Dort entdeckte er dann die Folkmusik (Neuseeland ist für den Folk das, was der Blues für Australien ist - was indes nur Neuseeländer und Australier richtig einschätzen können). "Das war zwar so nicht geplant", erinnert sich Finn - dessen ausdrucksstarke Stimme und hingeschluderte Redeweise für eine Rock-Scheibe charismatisch und deswegen geeignet erscheinen mögen, im richtigen Leben aber doch eher hinderlich sind, "aber im Rückblick muss ich sagen, dass dies eine sehr gute Wahl war. Neuseeland ist sehr ruhig, sehr schön und sehr inspirierend. Und es ist ein wundervoller Ort für einen Anfang." Andrews tat gut daran, Neuseeland nur als Sprungbrett zu betrachten. Als er sich dazu entschlossen hatte, eine Band zu gründen, ging er zurück nach London und geriet hier auch gleich an Geoff Travis, den Rough Trade Boss, der ihn sofort unter Vertrag nahm. Ach ja: Und er traf Bernard Butler, mit dem er sich auf Anhieb so gut verstand, dass dieser gleich ein paar Stücke auf der Debüt-CD produzierte. Obwohl: Von Produzenten hält Finn gar nicht so viel. "Die Idee des Produzierens hat mit noch nie gefallen", räumt er ein, "uns lag es daran, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die wir mochten. Matthew Olivier ist z.B. so jemand. Er ist auch weniger ein Produzent, sondern ein Engineer - er hat also Ahnung von der Technik und konnte uns - wie Bernard - dabei helfen, die Pop-Elemente in unserem Sound herauszuarbeiten."
Die erste CD von The Veils heißt "The Runaway Found" - was hat dieser Titel zu bedeuten und worum geht es dabei? "Ich weiß nicht", sagt Finn (und das sagt er grundsätzlich als Einleitung zu jeder noch so durchdachten Antwort), "als wir die Scheibe aufnahmen, erschien es uns unmöglich, uns einen Titel dafür auszudenken. Ich stieß dann zufällig auf eine Headline in der Zeitung, die einfach sagte: 'Ausreißer gefunden'. Das setzte sich in meinem Kopf fest und für mich funktionierte dann der Slogan im Zusammenhang mit der CD. Es ist ja weder eine überschwenglich optimistische noch eine pessimistische Scheibe. Aber ich finde, sie klingt nach Hoffnung. Die Überschrift, 'The Runaway Found', impliziert zunächst diese Hoffnung. Du weißt nicht, ob es ein trauriges oder ein glückliches Ende gibt, aber immerhin wurde diese Person ja gefunden. Das spiegelt ungefähr die Stimmung unserer Scheibe wider." Ist das auch der Grund, warum Finns Texte vergleichsweise offen gehalten sind? "Das mag so sein", räumt er ein, "obwohl das nicht meine Absicht war. Es ist eben das Ding, wenn du Musik machst. Es ist immer schwierig, deine Eigentümlichkeiten zu verstecken - das, was für dich natürlich ist und so kommt es dann beim Hörer an. Ich schreibe jedenfalls nicht mit der Absicht, unkonkret zu sein." Worum geht es denn in den Texten? "Ich schreibe aus meiner eigenen Perspektive, aus meinem eigenen Bedürfnis heraus. Warum diese Songs für mich so wichtig sind, liegt darin begründet, dass diese quasi die letzten vier Jahre meines Lebens widerspiegeln. Es ist in etwa so, wenn du Libellen beim paaren beobachtest: Du willst diesen Moment für die Ewigkeit festhalten. Was ich im Kopf habe, wenn ich schreibe, geht es mir darum, Augenblicke und das, was ich zu dem Zeitpunkt fühlte, festzuhalten." Das Ganze ist dann also als musikalisches Tagebuch zu sehen? "Ja, genau", gibt Finn zu, "es ist wie eine Sammlung von Polaroids. Das heißt: Die Songs verraten dir nicht alles, aber du hast eine gute Vorstellung davon, was passierte. Es ist so, als wenn deine Träume davon beeinflusst werden, was du am Tage so erlebst. Es sind Aspekte davon, was tatsächlich passiert ist. In den Songs entwickelt dies dann aber ihr Eigenleben." Was ist es denn, was Finn brennen macht? "Die Gründe, warum ich schreibe und Musik mache, sind darin zu suchen, dass ich mich mit den dunkleren Seiten des Lebens beschäftigen möchte. Ich bin natürlich nicht immer in einer düsteren Stimmung. Aber wenn ich mich so fühle, dann schreibe ich auch darüber. Das färbt natürlich auf die Musik ab." Wie kategorisiert man denn diese? Der Versuch im Info-Sheet, das ganze als Brit-Pop abzutun, funktioniert ja nicht so richtig, oder? "Wo steht denn das?", wundert sich Finn, "es ist eigenartig, das als Brit-Pop zu bezeichnen, denn wir versuchen ja, uns von allzu offensichtlichen Sounds und Retro-Gedanken fernzuhalten. Vielleicht liegt es ja gerade daran, dass wir immer verschieden kategorisiert werden. Der eine sagt, es sei Brit-Pop, der andere sagt es klingt wie The Smiths, Van Morrison, Leonard Cohen. Ich selber bin z.B. inspiriert von Motown oder Dusty Springfield."
The Veils
Und wie kam dieser primale, greifbare Sound zustande? "Wie gesagt, wir mögen ja keine Produzenten - obwohl wir ein paar ausprobiert haben. Es spart ja Zeit und Geld, wenn man so etwas macht. Als wir im Studio waren, kamen wir sehr schnell an unsere technischen Grenzen - wir brauchten also jemanden wie Matthew, der sich mit der Technik auskannte. Es war so also möglich, zu unserer poppigen Seite vorzustoßen - was für uns immer schwer war. Wegen des technischen Unvermögens. Matthew und Bernard haben uns also geleitet." Viele der Songs haben eine ganz spezielle Atmosphäre. "Also, wenn ich 'Atmosphäre' höre, dann hat das für mich immer einen üblen Beigeschmack. Ich denke immer gleich an Aufzugmusik, die du auflegst, um dich dabei unterhalten zu können", erklärt Finn, "darum ging es mir aber nun ganz und gar nicht. Ich wollte Musik schaffen, bei der du zuhören musst, die dich beschäftigt. Es ist keine Musik für Parties oder so. Wir sind in dieser Hinsicht sehr von Filmen beeinflusst: Das ist ja auch das tolle an Songs; du kannst die Leute an einen ganz speziellen Ort mitnehmen. Es geht mir mehr darum, eine Geschichte zu erzählen UND die Stimmung einzufangen. Nimm z.B. 'Valley Of New Orleans'- wie du weißt, gibt es da keine Täler. Das Ganze basiert auf einer Idee meiner damaligen Freundin. Sie hatte diese idealisierte Vorstellung von New Orleans. Wir waren beide nie dagewesen, wollten aber unbedingt hin. Es ging mir also daran, dieses auszudrücken. Es ist eine Art mythischer Idealvorstellung, die natürlich stark von der Realität abweicht - denn New Orleans ist ja als Stadt-Moloch tatsächlich eher ernüchternd." Wenn Finn das Ganze nicht als Atmosphäre bezeichnen möchte, dann vielleicht als 'Charakter'? "Ja, das schon eher", stimmt er zu, "es ist das Setting eines Songs, mit dem alles beginnt. Es ist, als würdest du ein Theaterstück produzieren. Wenn die Bühne stimmt, dann kann die Action losgehen. Es ist ein wichtiger Faktor beim Songwriting." Gehören dazu auch die Arrangements? Immerhin gibt es nicht auf jeder Debüt-CD auch gleich Streicher... "Wegen meines Folk-Backgrounds habe ich von Anfang an gelernt mit anderen Musikern zusammenzuspielen. Auch mit Streichern. Für mich war das also eine selbstverständliche Sache. Ich habe also die Songs tatsächlich mit Streichern im Kopf geschrieben - weil ich ja die Zusammenhänge kenne und weil ich Streicher nun mal liebe."

Die erste Scheibe ist ja immer die, für die man längsten Zeit hat. Wie geht es denn in der Zukunft für die Veils weiter? "Ehrlich gesagt, habe ich nie weiter als bis zu dieser Scheibe gedacht", gibt Finn zu, "diese Songs mussen geschrieben werden. Meine Vision war, hier etwas Reines, Ehrliches, Aufregendes und Überwältigendes zu schaffen. Es ging mir gar nicht so sehr um die eigentliche Scheibe, sondern darum, dass nichts verloren geht. Ich wollte das Ding also für mich selber machen. Wobei ich zunächst gar nicht an ein Publikum dachte. Das ist eben das Ding, wenn du einfach Musik machen musst, verstehst du?" Finns Gesang ist ziemlich einzigartig. "Ich weiß nicht", beginnt er wieder, "ich hatte nie eine Gesangsausbildung. Das kommt alles aus dem Inneren. Für eine lange Zeit war ich nie so richtig selbstbewusst, was meine Stimme anging. Ich versuchte gar, sie zu verstecken. Ich kam dann aber dann zu dem Entschluss, dass, wenn ich schon singen würde, ich dies auch mit jedem Partikel meiner selbst tun sollte." Was können wir denn erwarten, wenn The Veils jetzt demnächst auf Tour kommen? "Live sind wir natürlich ein wenig härter", verrät Finn, "es gibt mehr Energie. Wir touren zunächst mit den Raveonettes und dann mit The Fiery Furnaces. Ich freue mich schon auf das europäische Publikum. Das ist immer ganz besonders offen. Wir waren jetzt gerade in Japan und dort hatten die Leute eine ganz andere Energie - genau wie bei uns in England. Ich finde das sehr spannend."

Weitere Infos:
www.theveils.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Veils
Aktueller Tonträger:
The Runaway Found
(Rough Trade)
jpc-Logo, hier bestellen

 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister