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ESTHER BERTRAM
 
Engel auf Erden
Esther Bertram
Ein in der freien Wildbahn eher selten vorkommendes Gewächs stellt Esther Bertram dar: Die Tochter einer finnischen Mutter und eines australischen Vaters legt nun - in Zusammenarbeit mit Marlon Klein, dem Drummer und Perkussionisten der Weltmusikanten-Truppe Dissidenten, bei denen sie als Lead-Sängerin bereits reüssierte - mit "Urban Angel" ihr Solo-Debüt vor. Es finden sich hier sparsam arrangierte, akustische Songstrukturen, die lediglich mit einigen Effekten, kunstvoll geschachtelten Gesangsharmonien und Kleins Percussion-Einlagen abgerundet werden. So weit so gut, aber nicht genug: Vorher studierte Esther in Canberra Komposition und Songwriting, machte als Straßenmusikantin herum, kollaborierte mit DJ Tyree Cooper im House-Sektor und produzierte schließlich zusammen mit ihrem Partner Peter Gill auf zwei Alben unter dem Projektnamen Pixiefish elektronische Trance-Mucke. Dass soviel ethnisches und musikalisches Durcheinander dann zu einer dermaßen geradlinigen, durchdachten und transparenten Scheibe wie "Urban Angel" führt, ist dann ja fast überraschend.
Warum aber ist diese so geworden? "Ich wollte, dass die Scheibe so einfach wie möglich klingt", erklärt Esther mit einem durchaus interessanten Akzent zwischen den Welten, "ich wollte zunächst die Sache einfach ganz normal mit Band aufnehmen. Das ist, glaube ich, ganz normal für einen Songwriter. Es war dann aber Marlons Idee, es bei diesem Percussion-Ansatz zu belassen. Ich denke, das kommt von seinem World-Music-Ansatz mit den Dissidenten. Die Idee war, es bei dem ersten Album simpel und offen zu belassen. Dadurch waren wir weniger auf einen bestimmten Stil fixiert. Als Singer / Songwriter bin ich ja mehr auf den Song fixiert. Die Leute haben sehr gut auf diese Sache reagiert. Ich spiele ja auch öfters Straßenkonzerte in Berlin und die Leute mögen, was sie dort zu hören bekommen. Diese Scheibe ist eine gute Mixtur aus Solo-Material und Ideen für ein größeres Konzept und einer intensiveren Produktion - was wir dann auf der zweiten Scheibe angehen wollen." Das Ganze ist ja auch eine recht interessante Kombination, nicht wahr? "Ja, Marlon kommt ja aus der Weltmusik und ich eher vom Folk", stimmt Esther zu, "das passt ja gar nicht mal so gut zusammen, wir haben es aber irgendwie hinbekommen." Nicht nur die Musik ist sparsam geraten auf Esthers Scheibe. Gleichermaßen sind die Texte - ganz in der Tradition von klassischen Folk Songs - eher simpel und offen gehalten. "Ja - weniger ist mehr", stimmt Esther zu, "das sollte man immer im Hinterkopf behalten. Wenn du zuviel in deine Songs hineinpackst, lässt das den Leuten keinen Raum mehr, sich einzubringen. Wenn du nur eine Struktur, einen Rahmen vorgibst, ist das effektiver. Das ist so, wie ein Feuer, das Luft zum brennen benötigt." Das bedeutet ja, dass Esther annimmt, dass der Hörer intelligenter ist als das z.B. Radio-Programmplaner denken, nicht wahr? "Ja, ich hoffe doch", lacht Esther, "ich glaube daran, dass es immer noch Leute gibt, die mehr brauchen als das, was auf dem Fernseher flackert, die Sachen brauchen, die mit Gefühlen verbunden sind."
Esther Bertram
Von wem fühlt sich Esther denn als Songwriter beeinflusst? "Songwriter?", überlegt Esther, "das ist eine interessante Frage. Ich habe eine ziemlich durchwachsene CD-Sammlung. Ich müsste da zurückdenken und käme dann auf Suzanne Vega oder Tracy Chapman. Das waren die, die mich berührten - unter anderem, weil sie auch zugleich simpel und zugänglich klangen. Ich versuche aber heutzutage auf meinem eigenen Gebiet zu bleiben, um meine Integrität zu wahren." In Queensland studierte Esther ja Komposition. Wie wirkte sich das denn auf ihre Musik aus? "Das stimmt, ich studierte zwei Jahre Komposition auf dem Konservatorium und dann machte ich einen Abschluss in zeitgenössischer Musik an der Uni", erzählt Esther, "sie haben dort sehr gute Einrichtungen. Das hat mich übrigens inspiriert, elektronische Musik zu machen. Ich hatte dort einen Kurs über Midi-Technik, den sonst niemand mochte, aber ich fand das sehr interessant und habe mich dann für Musik und Computer und Synthesizer interessiert. Ich habe dann mein eigenes Studio aufgebaut und daraus entstand Pixiefish. Ich habe aber auch immer Folk gemacht. Das kam vorher und nachher, dann habe ich Weltmusik gemacht und bin nun wieder beim Folk angekommen." Ein geschlossener Kreislauf also? "Ja, genau", bestätigt Esther, "es geht aber immer weiter. Wie eine Spirale, die sich nach oben dreht, hoffe ich." Was hat Esther denn von der Kompositionschule für's Songwriting an sich mitgenommen? "Hm. Im Konservatorium hatte ich einen sehr guten Lehrer, der mich wirklich inspirierte, selbst zu komponieren. Er hat mir beigebracht, meinen Kopf freizumachen - anders als bei klassischer Komposition, wo alles nur 'richtig' ist, wenn du Teil A, B und C hast. Er hat mir geraten, tiefer in die Dinge einzudringen. An der Universität wurde ich dann eher enttäuscht und habe mich mehr für die Technik interessiert."
Esther Bertram
Wie definiert sich ein guter Song dann für Esther? "Das wichtigste ist das Feeling, das ein Song vermittelt", versucht Esther das zu beschreiben, "es muss ein einzigartiges Feeling sein, das keinen direkten Rückschluss auf irgendwelche Einflüsse zulässt. Wenn es möglichst weit vom Ego entfernt ist, ist es gut. Bezüglich der Technik mag ich natürlich auch eine gute, clevere Produktion - aber vor allen Dingen minimalistische Sachen. Ich bevorzuge rauhere Dinge, die näher am Gefühl dran sind. Ich mag eine eingängige Ideen - aber nicht zuviel davon. Keine Klischees. Es ist aber schwer zu sagen, weil es auch von der Stimmung abhängt." Zufällig kommt diese Beschreibung dem nach, was auf Esthers CD auch zu hören ist. Und wie kommt man dahin? "Nun, zunächst mal musst du leben, bevor du Songs schreiben kannst," erläutert Esther, "Du brauchst Erfahrungen. Wenn du dann welche hast, die ein wenig zu intensiv sind, um sie für dich behalten zu können, dann ist das ein guter Punkt, mit dem Songwriting zu beginnen. Ich beginne immer mit der Musik und schreibe die Texte nachher. Es geht darum, die Stimmung fließen zu lassen." Was auch gut zu Estehrs Musik passt, die einen netten Flow hat. "Das gilt sowohl für das Leben, wie für die Musik", ergänzt Esther, "wenn etwas fließt, dann stimmt es. Das gilt für alle Musik die ich mache, sowohl die elektronische, wie die Folk-Musik: Die Sanftheit ist immer ein wichtiger Teil des Ganzen - obwohl auch ein bisschen Intensität dazugehört. Es ist ein wenig wie bei den Hippies." "Sanftheit" ist ein gutes Stichwort: Die Scheibe heißt ja "Urban Angel" und zeigt Esther mit Engelsflügeln und vergleichsweise unbekleidet auf dem Cover. Was hat es damit auf sich? "Nun, was viele nicht wissen, ist, dass es ein Gemälde namens 'Urban Angel' gibt, das ich sehr mag und was ich zu Hause habe. Das war die erste Inspiration. Dann trage ich bei meinen Straßenkonzerten auch gerne Engelsflügel, weil ich den Leuten gute Energien vermitteln möchte. Idealerweise wäre ich auch gerne ein Engel, obwohl mir schon klar ist, dass ich als Mensch nicht die ganze Zeit ein Engel sein kann. Aber die Dinge, an die ich glaube - wie bedingungslose Liebe, Respekt, Frieden und dass die Menschen alle zusammenleben sollten - stehen dafür. Ich weiß nicht - aber ich denke, dass das Wort Engel diese Dinge repräsentiert." Und was ist daran "urban"? "Das Wort 'urban' steht für die Stadt und die Gesellschaft", ergänzt Esther, "es geht darum, gleichzeitig mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. Und das ist das Schwierige dabei. Es ist einfach, ein Engel im Himmel zu sein, aber als Engel auf Erden musst du dich ja mit der gemeinen Welt arrangieren und dich integrieren. Da tut man sich schwer als Engel." Was dann wohl auch der Grund ist, warum es so viele gefallene Engel gibt. Und warum hat der Engel nix an? "Weil ein Engel pur und rein ist und nichts zu verbergen hat", erläutert Esther, "Nacktheit wird ja meistens mit Sexualität gleichgesetzt - das ist aber in diesem Falle nicht so." Das wäre ja auch noch schöner! Esther und Marlon Klein werden im Frühjahr zusammen auf Tour gehen und das Konzept auch live vorstellen.
Weitere Infos:
www.estherbertram.com
www.indigo.de/unser_programm/titel/2889/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Esther Bertram
Aktueller Tonträger:
Urban Angel
(Exil/Indigo)
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