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SHILF
 
Songs zum Mitnehmen
Shilf
Es mag ja nicht so sehr auf der Hand liegen - aber auch Schweizer haben ein Faible für die Weiten des amerikanischen Mittelwestens. Zumindest musikalisch. Und wenn man darüber nachdenkt, macht es ja auch Sinn: Die USA sind topographisch ja so etwas wie das Gegenstück des Alpenstaates. Insofern kam das Debüt "Me" von Shilf aus Basel - mit seiner ganz eigenen Variante des bedächtigen Alt.Country, die deutlich geprägt wird von Nadja Leontis einfühlsamen Gesang - vor zwei Jahren zwar überraschend, aber letztlich auch mit einem gewissen Selbstverständnis daher. Shilf hatten zudem das Glück, dass ihnen Chris Eckman von den Walkabouts bei der Produktion zur Hand ging und die Sache somit quasi amtlich machte. Obwohl das eher ein Zufall war, wie Songwriter Lucas Mösch einräumt.
"Also, wir hatten damals 'Me' eigentlich schon fertig produziert und suchten einen Partner, um das zu finalisieren. Wir haben dann von unserem schweizer Vertrieb den Tipp bekommen, uns an Chris Eckman zu wenden. Der hat dann zunächst gesagt, er würde normalerweise nur ganze Produktionen machen und nicht bereits existierende Sachen abmischen. Er hat es sich dann aber doch anders überlegt und zugesagt. Wir hatten damals für 'Me' auch noch andere Kandidaten, wenn Chris nicht so schnell reagiert hätte. Die neue Scheibe ist jetzt direkt mit Chris entstanden. Wir haben in Basel aufgenommen und in Ljubljana nur abgemischt. Das war auch bei 'Me' so - das wird immer falsch geschrieben." Was wurde denn dieses Mal anders gemacht? Das neue Werk, "Out For Food", kling im Vergleich zu "Me" sowohl runder wie auch abwechslungsreicher. "Ich glaube, wir haben ein bisschen mehr zu uns gefunden", erklärt Lucas, "wir haben auch mehr Freude am Zusammenspiel. Viele Songs und Arrangements sind erst beim Spielen entstanden - zum Teil auch erst im Studio; sind also sehr frisch. Das war bei 'Me' ganz anders, da haben wir, wie auf der ersten Shilf-Sheibe, die noch als Trio ohne mich und als Post-Rock Scheibe entstand, alles sehr genau ausgearbeitet." Post-Rock? "Ja, das war in der Schweiz ein großer Erfolg, der noch und nöcher abgefeiert wurde. Da hatten wir bei 'Me' noch diese Altlast. Wir hatten diese Vorgabe mit den langsamen Tempi und dieses ein bisschen Zähe. Das kommt noch von der Shilf-Urbesetzung her. Bei 'Out For Food' konnten wir das alles irgendwie ablegen. Das war ein anderes Selbstverständnis im Machen. Und ich glaube auch, dass man das hört. Es ist offener, es ist frischer und weniger festzumachen an Attributen wie 'langsamste Band der Schweiz' oder so etwas." Das erklärt auch, warum die Songs dieses Mal "fertiger" klingen als auf "Me". "Ja, das hat bestimmt damit zu tun", räumt Lucas ein, "das sind Entwicklungen. Wir haben uns weiterentwickelt - auch über's Spielen." Es gibt ja dieses Mal auch mehr Power. War das auch eine bewusste Entscheidung? "Ich würde eher sagen, dass das auf eine sehr organische Art passiert", schränkt Lucas ein, "es ist die pure Lust am spielen. Dadurch ergibt sich, dass man einen Song auch mal rockiger spielt. Wir haben nicht zusammengesessen und haben uns überlegt, wie die neue CD klingen soll. Dreckiger, rockiger, offensiver vielleicht. Das ist ganz von alleine passiert."
Lucas sagt immer wieder "wir" - wie ist denn die Aufgabenteilung bei Shilf? "Da ist immer so ein Kollektiv-Gedanke", verrät Lucas, "ich bin zum Beispiel in diesen Part mit dem Songschreiben reingerutscht. Es ist kein Singer-Songwriter-Projekt. Es gibt bei Shilf nicht einen Chef. Ich singe ja z.B. nicht selber, sondern das macht Nadja - wodurch meine Songs eine ganz andere Bedeutung bekommen. Es ist ein Kollektiv, wo jeder seinen Teil beträgt. Zum Beispiel ist die Arbeit unserer beiden Gitarristen bestimmt genauso wichtig. Der Sound ist für uns auch sehr wichtig." Okay - aber warum wurde dann mit Chris Eckman zusammengearbeitet, der ja eher den Steve Albini-Ansatz verfolgt, als etwa den von Daniel Lanois (wobei jede Lanois-Produktion als solche zu erkennen ist). "Oh, das Gefühl habe ich nicht", widerspricht Lucas, "ich hatte immer das Gefühl, dass er sehr an Sounds interessiert ist. Es ging sehr oft in diese Richtung. Ich meine, wenn wir ein gutes Konzert mit brauchbarem Equipment machen, dann klingen wir fast wie auf der CD. Insofern hat uns Chris sehr gut eingefangen. Viele Sachen sind auch live im Studio eingespielt." Das ist dann ein Missverständnis: "Sound" meint also in diesem Sinne tatsächlich das adäquate Einfangen des Vorhandenen? "Ja, genau", stimmt Lucas zu, "und dann noch was: Wir arbeiten ja quasi mit einer Überbesetzung - nun ja, Lambchop einmal ausgenommen. Wir haben ja zuweilen drei Gitarren, die alle gleichzeitig spielen. Das ist schwierig, das Ganze dann noch offen zu halten. Da kommt z.B. die Sache mit dem Sound wieder ins Spiel." Nun gut. Lucas schreibt auch die Texte. Da er diese für Nadja Leonti schreibt: Muss er sich da verbiegen? "Nun, ich schreibe viele Songs - mehr als wir bei Shilf brauchen", überlegt Lucas, "viele fallen auch weg, weil sie nicht zu Shilf passen, da sie etwa spezielle persönliche Sichtweisen enthalten. Das, was übrig bleibt, muss schon ein wenig allgemeiner sein. Obwohl Nadja da überhaupt nicht heikel ist und am Ende auch eigene Interpretationen abliefert. Wir reden auch über die Songs und ich bin da auch nicht so ganz hart. Wenn es Dinge gäbe, die Nadia nicht singen könnte, dann würde ich sie ändern. Aber diese Situation ist noch nie aufgetreten."
Shilf
Was ist denn ein guter Song für Lucas Mösch - wonach sucht er hier? "Was für eine Frage", lacht er, "ich weiß es nicht... was mich interessiert sind, glaube ich, Volkslieder. Also in dem Sinne, dass es einfache Lieder sind, die jeder verstehen kann, die nicht zu kompliziert angelegt sind und die man mitnehmen kann im Kopf. Songs, die auf einer akustischen Gitarre geklimpert werden können. Songs die nicht ganz konform mit dem gehen, was im Radio gespielt wird. Meine Songs entstehen durch Zufall. Ich setze mich nicht hin und mache einen Text zu einem Thema - das kommt immer irgendwie morgens um drei..." Nun gut - wenn Lucas seine Songs als Folksongs betrachtet, erklärt das natürlich auch irgendwie, dass dieser Americana Sound dabei herauskommt, nicht? "Nun ja, es ist natürlich schon irgendwie so, dass wir insgesamt sehr stark davon beeinflusst sind und solche Sachen hören", stimmt Lucas zu, "obwohl ich immer sage, dass wir europäische Pop-Musik machen - denn mit den Menschen aus den USA haben wir eigentlich gar keine Beziehung - obwohl wir natürlich die amerikanische Musik sehr mögen." Okay - kommen wir zu einem ganz anderen Thema: Warum heißt die Scheibe denn "Out For Food" und was haben die seltsamen Leute auf den Fotos, die im Booklet zu sehen sind, mit der Musik zu tun. "Der Titel der Scheibe kommt von dem Lied 'Out For Food'", erklärt Lucas, "es ist irgendwo Willkür. Der Song sollte das Intro sein. Es ist irgendwie wahnsinnig schwierig, Songtexte zu erklären. Die meisten sind absichtlich interpretierbar gehalten. Es sind ja keine Statements uns Aussagen. Es sind eher Stimmungen und Farben - wie eine Instrumentierung etwa. Und was die Bilder betrifft, das sind Fotos, die ich auf eBay ersteigert habe." Auf eBay ersteigert? "Ja, das sind Bilder, die z.B. aus Nachlässen stammen. Auf der Scheibe geht es im wesentlichen um das Reisen. Und die Fotos stammen von Leuten, die Reisen gemacht haben. Es sind alte Bilder. Aber wir sind ja auch irgendwie eine altmodische Band, die mit moderner Musik nicht viel anfangen kann. 'Out For Food' hat nichts mit dem Mittagessen zu tun, sondern mit der ständigen Suche nach irgend etwas. Deswegen passen die Fotos zwar von der Ästhetik her zusammen, sind aber sehr unterschiedlich - wie die Songs. Eigene Fotos wollte ich nicht machen - und dann bleibt die Frage, wie man an gutes Bildmaterial kommt. Da war die Sache mit eBay eine gute Lösung. Das ist faszinierend. Du bekommst da Fotos von fremden Leuten aus einer anderen Zeit. Das gibt ganz seltsame Bildwelten. Man taucht so quasi in das Leben anderer Leute ein... Es hat etwas seltsam Berührendes." Was sich ja auch wieder irgendwie auf die Musik übertragen werden kann - zum Beispiel in dem Sinne, dass Fotos wie Songs Momente festhalten, die dann niemals vergehen. Bei Bob Dylan nennt man so etwas "Suspension Of Time" - bei Shilf dann wohl "Folksongs zum Mitnehmen".
Weitere Infos:
www.shilf.ch
www.ulftone.com/shilf/index2.html
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Shilf
Aktueller Tonträger:
Out For Food
(ulftone/edel)
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