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Interview-Archiv

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NEKO CASE
 
Die Löwensängerin
Neko Case
Erstaunlich, dass Neko Case neben ihren ganzen Projekten (New Pornographers, Sadies etc.) zwischendurch auch immer wieder Zeit findet, eigene Alben einzuspielen. Das nun vorliegende vierte Werk mit dem malerischen Namen "Fox Confessor Brings The Flood" ist dabei obendrein auch ihr bislang ambitioniertestes und bestes geworden. Sie selbst produzierte es im Tucsoner Wavelab Studio und lud - neben ihrer Band - allerlei Musiker ein, sie entsprechend zu begleiten. Neben ihren Freundinnen von den Sadies sind dies Kelly Hogan, Joey Burns, John Convertino, Howe Gelb und Garth Hudson. Musikalisch löst sich Neko dabei immer mehr von der reinen Americana-Pflege und nutzt diese nur noch als Ausgangspunkt für eigene musikalische Visionen. Und lyrisch ist "Fox Confessor" mit seiner metaphern- und bilderreichen, poetischen und intelligenten Sprache definitiv Nekos Meisterstück geworden. Grund genug also, sich einmal mit dem Werdegang des Albums zu beschäftigen.
"Also ich hatte gar kein besonderes Konzept, als ich dieses Album anging", verrät Neko, "es schien so, als hätte ich lediglich viele Songs angesammelt, die nichts mit einander zu tun hatten. Allmählich entdeckten wir aber eine Beziehung zwischen den Stücken, als wir daran arbeiteten - für mich war das der Verlust des Glaubens. Das passiert oft, wenn ich Scheiben aufnehme. Ich kenne meine eigenen Vorstellungen auch nicht immer so genau, aber das ist ja einer der Gründe, warum man Musik - oder Kunst im Allgemeinen - macht: Man findet zu sich selbst und macht gleichzeitig etwas für andere Menschen." Wie öfters auf Nekos CDs, so tauchen auch dieses Mal wieder Tiere auf. "Nun, das hängt damit zusammen, dass ich Tiere liebe", erklärt Neko, "und das ist der Grund, warum ich russische und ukrainische Folklore liebe, von der viele der Stücke des neuen Albums inspiriert wurde: Dort tauchen nämlich viele Tiere auf." Was ist denn der Haupt-Unterschied zwischen östlichen und westlichen Märchen? "Nun, in den USA haben wir eine Mischung aus Geschichten aus der ganzen Welt. Es gibt nur ein paar originär amerikanische, wie z.B. 'Sleepy Hollow'. Aber die östlichen Sachen sind ein wenig zugänglicher, melodischer, wenn man so will. Sie haben eher etwas gemein mit indianischen Sagen - was ich sehr interessant finde." Und wie setzte Neko das musikalisch um? Vergleicht man "Fox Confessor" z.B. mit ihrem ersten Werk, "The Virginian", was fast noch eine puristische Country Scheibe war, so sind doch hier große Fortschritte zu erkennen. "Nun, ich vergleiche 'Fox Confessor' nicht mit der ersten Scheibe, sondern mit 'Blacklisted', meiner letzten Studio-Scheibe", schränkt Neko ein, "das sind nämlich die beiden Scheiben, auf der ich meinen Stil gefunden habe. Wenn du sagst, dass ich nicht versuche, Bluegrass oder Country zu re-kreieren, so muss ich doch einräumen, dass ich das oft genug versucht habe. Ich wünsche mir öfter wirklich, ich könnte Hank Williams sein und in seiner wunderschönen einfachen Sprache sprechen. Ich kann es aber nicht, weil ich nun mal eine sehr verbale Person bin. Also muss ich zusehen, dass ich das, was ich tue, vereinfache; aber ich muss auch einsehen, dass ich eben nicht Hank Williams bin."
Das heißt also: Neko betrachtet die neuen Songs als "einfach"? "Nun, wenn ich einen Song schreibe - oder Texte - dann ist das zuweilen schon recht kompliziert. Einfach, weil es zuviel Zeugs gibt. Ich versuche dann, die Sachen herunterzubrechen und achte dabei darauf, dass ich keine Wörter verwende, die ich nicht auch in meiner täglichen Konversation verwenden würde." Nun sind aber Nekos Zeilen zuweilen doch sehr, sehr poetisch. So spricht doch niemand umgangssprachlich, oder? "Ich meine damit, dass ich keine komplizierten Texte schreiben möchte", spezifiziert Neko, "wie das z.B. meine Freunde von den New Pornographers können. Die können so etwas und es macht Spaß und man nimmt es ihnen ab. Ich hingegen möchte Texte schreiben, die so simpel sind, dass ich noch eine Verbindung zum Publikum halten kann. Ich mag zum Beispiel keine großen Fremdwörter verwenden. Was ich aber mag, sind ungewöhnliche Formulierungen und auch ein wenig Poesie. So ist das zu verstehen." Das hört sich doch recht kompliziert und arbeitsaufwendig an, oder? "Nun, zunächst mal lasse ich 'stream of conscious'-mäßig alles raus", beschreibt Neko den Prozess, "dann lasse ich das Ganze sich ein wenig setzen. Dann arbeite ich damit, sortiere und formuliere. Manchmal geht das schnell, manchmal dauert es zwei Jahre. Das wichtige dabei ist, die Sachen nicht erzwingen zu wollen. Es sollte immer so etwas wie einen roten Faden geben, auch wenn es ein seltsamer Faden ist." Ist dabei dann die Story oder die Wörter selbst das Ausschlaggebende? "Beides ist möglich", antwortet Neko, "es ist immer ein wenig wie eine Collage. Einige Songs passieren wie von selbst - das sind aber die wenigsten. Manchmal sind es einfach ein paar Zeilen, die mich nicht mehr in Ruhe lassen, zu denen ich dann eine Geschichte finden muss. Das sind dann diese großartigen Momente im kreativen Prozess - obwohl es manchmal bloß Kleinigkeiten sind." Wie behandelt Neko denn das Geschichten-Erzählen? Sehr direkt ist dieser Prozess bei ihr ja nicht gerade und Handlungen beschreibt sie ja auch nicht. Eher beschreibt sie Szenen, Bilder, Momente. "Nun, das kommt von dieser unterbewussten Arbeitsweise", gesteht sie, "es geht darum, den Körper mit einer Arbeit abzulenken - wie z.B. Spülen - und dabei den Geist wandern zu lassen. Eine Dusche zu nehmen, ist dabei die beste Methode." Wie arbeitet Neko dann mit den anderen Musikern zusammen? Viele Songwriter haben ja Bedenken, mit anderen bei der Entstehung der Songs zusammenzuarbeiten. "Nun, im Falle der Sadies arbeite ich gerne mit anderen zusammen", verrät Neko, "ich habe zwar die Texte fertig, aber die Musik erarbeiten wir zusammen. Es kann sehr befreiend sein, wenn du anderen beim Spielen zuschaust und die Entstehung eines Songs zu beobachten. Paul Rigby, meinem Gitarristen, der auch ein Musiklehrer ist, kann ich technische Fragen stellen, wenn es z.B. darum geht Harmoniefolgen zu erarbeiten. Bei John und Joey von Calexico ist es so, dass wir ein wenig zusammen proben und dann man sehen, was passiert. Das ist auch im Studio so, wo wir dann den Song fertig zusammen fertig stellen."
Neko Case
Wie gesagt spielen Tiere - wie z.B. der allwissende Beichtvater Fuchs, der im Titelsong die Flut der Erkenntnis auslöst - in Nekos Sogs eine große Rolle. Haben die Tiere in Nekos Songs dieselbe Funktion wie in unseren europäischen Fabeln, wo sie die Charakteristika von Menschen verkörpern und so eine Stellvertreterfunktion für die Vermittlung von moralische Lehren übernehmen? "Manchmal ist das so", zögert Neko, "anders als in indianischen Erzählungen. Was damit zusammenhängt, dass Indianer daran glauben, dass alles eine Seele hat, was ich wertzuschätzen weiß. Ich borge dann doch eigentlich nur die Charaktere. Ich möchte nicht daran glauben, dass die Tiere bloß die Menschen darstellen, weil ich mit Tieren aufgewachsen sind. Ich betrachte sie nicht als niedere Lebensform oder dem Menschen nicht gleichwertig - nur weil sie nicht auf eine uns verständliche Art kommunizieren. Tiere haben Emotionen und bestimmte Verhaltensmuster, die ich unglaublich faszinierend finde. Ich habe eine Menge von Tieren lernen können. Was ich also sagen möchte, ist, dass ich es mag, dass in der östlichen Folklore Tiere auftauchen, diese in der indianischen Kultur als eigene Wesenheiten gesehen werden." Wie passen denn da die traditionellen Aspekte herein - z.B. Johannes der Täufer in "John Saw That Number" - was ja ein religiöses Element darstellt. "Nun, ich mag diese Geschichte, die irgendwie zu meinen Folklore- und Märchensongs passte. Ich habe das Stück in einer baptistischen Gospelsammlung gefunden. Da geht es um einen Teil der Bibel, den die christlichen Fundamentalisten bei uns nicht so gerne wahrhaben möchten. Die sind immer sehr skeptisch wenn es um Halloween, Satan oder Monster geht. Hier ist aber eine Geschichte aus der Bibel mit Monstern, die aus dem Meer kommen, das Biest mit der 666 auf der Stirne. Diese Art von Gospel scheut sich nicht, damit umzugehen und das in eine Songform zu bringen, die obendrein auch noch sehr schön ist. Ich habe lediglich die Worte meinem Sprachgebrauch angepasst." Wie sieht Neko ihren Gesang? Ihr Gesangsstil ist ja zweifelsohne sehr körperlich? "Nun, es ist ja auch eine körperliche Sache. Zunächst mal muss ich ja die Töne treffen", lacht Neko, "ich weiß, was du meinst. Manchmal ist das Singen schon sehr körperlich. Das erinnert mich immer an die Tierfilme aus den 60ern - wo sich die Löwen an die Gnus herangeschlichen haben? Ich fühle mich, wie ein Löwe, der sich an ein Gnu anschleicht, wenn ich singe. Und das fühlt sich gut an. Singen ist eine Art Multitasking. Man muss wie ein Athlet auf den Punkt topfit sein. Man muss auf sein Publikum achten, darauf, dass der Sound stimmt, darauf, dass man die Töne trifft - und dann dazu noch Gitarre spielen. Es ist, als fahre man Einrad und balanciere dabei Teller auf Stöcken. Es ist zweifelsohne ein sehr bewusster Prozess." Man kann schon erkennen: Neko Case wird es so schnell nicht langweilig werden. Mit "Fox Confessor" realisierte Neko eine vielschichtige Scheibe, die zwischen den Zeilen gelesen werden möchte, und auf der nicht alles ist, wie es scheint. Schön, dass sie auf diese Weise den Zuhörer ernst nimmt.
Weitere Infos:
www.nekocase.com
www.anti.com/artist.php?id=13
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Victoria Renard-
Neko Case
Aktueller Tonträger:
Fox Confessor Brings The Flood
(Anti/SPV)
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