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TRANSMISSIONARY SIX
 
Unter Beobachtung
Transmissionary Six
Als Paul Austin und Robert Fisher in den 90er Jahren das offene Musikanten-Konglomerat Willard Grant Conspiracy gründeten, schien sich zugleich auch eine Art klassischen Autoren-Gespanns gefunden zu haben. Doch mit der Zeit entfremdeten sich die beiden kreativen Köpfe, bis es schließlich zum Bruch kam - dessen genaue Ursachen bis heute offiziell nicht diskutiert werden. Schließlich entwickelte Paul zusammen mit seiner Gattin, der Walkabouts-Drummerin Terri Moeller, das Projekt Transmissionary Six. "Entwickelte" deshalb, weil sich das Projekt - unter anderem aufgrund anderweitiger Verpflichtungen - ganz allmählich, mit kleinen Touren und gelegentlichen Tonträgern konkretisierte. Einer davon hieß bezeichnenderweise "Spooky" und beschreibt den Prozess ansehnlich: Das Material bestand zu gleichen Teilen aus atmosphärischen Experimenten und von Terri Moeller vorgetragenen akustischen Folksongs, die langsam miteinander verschmolzen. Heutzutage räumt Paul ein, dass man einfach mal habe sehen wollen, was passiert, wenn man verschiedene Dinge ausprobiert. Die Zeiten, in denen Paul einfach möglichst viele Effektgeräte hinter seine akustische Gitarre hängte und den Aufnahmeknopf drückte, sind aber zum Glück vorbei. Das neue Album, "Radar", ist genau genommen sogar das erste "richtige" T6-Werk.
Nicht nur, weil es hier nur noch ausformulierte Songs gibt, sondern auch weil mit dem Multiinstrumentalisten Jon Hyde im Laufe der Zeit ein ordentliches drittes Mitglied hinzu gestoßen ist und es heute tatsächlich ein Band Feeling gibt. Das neue Album wurde außerdem von Tucker Martine produziert - einem der gefragtesten und wichtigsten Produzenten unserer Tage. Welchen Einfluss hatte er denn auf den Sound der Scheibe? "Einen riesigen", räumt Paul ein, "die Sounds, die er einfängt, sind wirklich erstaunlich und er ist wirklich ein begnadeter Mixer. Das ist auch der Grund, warum du heutzutage sechs bis acht Monate warten musst, bis du einen Termin mit ihm bekommst. Ich spiele auch in seinem Projekt Mount Analog mit und das ist Kunst-Musik mit einem großen 'K'. Deswegen ist es so erstaunlich, dass er es auf der anderen Seite fertig bringt, Songs einfach unverändert zu lassen, wenn sie auch ohne große Gimmicks funktionieren." Transmissionary Six haben es sich zur Aufgabe gemacht, hauptsächlich mit akustischen Instrumenten zu arbeiten - weswegen sie oft ungerechterweise als Americana-Band verschrien werden. Was ist der Grund für diese Herangehensweise? "Also ich habe jahrelang laute Rockmusik gespielt", erinnert sich Paul, "praktisch seit ich mit Robert angefangen habe, Musik zu machen. Das war immer so laut und aggressiv, dass ich irgendwann einmal darauf reagiert habe und beschloss, etwas Sanfteres zu machen." Das Songwriting auf der neuen Scheibe hat sich ebenfalls kontinuierlich weiter entwickelt - und zwar in dem Sinne, dass die Songs einfacher, aber gleichzeitig auch schlüssiger, zielgerichtet aufgebaut sind. "Wir schreiben die Songs meistens zusammen", erklärt Terri Moeller, "die Akkorde stammen hauptsächlich von Paul - einfach deswegen, weil er Gitarre spielt, während ich nur ein wenig Piano spiele. Die Texte schreiben wir aber zusammen." Und diese Texte haben es in sich, denn es werden hier keine Geschichten erzählt, sondern viel mit Bildern, Stimmungen und Metaphern gearbeitet. "Ich hoffe aber, es kann jedermann etwas mit unseren Texten anfangen, auch wenn wir mit einer Reihe von Bildern anstatt mit geradlinigen Geschichten arbeiten", verteidigt Paul, "es ist nicht so, dass wir das Publikum ausschließen wollen, sondern dass es darum geht, mehr Platz für eigene Ideen offen zu lassen. Ich selbst mag es immer, wenn Musik mich - im übertragenen Sinne - irgendwohin transportiert. Und das erreicht man auch mit Texten, deren Bedeutung man sich selbst erarbeiten kann."
Anders als bei den Walkabouts singt Terri bei T6, verzichtet dafür aber auf das Drumming. Deswegen hört sie es auch gar nicht gerne, wenn man sie als "singende Drummerin" bezeichnet (unter anderem deswegen nicht, weil sie gar nicht gleichzeitig singen und drummen kann). Dennoch sei die Frage erlaubt, ob das eine sich förderlich auf das andere auswirkt. "Absolut", bestätigt sie, "es geht um die Dynamik und man kann viel vom Drumming lernen, wenn man Texte schreibt. Einfach deswegen, weil man Sprache rhythmisch begreifen kann. Auch bei der Phrasierung und die Pausen kann man entsprechende Parallelen ziehen. Ich mag es außerdem, wenn ein Song eine klare Richtung hat, eine zusammengehörige Aussage, einen gewissen Vibe und wenn du, als Zuhörer, diese Botschaft erkennen und umsetzen kannst." Wirkt sich das dann auch auf das Songwriting aus? "Ja, das tut es", bestätigt Paul, "wenn wir zusammen an den Stücken arbeiten und ich z.B. Texte schreibe, tue ich das mit Terri im Hinterkopf. Die Art, wie sie singt, beeinflusst also mein Songwriting. Wir tun ja nichts aus einer bestimmten Notwendigkeit heraus, sondern nur aus Spaß an der Freude, da können wir uns solchen Luxus leisten. Wir werden ja wahrscheinlich niemals unseren Lebensunterhalt mit dieser Musik verdienen können." Und was ist dann das Ausschlaggebende? "Wie gesagt, es geht darum, mittels unserer Musik jedermann an einen anderen Ort zu versetzen." Musik als Eskapismus? "Ja, aber nicht als Flucht vor irgendetwas", zögert Paul, "sondern aus einer gewissen Abenteuerlust heraus."
Transmissionary Six
Was nicht bedeutet, dass es keine Botschaft (im Sinne von Geschichte) gibt. Das Thema der Scheibe, "Radar" basiert auf der Idee, dass wir heutzutage in einer Art Überwachungsgesellschaft leben, bei der jeder unserer Schritte kontrolliert wird. "Ja, darüber habe ich viel nachgedacht und dann realisiert, dass unsere Songs - eher zufällig - sich mit dieser Thematik beschäftigen. Ich habe z.B. gelesen, dass in London ca. 2000 Fotos von dir am Tag gemacht werden - wegen der ganzen Überwachungskameras. Das ist ziemlich persönlich, und gleichzeitig sehr unpersönlich. Das führt dazu, dass, obwohl jeder mehr sieht, man eigentlich immer weniger wahrnimmt. So ist der Begriff 'Radar' in diesem Zusammengang zu verstehen, Es gibt da diesen Film 'The Conversation' von Coppola mit Gene Hackman, der mich tief beeindruckt hat. Da geht es um diesen Typen, der im Überwachungsgeschäft tätig ist - mit Wanzen, Mikrophonen, Abhöranlagen, Teleskopen usw. Der Film stammt aus den 70ern und das, was du dort zu sehen bekommst, ist heutzutage nicht nur Realität, sondern es ist sogar alles viel schlimmer gekommen." Und was ist der Anfangspunkt für die neue Scheibe gewesen? "Der Anfang ist immer, wenn wir zusammensitzen und herumprobieren", erklärt Paul, "wir arbeiten gerne schnell und mit Versuch und Irrtum - nicht indem wir uns hinsetzen und Dinge aufschreiben. Es geht um die Freude am Kreieren. Wir haben ja keine klassische Karriere. Jede Scheibe könnte die letzte sein. Die ganze Scheibe haben wir schnell aufgenommen, indem wir unseren Instinkten vertraut haben. Das mag dann gut oder schlecht sein - auf jeden Fall ist es aber aufrichtig." Ist es denn wichtig, schnell zu arbeiten? "Für uns schon, weil wir wenig Geld haben", lacht Paul, "der Druck hilft dir auch, zu einem Ergebnis zu kommen." Das sagt übrigens auch Robert Fisher über seine Arbeitsweise. "Musik ist ein riesiger Teil unseres Lebens", fügt Paul hinzu, "ich liebe es Musik zu machen und Musik mit anderen zu teilen." - "Da gibt es auch den ganzen sozialen Aspekt zu bedenken", ergänzt Terri, "wir können mit unseren Freunden zusammen sein, die auch Musik machen, uns darüber unterhalten und zusammen musizieren. Wir sind alle so beschäftigt, dass solche Gelegenheiten die einzige Möglichkeit darstellen, uns zu sehen. Und dann ist es natürlich auch immer toll, herumreisen zu können und überall auf der Welt Freunde zu haben, die man auf diese Weise wieder treffen kann." T6 spielen auch immer wieder gerne Cover-Versionen. Hängt das mit den persönlichen Vorlieben zusammen? "Teilweise", schränkt Paul ein, "für gewöhnlich covern wir nämlich persönliche Favoriten wie Julian Cope, Devo oder Talk Talk. Und zwar als Reaktion darauf, dass wir immer als Country- oder Folkband bezeichnet werden. Weil wir akustische Instrumente spielen, erwarten die Leute immer, dass wir Townes Van Zandt-Songs spielen sollen. Er ist toll, aber ich habe mehr Julian Cope-Scheiben als Townes-Alben. Cope, Mission To Burma, die Triffids oder Bands wie diese - das ist unsere 'Roots Musik'." Welche Rolle spielt eigentlich Jon Hyde, der "dritte Mann"? "Er bereichert unsere Musik durch seine instrumentalen Fähigkeiten und ändert sie dadurch auch", erklärt Paul, "wir haben mit Jon jetzt eine Weile zusammen gespielt, und gerade auf der letzten Tour fühlte sich das an wie eine Band - und nicht wie zwei Leute, die von anderen unterstützt werden. Wir erstellen den Rahmen unserer Musik und Jon ergänzt das durch seine Vorschläge und Beiträge." Gibt es konkrete Zukunftsvisionen für T6? "Eigentlich nicht", schmunzelt Paul, "denn selbst, wenn wir ein größeres Budget hätten, würden wir eigentlich das Gleiche machen. Was wir machen, ist das, was wir lieben. Und abgesehen davon, dass wir die Qualität erhöhen möchten, wollen wir eigentlich nichts ändern..."
Weitere Infos:
www.rodeosatellite.com
de.wikipedia.org/wiki/The_Transmissionary_Six
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Transmissionary Six
Aktueller Tonträger:
Radar
(Glitterhouse/Indigo)
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