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YO LA TENGO
 
Song um Song
Yo La Tengo
Hamburg, Hotel Atlantic. Ein Ort, an dem die Welt noch in Ordnung ist. Nichts ist zu spüren vom Trubel um die Fußballweltmeisterschaft, die an diesem sonnigen Junitag eröffnet wird. Udo Lindenberg, der der Legende nach bekanntlich in der edlen Bettenburg wohnt, sitzt mit Sonnenbrille und Hut in der Lobby und spricht bedeutungsvoll in sein Mobiltelefon. Wir sitzen ein paar Meter weiter mit Ira Kaplan, Georgia Hubley und James McNew von Yo La Tengo zusammen, die ihre kleine Festivaltournee durch Spanien und Italien unterbrochen haben, um der deutschen Presse ihr neuestes Album "I Am Not Afraid And I Will Beat Your Ass" zu erklären.
Der Titel ist übrigens nicht das einzig Sperrige des neuen YLT-Werkes. Eingerahmt wird das seit Langem vielschichtigste und experimentellste Album des Trios aus New Jersey nämlich von zwei epischen Songs an der ominösen Zehn-Minuten-Schallmauer, die nicht jedermanns Sache sein dürften. Dazwischen jedoch wagen die drei Amerikaner viel und gewinnen noch mehr: Neben der Psychedelik der Mammutsongs gibt's auch ohrwurmige Folkpop-Songs, unverfälschte Garagenrocker und vor allem auch einige clever und präzise arrangierte ruhige, Piano-lastige Songs, mit denen YLT zwar nicht unbedingt Neuland betreten, aber dennoch beweisen, dass sie immer noch viel mehr wollen, als nur die eigene Legende zu konservieren. Ob der Vielschichtigkeit der Platte schien es Gaesteliste.de ratsam, das Album mit Georgia und James (Ira war derweil anderweitig beschäftigt) Song für Song durchzugehen.
"Pass The Hatchet, I Think I'm Goodkind"

- gleich zu Beginn: Knapp elf Minuten Yo la Tengo pur

James: "Pass The Hatchet" war praktisch fertig, nachdem wir es zum allerersten Mal gespielt hatten. Direkt beim ersten Mal, als wir an diese Nummer dachten, konnten wir alle sie schon vor unserem geistigen Auge sehen. Bevor wir sie dann zum zweiten Mal gespielt haben, schlug Georgia vor, dass Ira die zweite Strophe etwas anders singen sollte, aber das war's dann auch schon. Später kamen dann noch Handclaps und Tamburin dazu, und dann war wirklich alles im Kasten. Der andere lange Song am Ende, „The Story Of Yo La Tengo", war viel arbeitsintensiver, weil wir ihn strukturieren wollten, ohne dass es so klingen sollte. Das war nicht ganz einfach.

"Beanbag Chair"

- eine für Yo la Tengo ziemlich straighte Nummer, die aber durch den Bläsereinatz aus dem Rahmen fällt

Georgia: Dieser Song war von Anfang an sehr direkt. Lediglich bei den Aufnahmen hatten wir einige kleinere Probleme, und irgendwann entschieden wir uns dann, viel Gitarre hinzuzufügen. Bis wir dann zum Mixing kamen, wurde daraus ein ziemlich üppiges Werk. Manchmal fragst du dich dann, wie so etwas aus einem Zweieinhalb-Minuten-Song werden konnte und wie du das alles unter einen Hut bringen sollst. Die Nummer zu spielen ist dagegen wirklich einfach.

James: Die Bläser kamen zustande, weil Ira etwas mit dem kleinen Thema, das am Anfang gespielt wird, anstellen wollte. Er schlug vor, dass ich es auf dem Bass spielen sollte, daraufhin meinte ich, dass ich versuchen würde, es wie eine Posaune klingen zu lassen. Da war uns allen plötzlich klar: Eine Posaune muss her!

"Mr. Tough"

- die ohne Frage ausgefallenste, aber vielleicht auch beste Nummer des Albums, die ganz entfernt gar an The Sea And Cake erinnert

James: Von allen Songs auf der Platte bin ich mit diesem am glücklichsten. Allein schon deshalb, weil wir selbstbewusst genug gewesen sind, ein Stück zu machen, das für uns sehr ungewöhnlich und anders ist, und trotzdem dabei unsere eigene Identität, unsere eigene Persönlichkeit, nicht verloren gegangen ist. Der Song ist aus meinem lange gehegten Wunsch entstanden, endlich mal eine Kuhglocke zu verwenden. Ich liebe den Klang der Kuhglocke!

"I Feel Like Going Home"
"Black Flowers"

- zwei balladeske Songs, die nicht nur wegen des Streichereinsatzes einen ähnlichen Vibe haben

Georgia: Wir haben ja auch schon früher Streicher benutzt, aber damals waren sie viel integrierter. Im Falle von "Black Flowers" wussten wir sehr schnell, dass wir dem Song gerne eine üppige Orchestrierung geben wollten.

James: Als wir den Basictrack des Stücks aufnahmen, fiel uns allen auf, dass dort viele Freiräume existierten, die man noch würde füllen können. Ein wirklich ausgetüfteltes Streicherarrangement wie für diesen Song hatten wir ja auch noch nie zuvor ausprobiert.

"The Race Is On Again"

- einer der Songs, die beim ersten Hören am typischsten klingen und auch auf diversen früheren Platten einen Platz hätte finden können

Georgia: Natürlich kokettiert der Song mit unserer bekannten Folkrock-Seite, trotzdem gibt es von der Melodie und den Akkordwechseln her eine Menge ungewöhnlicher Dinge.

James: Natürlich ist die Nummer in erster Linie ein psychedelisch-angehauchter Gitarren-Folksong, aber zumindest das Gesangs-Arrangement ist wirklich Neuland für uns. Für uns war dies einer der Songs, der wirklich einmal etwas anderes war. Was ich dort spiele, ist etwas, das ich seit Jahren stets erfolglos versucht habe, auf die Reihe zu kriegen. Auch wenn ich zustimme, dass die Nummer recht typisch für uns ist, war sie doch etwas Besonderes.

"The Room Got Heavy"

- eine ziemlich verquere, Percussion-lastige Nummer, die durch mehrere Inkarnationen ging

James: Die Nummer hatte ihren Ursprung mit Schlagzeug, Bass und 12-saitiger Gitarre - ein irgendwie seltsam psychedelisch klingender Song. Die Originalversion erinnerte mich an die Band Pylon. Danach haben wir die Nummer einfach auseinandergeschraubt, haben die Gitarre weggelassen, dann den Bass, und ich habe stattdessen Bongos gespielt, und Ira wechselte zur Orgel. So haben wir angefangen, den Song von Grund auf neu aufzubauen.

"Sometimes I Don't Get You"

- eines der songorientiertesten Stücke des Albums, das fast schon klassisches Brill-Building-Songwriter-Format hat

Georgia: Das war eine weitere Klaviernummer, die Ira praktisch im Alleingang geschrieben hatte, bevor wir beide dazukamen. Es hat sich während der Aufnahmen kaum verändert.

James: Wir haben die Tonart verändert, sonst aber auch nichts. Ich weiß nicht, was ich dazu groß sagen soll. Ich habe zu dem Song eine bestimmte Assoziation im Kopf, zumindest für die Parts, die ich gespielt habe, aber ich möchte sie nicht unbedingt preisgeben.

"Daphnia"

- ein atmosphärisches Zwischenspiel, das hier unkommentiert bleiben soll.

"I Should Have Known Better"
"Watch Out For Me Ronnie"

- zwei authentische Sixties-Rocker, die sich gut hintereinander auf der Platte machen.

Georgia: "Watch Out For Me Ronnie" war einer der ersten Songs, der für diese Platte geschrieben wurde. Wir haben die Nummer eingespielt, ohne viel darüber nachzudenken. Wir haben nicht besonders hart daran gearbeitet, bevor es ans Mixing ging.

James: Das war ein Stück, bei dem einer von uns den kompletten Song anschleppte und jemand anders dann die zirkulierenden Parts hinzufügte, zu denen dann später Cello und Saxofon als Overdubs hinzukamen. Dieser Song hat sehr viel Spaß gemacht, weil wir uns wirklich gemeinsam hingesetzt haben, als wäre der Song eine Auftragsarbeit: "Oh, wie wär's denn hiermit?" - "Oh ja, das ist toll" - "Warte mal, dann könnten wir doch auch…" Den Song gemeinsam zusammenzusetzen, hat eine Menge Spaß gemacht.

"The Weakest Part"
"Song For Mahila"

- zwei weitere Songs mit einem ähnlichen Vibe, einmal uptempo, einmal balladesk, die beide sehr songorientiert sind und bei denen der Gesang im Mittelpunkt zu stehen scheint, auch wenn Georgia und James dem nicht wirklich zustimmen

James: Als wir "And Nothing Turned Itself Inside Out" veröffentlicht haben, wurden wir zum ersten Mal mit einer Menge Fragen zu unseren Texten bombardiert. Das war uns zuvor nie passiert. Der Grund dafür war sicherlich, dass die Songs etwas ruhiger geworden waren und man den Gesang einfach besser wahrnehmen konnte. Wenn du bei diesen beiden Songs den Gesang zentraler wahrnimmst, liegt das vielleicht auch nur daran, dass es davor die beiden schnellen, lauten Songs gegeben hat?

"Point And Shoot"

- eine ziemlich psychedelische Nummer mit ihrem 60s-Orgel-Sound und ihren „Ooh ooh"-Backingvocals der vielleicht schönste Popsong der Platte

James: Der Song hat eine Menge Veränderungen durchlaufen und war einer der wichtigsten Nummern bei der Entstehung des gesamten Albums. Er ist eines der ältesten Stücke der Platte und war ursprünglich für Piano, Bass, Schlagzeug und Gesang - das Gesangsarrangement existierte auch bereits sehr früh - konzipiert. Monatelang hatten wir den Song in dieser Form vorliegen, und erst am letzten Tag der Aufnahmen nahm er eine völlig andere Richtung. Georgia hatte die Idee zu dem Gitarrenpart, und das hat den kompletten Song verändert. Innerhalb eines Nachmittags wurde etwas völlig anderes daraus.

"The Story Of Yo La Tengo"

- zum Schluss: Zwölf Minuten Yo la Tengo pur

Georgia: Der Song musste einfach am Schluss stehen, genauso wie es außer Frage stand, dass "Pass The Hatchet" am Anfang würde stehen müssen. Beide Nummern haben typische Yo-La-Tengo-Qualitäten, außerdem wollten wir die beiden längsten Songs möglichst weit voneinander entfernt platzieren.

Weitere Infos:
www.yolatengo.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Michael Lavine-
Yo La Tengo
Aktueller Tonträger:
I Am Not Afraid And I Will Beat Your Ass
(Matador/Beggars Group/Indigo)

 
 

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