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DOWNPILOT
 
"Meine Muse mag die Freizeit"
Downpilot
"They Kind Of Shine" heißt das ausgezeichnete dritte Album von Downpilot, auf dem Mastermind Paul Hiraga den mit den beiden wunderbaren Vorgängern "Leaving Not Arriving" und "Like You Believe It" eingeschlagenen musikalischen Pfad konsequent weiterverfolgt und abermals die Grenzen zwischen Alt.Country und zeitlos schöner Popmusik verwischt. Entstanden ist das dritte Downpilot-Werk aber unter anderen Vorzeichen als die beiden vorigen Veröffentlichungen. Erstmals saß nicht Tucker Martine (Modest Mouse, The Decemberists, Laura Veirs) als Produzent an den Reglern, sondern Hiraga selbst. Außerdem nahm er die Platte in seinem neu eingerichteten Heimstudio auf. Um zu verhindern, dass er sich dort ohne Zeit- und Gelddruck zu lange mit den Songs beschäftigt und sie überproduziert, griff der Amerikaner zu einem Trick: Er vereinbarte eine sehr knappe Deadline mit seinem Label Tapete Records. So entstand die Platte letztlich innerhalb recht kurzer Zeit, auch wenn zwischen Hiragas letztem Album und "They Kind Of Shine" drei Jahre liegen. Die längere Veröffentlichungspause ist der Tatsache geschuldet, dass der Musiker, der im Oktober und November nebst Band auf ausgiebige Deutschland-Tournee kommt, viel um die Ohren hatte und lange nicht die richtige Inspiration zum Schreiben neuer Songs fand. "Meine Muse mag die Freizeit", erklärt er im Interview mit Gaesteliste.de augenzwinkernd.
Gaesteliste.de: Dein letztes musikalisches Lebenszeichen war die letztjährige "Sit Down And Sing"-Tour, die du gemeinsam mit Loney Dear und Josh Rouse bestritten hast. Wie siehst du die Konzerte rückblickend?

Paul Hiraga: Ich hatte eine tolle Zeit auf der Tour. Ins kalte Wasser geworfen zu werden und gemeinsam mit anderen Künstlern zu reisen, ist ein haariges Unterfangen, aber es funktionierte ausgezeichnet. Außerdem war es eine große Hilfe für mich, denn ich hatte zuvor eine Schreibblockade, und von anderen Songwritern umgeben zu sein, an ihrer Performance teilzuhaben und mit ihnen über unsere verschiedenen Karrieren als Musiker zu plaudern, war inspirierend. Das Highlight der Tournee war für mich die Begegnung mit Emil und Oscar von Loney Dear - was haben wir viel zusammen gelacht! Der Tiefpunkt war, dass die Scheibe unseres Tourbusses in Bremen über Nacht eingeschlagen wurde. Zum Glück wurde nicht viel gestohlen, aber es hat uns am fraglichen Morgen ganz schön die Stimmung vermiest. Und zu sehen, wie Josh Rouse nach zu viel Rotwein versucht, wie Michael Jackson zu tanzen, war auch nicht wirklich toll anzusehen.

Gaesteliste.de: "Like You Believe It" erschien nur ein Jahr nach "Leaving Not Arriving". Dieses Mal hat es etwas länger gedauert. Kannst du uns sagen, wie sich die neue Platte entwickelt hat, welche Songs zuerst geschrieben wurden, welche zuletzt?

Paul Hiraga: Es ist so, dass ich für jedes Album einen alten Song ausgrabe, der schon länger im Archiv geschlummert hat, für den ich aber bislang nie die richtige Präsentation gefunden habe. "28 1/2" war vor Jahren ein richtiger Rocker, aber das fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Die etwas schrullige Herangehensweise, die ich nun gewählt habe, holte den Song zurück ins Leben. "Rider" hatte ich während der Aufnahmen zu "Like You Believe It" begonnen, ohne die Nummer zu vollenden. Das ist auch der Grund, warum Tucker Martine bei dem Stück Schlagzeug spielt. "The Regrade" war der erste komplett neue Song für die Platte, auch wenn ich den Text noch etwas gären lassen musste. "Chelsea Turnaround" und "Carry The Water" waren die Partygäste, die als Letzte kamen.

Gaesteliste.de: "28 1/2" ist eine Adresse in Minneapolis, richtig? Das macht die Nummer gewissermaßen zu einem Pendant zu Grant Harts "2541", oder?

Paul Hiraga: Der Song ist eine Liebeserklärung an bzw. ein Requiem für ein Gebäude. 28 1/2 an der Kreuzung von 1st und 1st (Street und Avenue) war vor langen Jahren meine Adresse in Minneapolis. Es war ein Haus mit heruntergekommener Fassade zwischen vielen historischen backsteinernen Lagerhäusern am Ufer des Mississippi, am Rande der Innenstadt. Es war schon ein magischer Ort bevor ich einzog, ich habe dort viele seltsame Partys und eine sehr psychedelische Schwulenhochzeit besucht. Auf wundersame Weise kam ich an einen Mietvertrag und lebte dort, bevor es vor einigen Jahren verkauft wurde, um für einen Neubau Platz zu machen. Bevor die US Federal Reserve Bank den gesamten wunderschönen Häuserblock abreißen ließ, um einen riesigen Büroturm an seine Stelle zu setzen, befand sich noch ein erotischer Massagesalon in dem Gebäude. Ich bin über den Verlust des Hauses immer noch nicht hinweg. Es fiel zwar fast zusammen, es gab Mäuse und Ungeziefer und im Winter schneite es praktisch rein, aber ich habe nie an einem besseren Platz gelebt. Und weil du "2541" erwähnt hast: In dem Haus habe ich viel Zeit verbracht. Einige meiner besten Freunde wohnten dort, und wir haben immer diesen Song gesungen, während wir draußen auf dem Dach saßen, auf dem die Replacements sich für das Cover von "Let It Be" haben fotografieren lassen.

Gaesteliste.de: Die letzten Jahre hast du damit verbracht, dir ein eigenes Studio nicht nur selbst einzurichten, sondern im wahrsten Sinne des Wortes selbst zusammenzuschrauben. Wie kam es dazu?

Paul Hiraga: Ich habe angefangen, mich mit Vintage Electronics auseinanderzusetzen, weil ich keinen Gitarrenverstärker finden konnte, der so klang, wie ich mir das vorstellte. Mir selbst einen zu bauen, erschien mir machbarer, als ein Vermögen für einen gebrauchten auszugeben. Irgendwann machte ich dann einen Schlenker zur Studioelektronik und stellte fest, dass ich mir ein unglaubliches Heimstudio zusammenbauen könnte, wenn ich die Zeit investieren würde, die es brauchte, um sich das nötige Wissen anzueignen. Mit der Zeit wurde daraus ein eigenständiges Betätigungsfeld - das Ganze ist sehr kreativ und macht geradezu süchtig. Inzwischen kann ich die verrückten Wissenschaftler verstehen, die nie vor die Tür gehen und vergessen zu duschen oder zu essen.

Gaesteliste.de: Bevor du deine eigene Platte in deinem neuen Studio aufgenommen hast, gab es einen "Testlauf", bei dem du das - übrigens sehr schöne - Soloalbum der Wedding Present-Bassistin Terry de Castro ("A Casa Verde") aufgenommen und produziert hast...

Paul Hiraga: Die Sessions haben mir die Chance gegeben, mich mit meinen neuen Kreationen anzufreunden, was sehr viel Spaß gemacht hat. Ich hatte gerade eine Menge Aufnahmeequipment zusammengebaut, es aber noch nicht in einem musikalischen Rahmen benutzt. Also nahm ich mir die Zeit für Experimente und probierte verschiedene Kombinationen von Mikros, Vorverstärkern und Kompressoren aus. Letzten Endes musst du aber schnell reagieren und inspirierte Momente dann einfangen, wenn sie passieren. Schließlich ist es der Job des Produzenten / Tontechnikers, nicht im Weg zu stehen und die Kreativität zu begünstigen.

Gaesteliste.de: Für das Album hat Terry die Downpilot-Songs "Sodium" und "Like You Believe It" aufgenommen. Wie war es für dich, an Coverversionen deiner eigenen Songs mitzuwirken?

Paul Hiraga: Ich hatte mit Ter eigentlich ausgemacht, dass ich nicht an ihren Versionen meiner Songs mitwirken würde, aber ihre strikte Deadline machte den Plan zunichte. Die Songs waren für mich das härteste Stück Arbeit, weil ich noch so auf die ursprünglichen Versionen geeicht war, aber ich denke, letzten Endes ist es mir gelungen, sie neu zu interpretieren.

Gaesteliste.de: Du hast dir allerdings nicht nur dein eigenes Studio gebaut, sondern anschließend auch praktisch sämtliche Instrumente auf "They Kind Of Shine" selbst eingespielt...

Paul Hiraga: Als ich "Leaving Not Arriving" mit Tucker Martine aufnahm, erwähnte ich, dass ich gerne bei ein, zwei Songs Schlagzeug spielen würde. Er rollte nur mit den Augen und sagte, dass jeder Leadsänger auf seinem Album Schlagzeug spielen wolle. Ich wollte mich nicht streiten, sonst hätte ich ihm gesagt, dass ich früher schon Drummer in Bands war. Also blieb es dabei, dass Tucker Schlagzeug spielte. Aber dieses Mal war ich ja der Produzent und niemand konnte mich zurückhalten!

Weitere Infos:
www.downpilot.com
www.myspace.com/downpilot
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Amber French-
Downpilot
Aktueller Tonträger:
They Kind Of Shine
(Tapete Records/Indigo)
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