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Interview-Archiv

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OLLI SCHULZ
 
Gutes, verwirrendes Entertainment
Olli Schulz
Aus Olli Schulz wird man nicht so ganz schlau - und das scheint genau das zu sein, was er möchte. Es wird ihm gefallen, er wird es provozieren und er hat Erfolg. Denn was ist dieser Olli Schulz für ein Typ? Ein Liedermacher, ein Songwriter und Sänger, klar. Aber er ist sowohl Komiker als auch Kritiker, er ist traurig und fröhlich, er ist Gewinner und Verlierer, er ist Poet, Rebell und Punk. Auf seinem aktuellen Album "S.O.S." zeigt er viele seiner Facetten, im Radio und im Fernsehen gibt es noch ein paar obendrauf und auch im Interview zeigt er mehr als nur ein Ich. Wir treffen Olli Schulz in Hamburg in den Räumen seiner neuen Plattenfirma. Er ist nett, keine Frage. Er ist sogar sehr nett und natürlich auch ziemlich cool. Gleichzeitig ist er fast ein wenig kalt, gibt sich sehr von sich überzeugt und sitzt selbstbewusst am Tisch, freut sich aber gleichzeitig überaus herzlich über sein aktuelles Album, seine Situation und seine Freiheit.
Doch auch wir dürfen uns freuen. Nicht nur, dass die Platte so super ist. Sondern auch, dass es sie überhaupt gibt. "Die Platte heißt 'S.O.S. - Save Olli Schulz', weil ich eine Zeit lang gar keine Lust mehr hatte, Musik zu machen. Weil man so anderen Kram drum herum machen musste. Denn auch wenn ich wahnsinnig viel auf der Bühne rede, bin ich nicht so ein Labertyp. Ich find das immer sehr befremdlich, sich selber zu definieren und sich zu erklären. Ich finde, das mache ich alles mit meinen Platten." Doch der Kram war gestern. Heute ist er bei Trocadero unter Vertrag und macht sein Ding. "Ich bin glücklich", sagt Olli dann auch. "Ich mach keine Release-Party, ich mach nicht mal ein richtiges Video. Meine größte Genugtuung ist, dass ich bei einem so kleinen Label bin, das mir alle Möglichkeiten lässt, die Platte so zu machen wie ich will und ohne 'Wir müssen in die Charts'. Wenn ich da meine alten Kollegen vom Grand Hotel sehe, die ich sehr schätze und mit denen ich ein freundschaftliches Verhältnis pflege, da kostet eine Produktion mal schnell das zwei- dreifache und die müssen echt viel Promo machen. Was alleine Thees Uhlmann macht und durchs Land reist und hier labert und da labert, das könnte ich gar nicht mehr. Ich bewundere den für seine Energie. Oder auch Kettcar mit zehn Videos zu jedem Song und dann spielen sie fünfmal in Hamburg. Das wollte ich nie. Ich will den Leuten nicht auf den Geist gehen. Ich spiel nur einmal, sage 'Hallo, da bin ich, ich hab 'ne neue Platte und wenn sie euch gefällt, dann seid ihr herzlich eingeladen'. Und es ist eigentlich das schönste Kompliment für mich, dass mich jemand das so machen lässt und dass es Leute gibt, die dafür Geld zahlen und sagen 'Alles klar, haben wir Bock drauf'." Stichwort machen lassen. Olli machte in Ruhe, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und wartete auch mal, bis Frau und Kind geschlafen haben, ehe es ins Arbeitszimmer zum Schreiben ging. "Ich hab drei Jahre lang Songs geschrieben und Moses hatte immer mal Zeit gehabt und wir haben über die Jahre immer wieder was aufgenommen", blickt er zurück. "Am Ende hatten wir 40 bis 50 Songs und dann hab ich die rausgesucht, die ganz gut zusammen passen. Ein paar witzige, ein paar verstörende, paar traurige und dann haben wir es ganz ohne Druck zusammen gemixt. Ich hatte ja auch den Plattenvertrag bei der Sony nicht mehr und musste niemanden mehr etwas beweisen oder stand unter Leistungsdruck. Ich glaube, deswegen klingt die Platte auch so... lässig."
GL.de: Wann sollte man dein neues Album hören?

Olli Schulz: Das erste Mal abends und alleine. Man muss es einmal checken, dann kann man es immer hören und es für jede Tageszeit geeignet. Aber vorher braucht es einen Moment der Ruhe, an dem man das Album gut hören kann, es einmal für sich selber kapieren, wie wir das aufgenommen haben. Es ist ja erstmal sehr ungewöhnlich produziert und klingt nicht wie eine Highend-Produktion. Aber das war alles gewollt. Wir wollten keine Musik machen, wie das momentan alle Bands machen, die meiner Meinung nach alle gleich klingen. Es gibt gerade so einen deutschen Rocksound, aber da hatte ich keinen Bock mehr drauf. Das wollten wir auf alle Fälle nicht.

GL.de: Du sagst immer "wir".

Olli Schulz: Ich rede eigentlich immer von Moses Schneider, der das Album produziert hat, Schlagzeuger Ben Lauber und mir. Wir drei haben das Album gemacht.

GL.de: Aber es kam nie in Frage, euch einen Namen zu geben?

Olli Schulz: Nö, nicht wirklich. Obwohl die beiden einen großen Teil beigetragen haben. Vor allem Moses Schneider. Der wurde ja mal deutscher Rick Rubin bezeichnet, was natürlich Quatsch ist. Rick Rubin ist bei der Produktion ja gar nicht mehr da. Der kommt einmal im Monat und sagt "Ja, ist geil. Mach mal da leiser". Aber Moses Schneider ist wirklich jeden Tag da, sitzt mit dir im Studio und nimmt auf und verbringt Zeit mit dir, redet mit dir über die Songs, arrangiert mit dir. Deswegen sage ich "wir", weil es irgendwie unsere Platte ist.

GL.de: Waren es dann die beiden, auf die du gehört hast und die Einfluss nehmen durften oder gab es noch andere, die sich einmischen durften?

Olli Schulz: Eigentlich nur die beiden und ich. Es war ein ziemlich kleiner Rahmen dieses Mal. Wir haben die Gitarren und das Schlagzeug zusammen in einem kleinen Raum mit einem Mikro aufgenommen und so die Basics eingespielt. Dann haben wir ein kleines Studio gemietet. Da liefen dann die Songs, wir haben Freunde getroffen und die haben dann dazu Bass oder Gitarre gespielt und dann haben wir ganz Beatles-mäßig zwei Sessions übereinander geklappt. Es gibt dann einmal die Grundspur und einmal die Band, die drum herum spielt.

GL.de: War das von Anfang der Plan?

Olli Schulz: Ja. Ich hatte mal ein Nebenprojekt namens Bibi McBenson und das wurde auch in dieser Kabine aufgenommen und das hat so einen Spaß gemacht, dass ich gesagt habe, irgendwann müssen wir auch mal unsere Platte hier aufnehmen. Das ist so authentisch, man merkt, dass ich da wirklich am Mikro stehe und manchmal singe ich auch nicht perfekt, aber am Ende ist trotzdem alles so schmissig.

GL.de: Bist du also nicht so der Bastler, sondern der entspannte Typ nach dem Motto "Das ist zwar nicht sauber, klingt aber cool, das nehmen wir".

Olli Schulz: Ja, eher die Richtung. Das war aber bei den Platten davor nicht der Fall. Bei der "Warten auf den Bumerang" und "Es brennt so schön" hab ich total gefeilt und versucht es ganz besonders zu machen. Diesmal haben wir versucht, es durch eine organische Weise besonders zu machen. Auch mal Verspieler drin lassen. Es gibt Lieder, die hat Ben vorher grad einmal gehört hat und das klingt dann nicht ganz groovy, aber auf einmal dann hammergroovy, weil es eben so eigen ist. Moses schneidert sagt immer: "Drei Takes und dann ist der Song drin".

Olli Schulz
GL.de: Für wen machst du Platten?

Olli Schulz: Ich mach es in erster Linie für mich, weil ich gerne Musiker bin und wieder auf Tour gehen und neue Songs präsentieren wollte, aber natürlich auch für die Leute, die es interessiert. Doch das Schönste ist, wenn du einen neuen Song geschrieben hast und sitzt alleine zuhause mit deiner Gitarre im Schein deiner kleinen Schreibtischlampe und denkst "Wow, das ist ja cool" und dann spielst du die ersten zehn Male den Song alleine und das ist das Schönste.

GL.de: Meinst du, der Olli Schulz vor 20 Jahren würde dein Album mögen?

Olli Schulz: Ich glaube, der hätte es geliebt. Ich bin grad sehr zufrieden und ich denke, er würde es sehr mögen. Mit 14 oder 15 hab ich Die Ärzte gehört und da fand ich schon damals toll, dass das so Entertainer-Platten waren. Da waren mal ein ernstes Lied oder ein trauriges Lied und natürlich ein witziges Lied drauf und so ähnlich ist es bei mir ja auch. Ich sehe mich da schon in der Tradition von Künstlern, die unterhalten.

Am Ende des Interviews sprechen wir noch über seine aktuellen Promo-Fotos. Auf diesen liegt Olli Schulz auf der Couch, raucht und grübelt, es wirkt düster, seriös - aber auf einem Bild hat er einen Revolver im Hosenbund. Es war eine spontane Idee und niemand dachte daran, dieses Bild am Ende zu nutzen. Aber so ist es gekommen und Schulz ist es bewusst, dass es perfekt in seine Verwirrungs-Strategie passt. "Ich find es gut zu verwirren und nicht zu definieren. Jeder Künstler steht für etwas. Ich will einfach für gutes, verwirrendes Entertainment stehen." Das gelingt ihm ausgezeichnet. Kann man nicht anders sagen. Er sagt das übrigens mit einem fast schon verschmitzen Lächeln, er amüsiert sich über die Geschichte mit dem Revolver - und spätestens jetzt weiß man, dass man diesen Kerl mögen muss und er ein Guter ist. Doch ganz schlau? Wird man trotzdem nicht aus ihm...

Weitere Infos:
www.ollischulz.com
www.facebook.com/MeinOlliSchulz
www.myspace.com/ollischulz
Interview: -Mathias Frank-
Fotos: -Heiko Richard-
Olli Schulz
Aktueller Tonträger:
S.O.S. - Save Olli Schulz
(Trocadero/Indigo)
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