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LILY & MADELEINE
 
Dampf im Tank
Lily & Madeleine
Als Lily & Madeleine Jurkiewicz vor gerade mal einem Jahr ihre EP "The Weight Of The Globe" und kurz darauf ihr selbst betiteltes Longplayer-Debüt vorlegten, glaubten Fans und Kritiker zugleich zunächst mal an einen Irrtum. Es konnte doch - bitteschön - nicht möglich sein, dass ausgerechnet zwei Teenager aus der amerikanischen Provinz ein nahezu perfektes Statement in Sachen Songwriting ablegten, das sowohl musikalisch, wie inhaltlich, wie auch performerisch praktisch keinerlei nachweisbaren Makel enthielt. Immerhin versuchen das Legionen von Kollegen stets und immerdar und zumeist vergeblich. Doch in der Tat gab es kaum etwas daran zu rütteln, dass Lily & Madeleine genau dieses Kunststück geschafft und die Songwriter-Scheibe des Jahres vorgelegt hatten.
Wie aber würde das weiter gehen? Denn schon oft sind erfolgreiche Debütanten am den Ansprüchen des schweren zweiten Albums gescheitert. Kaum zu glauben also, dass nun - kein volles Jahr später - bereits ein zweites Werk der jungen Damen vorliegt, auf dem sie - scheinbar mühelos - nicht nur die Qualitäten ihres Debüts bestätigen, sondern sich obendrein musikalisch bereits deutlich weiter entwickelt haben. Was geht da eigentlich ab? Wie macht man so etwas?

"Wir hatten zugegebenermaßen noch Material von den Sessions zur ersten Scheibe übrig, das wir dann weiterentwickelten", verrät Madeleine, die ältere der beiden Schwestern, die - anders als bei den Gesangsparts, die Lily größtenteils anführt - repräsentationstechnisch schnell das Ruder an sich reißt, "und dann haben wir natürlich auch geschrieben, geschrieben, geschrieben. Wir schreiben eigentlich ständig an neuem Material, denn wir wollten unbedingt schnell ein zweites Album rausbringen." Das neue Album klingt ja ein wenig anders als das erste. Zwar machten Lily & Madeleine nicht unbedingt wahr, was sie ursprünglich ankündigten - nicht mehr ganz so düster und melancholisch rüberzukommen, nämlich -, aber es gibt z.B. deutlich mehr Up-Tempo-Nummern und die Arrangements sind feinsinniger und vielseitiger konzipiert. Lily & Madeleine arbeiten zusammen mit Kenny Childers (Gentleman Caller), wenn es um das Schreiben und Arrangieren von Songs geht. Wie ist denn da die Aufgabenteilung? "Für gewöhnlich kommt Lily mit einem Gitarrenpart oder einer Melodie zu mir - nur einer kleinen Idee für gewöhnlich - und ich füge dann einen Text hinzu, den ich mir neu ausdenke oder ich suche etwas heraus, an dem ich schon länger gearbeitet habe. Dann treffen wir uns mit Kenny Childers und arrangieren es. Er hilft uns auch, den Song zu entwickeln - etwa zu bestimmen, wie viele Strophen er haben soll oder so etwas."

Was hat denn dabei der Titeltrack zu bedeuten? "Running On Fumes" bedeutet schließlich im Englischen, auf den letzten Tropfen, mit fast leerem Tank zu fahren. "Ja schon, aber 'fumes' können viele Dinge bedeuten", erläutert Madeleine, "zum Beispiel 'fuming' wie in 'wütend sein' oder es können Dämpfe sein, die man riecht - zum Beispiel Parfüm oder eben die Dämpfe, die sich in einem leeren Tank befinden. Es gibt halt viele Bedeutungen, die sich auch in unserem Leben wiederfinden. Und es hört sich catchy an." Ja, schön und gut, aber wenn man mit einem leeren Tank fährt, dann sollte man doch besser eine Tankstelle aufsuchen, oder? "Ja, aber den Song habe ich über eine Freundin von mir geschrieben, weil es um eine Situation in ihrem Leben ging", meint Madeleine, "aber es kann sich auch auf mich und Lily beziehen, weil wir doch oft sehr erschöpft sind, wenn wir viel reisen und dann tatsächlich mit den letzten Reserven hantieren müssen." Der letzte Track der Scheibe, "Blue Blades", fällt auf seine meditative Art ein wenig aus dem Rahmen. "Also für mich passt der Song schon zu den anderen", widerspricht Madeleine, "weil wir ja gerade davon sprachen, unbedingt mit wenig Energie weiter machen zu wollen. Das Bild der blauen Klingen entspringt hingegen einem meiner Träume, von denen ich dachte, dass er seltsam sei und ohne Bedeutung und ich diese Bedeutung dann durch das Schreiben eines Songs ergründen wollte." Andere Songs wie "Hold On To Now" sind da schon konkreter, oder? "Ja, bei dem Song geht es um den Kampf, ein normales Leben zu führen und Veränderungen zu vermeiden - aber auch zu versuchen, seinen Horizont zu erweitern. Es geht darum, ein wenig davor Angst zu haben, andere Kulturen und Menschen kennenzulernen, weil sie fremd sind."

Musikalisch ist die Scheibe - wie gesagt - variantenreicher als das Debüt. Was hingegen geblieben ist, ist der faszinierende Harmoniegesang der Schwestern - bei dem angenehm auffällt, dass die beiden Stimmen (anders als in vielen vergleichbaren Stimmen) nicht einfach gedoppelt werden, sondern dass Lily und Madeleine durchaus unterschiedliche, sich aber komplimentierende Gesangslinien singen. "Also der Prozess ist schon recht natürlich", beschreibt Madeleine diesen, "es ist nur deshalb interessant, weil wir die Harmonien zusammen mit den Songs schreiben, ohne dann bereits zu wissen, wie genau die Melodie sein soll - weil wir uns etwa zwei Gesangsmelodien ausgedacht haben. Deswegen macht der Prozess des Song-Schreibens auch so viel Spaß - weil man z.B. verschiedene Ebenen hinzufügen kann, ohne selbst zu wissen, was die eigentliche Melodie ist." Was macht denn einen guten Song aus? "Ich denke, dass gute Songs vor allen Dingen Texte brauchen, die etwas für den Vortragenden und jeden Zuhörer aussagen", meint nun Lily, "ein guter Song muss nicht unbedingt eingängig sein, man muss ihn aber nachvollziehen können und er braucht deswegen eine bestimmte Struktur. Ein guter Song muss nicht unbedingt ein Popsong sein, aber ich denke, dass das die Songs sind, die die Leute einfach am liebsten mögen." - "Ja, aber jeder Song kann - je nach Zuhörer - eigentlich ein guter Song sein", ergänzt Madeleine, "für mich und Lily müssen wir aber schon damit zufrieden sein, wenn wir einen Song fertig stellen - er muss sich anfühlen, als gäbe es da eine tiefere Bedeutung und er muss auch unseren Freunden gefallen."

Das, was Lily & Madeleines Songs auszeichnet, ist der Umstand, dass diese auf mühelose Art simpel erscheinen. Und jeder, der sich schon ein Mal am Schreiben eines Songs versucht hat, wird bestätigen können, dass es wesentlich schwieriger ist, einen simplen als einen komplexen Song zu schreiben. "Wenn ich versuche einen Song zu schreiben, dann finde sich das schon ganz schön schwierig", führt Lily aus, "aber schließlich einigen wir uns auf irgendetwas und manchmal geht es dabei nur um die ganz kleinen Dinge, die verändert werden müssen, um ein Ergebnis zu erzielen, dass dann simpel klingt. Aber ich finde es schwierig. Man muss sich da schon bemühen." Wann ist ein Song denn fertig? "Wir wissen, wann ein Song fertig ist, wenn wir nicht mehr das Bedürfnis verspüren, etwas hinzufügen zu müssen", erklärt Madeleine, "manchmal editiert man einen Song immer und immer wieder und manchmal funktioniert es beim ersten Mal. Das Entscheidende ist, dass man sich wohl dabei fühlt und damit zufrieden ist. Dann ist ein Song auch fertig."

Lily & Madeleine
Wie entstanden denn die Arrangements auf der Scheibe? "Das passiert eigentlich im Studio", erklärt Lily, "wir haben dieses Mal ja sehr viel mehr Musiker beteiligt als beim ersten Mal und dann haben wir an drei Songs am selben Tag gearbeitet - da gibt es schon eine Menge Zutaten, die man unterbringen kann - Glöckchen, ein Echoplex-Gerät, Streichinstrumente - es hat sehr viel mehr Spaß gemacht, als beim ersten Mal." Welche musikalischen Inspirationen beflügeln Lily & Madeleine? "Lily und ich mögen eigentlich alle Arten von Musik", meint Madeleine und muss dabei einen Lachanfall unterdrücken - warum auch immer, "wir haben angefangen mit klassischem Rock'n'Roll, hauptsächlich von weiblichen Künstlerinnen. Heute sind Lily und ich von modernen, alternativen Acts beeinflusst. Zum Beispiel Arcade Fire, Arctic Monkeys, Edward Sharpe & The Magnetic Zeros und einigen lokalen Bands. Für dieses Album haben wir uns von französischen Künstlern wie Charlotte Gainsbourg und Air beeinflusst gefühlt. Wir mögen das, was Air mit ihren Soundtracks machen - so was in der Art wollen wir auch erschaffen." Haben Lily & Madeleine gezielt Rock-Songs für dieses Album geschrieben? Einige der Up-Tempo-Nummern scheinen jedenfalls darauf hinzudeuten. "Ich weiß nicht", meint Lily, "wenn die Leute das als Rock-Song bezeichnen wollen, ist das cool - aber wir kategorisieren unsere Musik eigentlich nicht. Wir wissen eh nie, wie wir unseren Sound beschreiben sollen, wenn die Leute uns danach fragen. Wir sind ja durchaus von Rockmusik beeinflusst und… ja, sicher haben wir hier auch mal Rocksongs geschrieben. Aber natürlich keinen Hardcore…" - "Für uns ist das ein interessanter Punkt in unserem Leben, an dem wir herausfinden, wer wir eigentlich sind", fügt Madeleine hinzu, "wir finden auch heraus, wie unsere Freunde ticken und wie sich diese Freundschaften entwickeln. Unsere Inspiration ist also diese Übergangsphase."

Was hat denn eigentlich dazu geführt, dass Lily & Madeleine Musikerinnen werden wollten? "Ich wollte eigentlich immer eine Musikerin werden, denn ich liebe Piano und Gitarre und was man damit tun kann. Es kam dann eines zum anderen und auf ein Mal hatten wir so etwas wie eine Karriere", erklärt Lily und Madeleine fügt hinzu: "Ich denke, dass uns die Entscheidung abgenommen wurde, denn damals dachten wir natürlich daran, auf's College zu gehen und ein Diplom zu erreichen - weil das ja nun jeder macht und sich das gut und richtig anfühlt. Ich hätte nie daran gedacht, eine Karriere als Musikerin zu haben - weil das so aussichtslos erschien. Und nun sitzen wir hier." In der Tat. Geht das denn so weiter? "Also momentan sind wir beide nicht auf der Schule, sondern nehmen Online-Klassen", gesteht Lily, "Madeleine wird aber ihre Universitätsausbildung wieder aufnehmen. Ich habe jedenfalls keinen Backup-Plan, was mich betrifft." - "Es ist ja auch so, dass man sich in den USA erst entscheiden muss, was man werden will, wenn man in seinen 20ern ist", ergänzt Madeleine, "wir hatten nun mal diese Möglichkeit, die sich uns bot und wollten diese nun auch nutzen. Ich persönlich sehe auch nicht, dass Lily und ich das für immer zusammen machen werden. Ich will ja auch zurück zur Schule. Aber ich denke doch, dass wir beide unabhängig voneinander weiter Musik machen werden, weil das eben das ist, was wir leidenschaftlich gerne machen." Was ist für Lily & Madeleine das Wichtigste des neuen Albums? "Nun, dass wir das machen konnten, was wir wollten und dass es sich richtig anfühlte", meint Lily, "ich mag die Vibes des Albums und es ist genau das, was ich machen wollte." - "Und ich mag die Tatsache, dass wir uns mit voller Energie der Promotion und der Unterstützung dieses Albums auf der Tour widmen können", fügt Lily noch hinzu, "und dass es uns zu diesem Zeitpunkt unseres Lebens repräsentiert." Dem ist nichts hinzuzufügen. Lily & Madeleine werden im November ihre erste richtige Tour in unseren Breiten bestreiten.

Weitere Infos:
lilandmad.com
lilymadeleine.bandcamp.com
www.facebook.com/pages/Lily-Madeleine/388036857941061
twitter.com/LilandMad
www.youtube.com/user/lilyandmadeleine
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Lily & Madeleine
Aktueller Tonträger:
Fumes
(Asthmatic Kitty/Cargo)
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