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THE POSIES
 
"Alles fühlt sich so frisch an!"
The Posies
Power Pop, Retro Pop oder gar Grunge - die Kategorien, in die The Posies gezwängt wurden, waren schon 1993 viel zu eng, als die Band ihren Meilenstein "Frosting On The Beater" und Hits für die Ewigkeit wie "Dream All Day" oder "Solar Sister" veröffentlichte. Jetzt sprengen die beiden Protagonisten Jon Auer und Ken Stringfellow die Genregrenzen vollends. Statt eines urwüchsigen "Band live in einem Raum"-Feelings und 60s-inspirierter Rhythmusgitarren bilden auf ihrer achten LP, augenzwinkernd "Solid States" betitelt, fließende Keyboards und bisweilen futuristisch anmutende Elektronik die Basis, an die Stelle von ungefilterter Rockband-Power und punkiger Attitüde tritt eine ausgetüftelte moderne Produktion, die für mehr Abwechslung und Subtilität sorgt. Gleichzeitig kommen mit tollen Gesangsharmonien und dem unverkennbaren Gespür der Amerikaner für eingängige Melodien mit Pop-Appeal auch alte Tugenden nicht zu kurz.
Fast 30 Jahre nach ihrem Debütalbum "Failure" gelingt den Posies ihre musikalische Neuorientierung mit fast schon erstaunlicher Souveränität und Leichtigkeit. Ein wenig überraschend ist das schon, schließlich hatte es die Band in den letzten Jahren nicht immer leicht. 2010 erschien ihr brillantes Album "Blood/Candy", doch weder die Platte noch die anschließende Tournee, in den USA sogar gemeinsam mit dem Seelenverwandten Brendan Benson, erreichten das Publikum, das sie verdient gehabt hätten. Einigermaßen desillusioniert gingen die Musiker in den Folgejahren eigene Wege, nahmen Solowerke auf, produzierten andere Künstler und kommunizierten bisweilen eher schlecht als recht. 2014 schmiedeten die beiden Bandgründer Auer und Stringfellow dann zwar erstmals wieder gemeinsame Pläne, doch wirklich zusammengeschweißt wurden sie durch einen tragischen Trauerfall - den plötzlichen und völlig unerwarteten Tod ihres langjährigen Drummers Darius Minwalla im Mai des vergangenen Jahres im Alter von nur 38 Jahren. "Es ist so seltsam. An den meisten Tagen bin ich davon überzeugt, dass er noch bei uns ist, dass es einfach nicht sein kann, dass er gestorben ist", gesteht Stringfellow im Gaesteliste.de-Interview. "Es war immer sehr spaßig mit ihm und eine Freude, mit ihm zu lachen. Er war aber auch sehr sensibel. Er hat seinen Vater schon früh verloren und ist mit seinen Schwestern, seinen Cousinen und seiner Mutter aufgewachsen - alles Frauen. In dieser Hinsicht hatte er eine wirklich gute Energie. Er hatte natürlich auch auf der Bühne eine unglaubliche Energie. Um ehrlich zu sein: Er konnte einfach nicht anders, als immer volle Kanne zu spielen. Die Welt ist ohne ihn ein sehr viel leiserer Ort." Wenige Tage nach unserem Interview mit Stringfellow erlag dann auch noch der frühere Posies-Bassist Joe Skyward im Alter von 57 Jahren einem Krebsleiden.

Minwalla hat auf der neuen Platte trotzdem seine Spuren hinterlassen. Gleich mehrere Songs handeln direkt oder indirekt von ihm. Auch die anderen Lieder sind zumeist nachdenklicher Natur, es geht um ernste Dinge wie Tod, Trennung und Verlustängste, die politische Lage weltweit ganz allgemein und in den USA im Speziellen, aber auch um den Willen, die kleinen Freuden im Leben zu genießen. "Unsere Texte haben ihren Ursprung immer in sehr persönlichen Dingen", erklärt Stringfellow. "Es gibt mehr soziale Kommentare auf dieser Platte, nicht nur Grübeleien über unser Privatleben, deshalb denke ich schon, dass sie recht zugänglich ist. Bei den Texten gilt aber immer: Das Thema muss mir nahegehen - und zwar ungemein. Die Texte müssen das vernünftig einfangen, es wirklich vermitteln."

Der neue Blickwinkel bei den Texten verlangte auch nach einer anderen musikalischen Umsetzung als bisher. Weil Stringfellow bei seinen Produktionen für andere oft mit elektronischen Programmings arbeitet und sich als Filmkomponist mit fantastischen Soundlandschaften beschäftigt, wollte er, dass das auch in den neuen Posies-Songs reflektiert wird. Probleme, seinen Mitstreiter von dieser neuen Marschroute zu überzeugen, die sie weiter denn je von ihren Wurzeln entfernte, gab es nicht. "Nein", sagt er, "überhaupt nicht. Jon und ich haben viel darüber diskutiert, was uns individuell interessiert und wie wir das auf dem Album würden unterbringen können. Wir hatten dieses Mal wirklich Zeit, Konzepte zu schmieden, etwas, das wir in unseren frühen Tagen immer gemacht haben, bevor wir in das Album/Tour-Hamsterrad geraten sind. Aber natürlich sind wir in der Tat weit weg von unseren Wurzeln. Zum Beispiel leben wir heute beide im Ausland. Die beiden Teenager aus einer Kleinstadt sind heute, nun ja, ziemlich weltgewandt. Wir haben nicht mehr die gleiche Angst, Unsicherheit und Naivität, die unsere frühen Platten überhaupt erst möglich gemacht haben."

Auf der neuen Platte geben sich die zwei experimentierfreudig wie nie. Das wohlüberlegte Tracklisting führt den Hörer von "We R Power" und "Unlikely Places", die sich anhören wie das gelungene Update dessen, was The Posies vor Jahren in voller Bandbesetzung gemacht haben, zu ziemlich abgedrehten Songs wie "The Definition" und "The Sound Of The Clouds", mit denen das Duo völliges Neuland betritt. Die Idee dahinter war, sich bei der Arbeit auch abwegigen Einfällen nicht zu verweigern. "Wir haben zu allem Ja gesagt, was sich ergab, und sind die ganze Zeit über offen für Ideen geblieben", unterstreicht Stringfellow und verrät gleich auch noch die entscheidende Maxime bei den Aufnahmen. "Das wichtigste Prinzip, das, was uns nach all den Jahren immer noch eine Band sein lässt, ist, dass wir alles akzeptieren mussten, was der jeweils andere zu unseren Songs hinzufügte. Wenn Jon mir Tonspuren und Parts für einen meiner Songs schickte, habe ich mir nicht nur einiges davon herausgepickt, nein, ich musste alles verwenden, und für Jon galt das Gleiche bei den Parts, die ich ihm für seine Songs schickte."

In vielerlei Hinsicht kehrten die beiden dafür zur "Wir machen alles selbst - und noch dazu zu Hause"-Arbeitsweise zurück, mit der 1987 ihr Debütalbum auf einem im Keller der Familie Auer installierten 8-Spur-Gerät entstanden war - auch wenn die Ergebnisse nicht unterschiedlicher klingen könnten. "Der größte Unterschied zu damals ist sicherlich mein eigenes Wissen über den Aufnahmeprozess", überlegt Stringfellow. "Als wir damals 'Failure' gemacht haben, war ich ein annehmbarer Bassist, ich konnte Gitarre spielen und singen. Jon war damals schon Tontechniker, noch dazu ein guter, ein toller Schlagzeuger, Gitarrist und Sänger. Ich war auf ihn angewiesen, damit die Platte entstehen konnte. Heute bin ich selbst Tontechniker, Mischer, Arrangeur - ich mache haufenweise Platten für mich und andere jedes Jahr. Zwischen Jon, mir und Frankie hat sich über die Jahre einfach eine Menge Studioerfahrung angesammelt.

Frankie, das ist Frankie Siragusa, der in Los Angeles das Studio theLAB betreibt. Stringfellow hatte mit ihm in der Vergangenheit bereits für verschiedene andere Projekte zusammengearbeitet, an "Solid States" war Siragusa allerdings nicht nur als Tontechniker, sondern gemeinsam mit Kliph Scurlock von The Flaming Lips auch als Schlagzeuger beteiligt. Die Entscheidung, die im Heimstudio zu zweit ausgetüftelten Basistracks abschließend mit echten Drums deutlich lebhafter zu gestalten, hatten Auer und Stringfellow letzten Sommer getroffen, nachdem es beim Versuch geblieben war, die neuen Songs bei einigen Konzerten in Holland und Belgien zu zweit mit Backingtracks zu spielen. "Zu den Laptop-Tracks zu spielen war ein bisschen seltsam", gesteht Stringfellow. "Außerdem hat das die Zuschauer ziemlich verwirrt. Wenn sie nur uns beide sehen, erwarten sie etwas, das intimer ist. Ganz abgesehen davon denke ich, dass wir nur mit einem Laptop etwas matt geklungen haben. Ich habe andere Künstler das machen sehen - Björk ist mit Backingtracks aufgetreten und es war toll -, aber wir haben die Dynamik des Schlagzeugs vermisst. Frankie spielt ja auch auf der Platte, deshalb war es ganz natürlich für uns, ihn auch mit auf Tour zu nehmen." Vor allem Stringfellow war in seiner Rolle als Sänger, Gitarrist, Keyboarder und Knöpfchendrücker bei den letztjährigen Auftritten etwas überlastet. "Ja, bei den Shows lastete zu viel auf meinen Schultern", bestätigt er selbstkritisch. "Deshalb ist der Laptop jetzt unter Frankies Kommando. Ich spiele immer noch Keyboards und Gitarre, aber wir versuchen, das Ganze bestmöglich zu optimieren. Es sollte jetzt nicht mehr allzu sperrig sein."

Siragusa war allerdings nicht die einzige helfende Hand von außen, auf die Auer und Stringfellow zurückgriffen. Den finalen Mix überließen sie lieber anderen. "Es war gut, dass jemand anders die Platte gemischt hat, damit weder Jon noch ich zu protektionistisch bei unseren eigenen Songs sein konnten", ist Stringfellow überzeugt. "Wir haben ja die Abmachung, keine Parts des anderen aus unseren Songs rauszuwerfen, aber das heißt natürlich nicht, dass man sie im Mix nicht ganz leise drehen könnte. Ein Mischer von außerhalb weiß nicht, wer was gespielt hat. Wenn er etwas mag, zieht er es nach oben. Ich habe damals Teile von 'Blood/Candy' abgemischt und ich denke, ich habe als Mischer große Fortschritte gemacht, aber wenn möglich vermeide ich es, meine eigenen Sachen abzumischen. Das ist ein bisschen so, als würde man sich selbst operieren."

Einen Großteil der Stücke mischte Tony Hoffer, der in der Vergangenheit bereits mit Belle & Sebastian, Beck, Air und, und, und zusammengearbeitet hatte. Was hatte sich Stringfellow von ihm erhofft? "Ich habe gehofft, dass er den Songs Hall hinzufügen würde - und das hat er auch getan", verrät er. "Um ehrlich zu sein: Als ich seine Abmischungen zum ersten Mal hörte, war ich ein wenig… ich hatte das Gefühl, es gäbe zu viel hiervon, zu viel davon. Ich war einfach nicht darauf vorbereitet, wie viel Größe und Dimension er den Songs hinzufügte. Nachdem ich Zeit hatte, mich damit auseinanderzusetzen, stellte ich fest, dass ich mich nur selbst klein machte, und konnte erkennen, was diese Mixe wirklich sind - ausladend, gewaltig und farbenfroh. Ich möchte erwähnen, dass wir auch mit Will Linton zusammengearbeitet haben. Auf seine Arbeit bin ich durch den Song 'God's Whisper' von Raury aufmerksam geworden - was für ein magisch klingender Track! Ich hätte gedacht, dass Willie vielleicht mehr psychedelische Effekte bei unseren Mixen verwenden würde, aber er hat ihnen nichts hinzugefügt, das nicht eh schon da war. Er hat sich lediglich darauf konzentriert, die komplexen Schichten der einzelnen Spuren perfekt aufeinander abzustimmen. Frankie hat auch eine Menge Stücke des Albums abgemischt."

Mit dem neuen Werk in den Händen machen The Posies auch auf der aktuellen Tournee einiges anders. Inspiriert durch Stringfellows Tournee gemeinsam mit Holly Munoz, die ihn letzten Herbst in den USA durch alle möglichen und unmöglichen Locations in Wohnzimmergröße führte, sind The Posies nach einer erfolgreich abgeschlossenen Europatournee derzeit in geheimer Mission in den Staaten unterwegs. Alle Shows finden in sogenannten Pop-up-Venues statt, das Kartenkontingent ist an allen Orten auf maximal 75 begrenzt, und nur wer ein Ticket erwirbt, bekommt den Ort des Konzerts genannt. Unter dem Strich bekommt das Publikum so einen unvergesslichen Abend in heimeligem Ambiente geboten, und es bleibt unter dem Strich sogar mehr für die Band übrig, als würde sie in halbleeren Rockschuppen spielen und anschließend die Gage noch mit Clubbesitzer und Bookingagent teilen müssen. Dass praktisch alle Konzerte der fünfwöchigen Tournee ausverkauft sind, unterstreicht, wie gut diese Idee für die Posies funktioniert hat.

"Ich sehe der Zukunft mit großem Enthusiasmus entgegen", sagt Stringfellow folgerichtig. "Alles fühlt sich so frisch an!" Dass die neue Lust an der Band dazu führt, dass die Platten des Duos in Zukunft nicht mehr nur im Fünfjahrestakt erscheinen, ist allerdings nicht sicher. Dafür fühlt sich Stringfellow viel zu wohl bei dem Gedanken, dass sich seine Band zwischen ihren Platten lange genug Zeit nimmt, um nicht auszubrennen." Was wünscht sich Stringfellow denn ganz konkret für die Zukunft? "Ich wünschte nur, dass mehr Menschen uns kennen", sagt er abschließend. "Aber ich hoffe, dass uns die neue Platte in dieser Hinsicht hilft!"

Weitere Infos:
www.theposies.net
www.facebook.com/theposies
twitter.com/theposies?lang=de
www.lojinx.com/de/artists/the-posies
en.wikipedia.org/wiki/The_Posies
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
The Posies
Aktueller Tonträger:
Solid States
(Lojinx/Alive)
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