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Interview-Archiv

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ANDREA SCHROEDER
 
Black is Black
Andrea Schroeder
Spätestens mit dieser dritten Veröffentlichung dürfte es klar sein, dass Andrea Schroeder so etwas wie eine schwarze Seele hat. Es ist nämlich nicht nur so, dass sie ein Faible für rabenschwarze Kleidung an den Tag legt, unter anderem in einem Studio namens "Darkroom" tätig ist, sich immer wieder die Farbe "Black" in ihre Songtitel mogelt, sondern vor allen Dingen bietet ihre Musik einen durchweg nokturnen Charakter, in dem einfach kein Platz zu sein scheint für Sonnenschein und Heiterkeit. Auch dann, wenn sie - wie in diesem Fall - mal nicht mit dem Meister der Melancholie, Chris Eckmann, zusammenarbeitet und selbst dann, wenn es mal richtig zur Sache geht, wie zum Beispiel im Titeltracks ihres übrigens auch nicht besonders lebensbejahend betitelten aktuellen Albums "Void". Dabei ist das Ganze in dem Fall übrigens keineswegs als Vorwurf zu sehen, denn das, was Andrea hier macht, ist von vorne bis hinten schlüssig, glaubhaft und nachvollziehbar, denn in all der zur Schau getragenen Düsternis und Bedrohlichkeit scheint sich Andrea keineswegs unwohl zu fühlen. Es ist wohl ihre Art, sich auszudrücken. Und dazu gehören ab sofort auch mal schmirgelnde Rock-Gitarren mit mächtigem Feedback, dräuende Chöre und unheilvolle "Streichereinheiten".
Musikalisch jedenfalls ist das neue Werk ein deutlicher Schritt nach vorne. Dabei erweitert Andrea auch ansonsten ständig ihren Horizont: "Wir sind neulich zum Hafengeburtstag von Luxemburg eingeladen worden, in der Philharmonie im Kammersaal mit einem Orchester zu spielen", berichtet Andrea, "und auf dem nächsten Album von Mick Harvey, 'Intoxicated Women', das er nach dem gerade veröffentlichten 'Delirium Tremens' auch wieder Serge Gainsbourg widmet, habe ich die Ehre, eingeladen worden zu sein, an ein paar Songs mitzuarbeiten und wir haben in Frankreich ein Video dafür aufgenommen." Damit erweitert sich sozusagen die musikalische Familie, in der auch Andrea Schroeder seit einiger Zeit integriert ist. So spielt auf dem neuen Album zum Beispiel die belgische Violinistin Catherine Graindorge mit, die zum Beispiel mit Hugo Race das Projekt Long Distance Operator betreibt. Der True Spirit-Drummer Chris Hughes ist allerdings hier nicht dabei. "Das war zeitlich nicht möglich, weil er viel mit Hugo Race unterwegs ist. Dafür ist aber dieses Mal Maurizio Vitale dabei, der schon auf dem Release Konzert von 'Where The Wild Oceans End' mit uns Gitarre gespielt hatte - er ist aber auch ein sehr guter Drummer, der in Neapel Musik studiert hat, und wir wollten gerne mit ihm zusammen arbeiten. Chris Eckman ist nach wie vor im Hintergrund betreuend als guter Freund unterwegs, aber er ist momentan so erfolgreich mit seinem Label Glitterbeat beschäftigt, dass er die Produktion zeitlich dieses Mal nicht machen konnte. Aber er hat uns Victor Van Vugt für das Recording und Mixing vermittelt, der jetzt nach Berlin gekommen ist und hier ein Studio hat." Victor Van Vugt ist ein alter Walkabouts-Alumnus, der schon oft hinter dem Mischpult saß. "Produziert haben ich und Jesper Lehmkuhl das Album zusammen mit Ulf Ivarsson, den wir in der Band von Thåström auf unserem ersten gemeinsamen Konzertbesuch 2009 in Schweden gehört haben."

Das alles erklärt freilich noch nicht dem Umstand, dass es auf "Void" dieses Mal unerwartet konkret zur Sache geht und zuweilen auch mal richtig laut wird. "Ja, ich mag's auch gerne, wenn's mal kracht", gibt Andrea zu, "man muss halt immer sehen, was die Songs benötigen bzw. welchen Ausdruck sie haben. Jesper und ich sind da auch sehr konform in der Vision, wo der Song hingeht. Und da wählt man dann natürlich auch die Musiker, die dazu passen, den Song bestmöglich weiter zu interpretieren." Das ist in dem Fall dann Pelle Ossler, der als zusätzlicher elektrischer Gitarrist aushilft. Hat Andrea denn eine bestimmte musikalische Vorliebe, die hier ins Spiel kommt? "Ich mag über Klassik, Rock, Jazz, Pop und Blues eigentlich etwas aus allen Richtungen", erklärt Andrea, "es gibt einfach zu viel gute Musik auf der Welt, um sich da festzulegen. Ich finde überall etwas, was mich fasziniert." Und wie kommt man dann zu einer Entscheidung, den Stil betreffend? "Wenn man ein Album macht, muss man erst mal sehen, welcher Song entsteht, und dann muss man finden, was der Song braucht, um ihm den Ausdruck zu verleihen, den man ihm gerade geben möchte. Da kann man eigentlich auf alles zugreifen, was man in der Erfahrung hat und alles, was die Musiker einbringen. Es ist auch sehr spannend, die Harmonien, die Arrangements und die Basis so aufzubauen, dass die Gäste noch kreative, freie Möglichkeiten haben." Insbesondere Andreas Partner Jesper Lehmkuhl sieht sich dabei eher als eine Art Orchesterleiter denn als Musiker. "Ja, er macht schon sehr lange Musik und er hört auch immer schon im Kopf, wie die Instrumente harmonisieren können", bestätigt Andrea, "er hat ein unheimlich gutes Gespür für Harmonien und 'ohrwurmige' Melodielinien."

Gab es denn - inhaltlich oder musikalisch - ein Thema, als die neue Scheibe entstand, oder ist es eher eine Songsammlung, die gut zusammen passt? "Also es ist kein Konzeptalbum", erläutert Andrea, "es sind eher die Songs, die in den letzten Jahren entstanden sind und die wunderbar zueinander passen. Lediglich 'My Skin Is Like Fire' ist ein sehr alter Song, den wir oft live gespielt haben und der jetzt endlich mal den Weg auf eine Scheibe gefunden hat." Unter einem bestimmten Thema? "Ich denke, dieses Album ist eher beeinflusst von weltlichen Geschehnissen als von innerweltlichen Reflektionen", antwortet Andrea. Und in der Tat lassen sich hier konkrete politische Themen wiederfinden - wie zum Beispiel das vertonte Flüchtlingsdrama "Little Girl". "Der Song entstand eines Morgens", führt Andrea aus, "nachdem ich hier in Berlin ein kleines Mädchen sah, das mit ihrer Mutter im Park schlafen musste. Die Stadt war zu der Zeit gefüllt von Fliehenden vor Krieg und in großer Verzweiflung. Aus meinen Sorgen und Gedanken ist der Song entstanden." Das ist vielleicht ein interessanter Aspekt, dass aktuelle politische Themen nach einer Zeit der relativen Resignation auch wieder Einzug in das Themenspektrum der zeitgenössischen Songwriter findet. "Ich denke, das lässt sich fast gar nicht vermeiden, weil die Thematik auch so stark ist, dass sie einen persönlich mitnimmt", überlegt Andrea, "und alles, was man miterlebt, natürlich auch in die Texte und die Musik einfließt." Liegt es also vielleicht auch an den aktuellen Themen, dass auch das Album "Void" wieder so düster geworden ist? "Ich glaube, das ist irgendwie meine Ausdrucksform", meint Andrea, "denn Kunst oder Kreativität drückt sich in unterschiedlichsten Wegen aus. Und ich selbst, aber auch Jesper und meine Musiker können sich eben am besten in dieser Form ausdrücken. Es ist nicht gewollt oder bewusst, dass wir etwas Düsteres machen wollen, sondern es ist tatsächlich so, dass die Songs, die entstehen, eher düster enden." Ist es also im Falle von Andrea Schroeder auch so, dass eher die Musik bestimmt, wo es hingeht - und nicht so sehr der Kapitän? "Ja, auf jeden Fall", bestätigt sie, "es ist auch immer spannend, wenn die Musiker dazu kommen und die ihre Ideen beisteuern und ihren Beitrag leisten. Jeder hat ja auch andere Erfahrungen oder fühlt anders zu dem Thema, um das es geht, oder kommt aus einem anderen musikalischen Hintergrund und fügt dann diese Erfahrung durch sein Instrument hinzu. Der Song entwickelt sich dann durch die Beiträge der Musikern mit vollkommen neuen Farbnuancen weiter. Das ist schon faszinierend."

Wonach sucht Andrea selbst in einem Song? "Er muss mich in irgendeiner Weise berühren", überlegt Andrea, "inhaltlich lässt sich das gar nicht immer fassen, denn es können ja auch textlich einfache Songs berühren. Der Hörer füllt dann diese wenige Worte mit Inhalt. Oder die Musik vermittelt das." Das heißt also, dass Andreas Songs eher ein Angebot sind, als dass sie ein Statement darstellen? "Es muss offen sein für persönliche Interpretationen", bestätigt Andrea, "deswegen mache ich gerne Musik: Um dem Hörer etwas zu geben, das dieser dann mit Inhalten füllen kann. Ich möchte auch gar nicht immer sagen, worum es hier und da genau geht - weil es für jeden anders sein kann. Wenn es zu konkret wird, dann ist das für mich eher immer schwierig." Ist das der Grund, warum Andrea typisches Storytelling in ihren Songs vermeidet? "Vielleicht kann ich das auch einfach nicht gut genug", meint sie zögerlich, "wenn ich etwas schreibe, dann in einer anderen Form. Ich finde es toll, wenn andere Musiker das können - Geschichten zu erzählen -, aber das scheint nicht meine Stärke zu sein." Das sollte ja gar kein Vorwurf gewesen sein - aber es stellt sich dann die Frage, worin Andrea die Funktion ihrer Texte sieht. "Also ich setze mich nicht hin, weil ich über dieses oder jenes Thema schreiben will, sondern ich schreibe erst mal", erläutert Andrea, "in dem Moment, in dem ich es schreibe, kommt es aus meinen Erfahrungen heraus - durch Dinge, die ich erlebt habe. Und diese verändern sich dann - je nachdem, wer es hört. Das ist wie bei vielen Gedichten in der Lyrik, die wirklich jedem Möglichkeiten geben können, sie für sich selber zu nutzen." Andreas Texte sind also als Gedichte zu verstehen? "Ja", bestätigt sie, "die meisten Songtexte sind auf Basis von Gedichten oder Gedanken, die ich aufschreibe." Dabei greift Andrea auch auf die Gedanken anderer zurück. Der Song "Was Poe Afraid" basiert zum Beispiel auf einem Gedicht von Charles Plymell. "Ja, ich habe Charles Plymell 2008 persönlich kennengelernt", erinnert sich Andrea, "Charles ist ein echter Underground-Beat-Poet aus der Generation von Ginsberg und Keruac, er hat ursprünglich zum Beispiel auch die allerersten Comics des Zeichners von Fritz The Cat herausgegeben und diverse Bücher geschrieben, die auch in der deutschen Übersetzung erschienen sind. Wir begannen damals eine Zusammenarbeit. Er hat mir dann Texte geschickt, die ich vertonen konnte. Der erste war 'Galaxy Of Blue', das wir bisher aber nur live spielen, dann 'Bebop Blues' und 'Rattlesnake'. Und 'Was Poe Afraid' ist ein großartiges Gedicht von ihm, welches ich zuerst auf einem Literaturfestival bei einer Lesung von ihm gehört habe. Charles hat es auch zusammen mit Mike Watt, der Bass live dazu spielte, auf seiner Anti-Bush-Tour vorgetragen. Ich fand es schon in Gedichtform immer sehr beeindruckend." Es passt ja auch letztlich hervorragend in Andreas Nachtschatten-Universum.

Was aber ist Andrea musikalisch selbst am Wichtigsten bei dem neuen Album? "Durch die Auswahl von Ulf Ivarsson als Produzent hatten wir jemanden an unserer Seite, der einen starken Focus auf Rhythmik legt. Ulf hat eine unglaubliche Energie und großartige Ideen", führt Andrea aus, "er hat auch viel vorab mit uns in der Berliner Basisband (Jesper Lehmkuhl - Gitarre, Dave Allen - Bass, Maurizio Vitale - Drums, Mike Strauss - Keys und mir selbst an Gesang und Harmonium) geprobt, sich reingehört und wir haben Ansätze und Ideen ausprobiert, wie man die Songs optimieren kann. Denn es war mir diesmal sehr wichtig, dass die Songs im Fluss sind und von einem durchgehenden Rhythmus-Fundament getragen werden." Was musikalisch dann noch auffällt, ist der Umstand, dass Instrumente wie zum Beispiel eine Lapsteel Gitarre oder ein Geige oder Viola keineswegs genretypisch eingesetzt werden, sondern vielmehr tendenziell eher sogar zur Klangerzeugung dienen - so dass man am Ende als Hörer gar nicht mehr ausmachen kann, was jetzt wie klingt. "Ja, und zwar weil die Musiker so die Möglichkeit haben, sich unterschiedlich auszudrücken", erklärt Andrea, "sie arbeiten unglaublich toll mit Effektgeräten. Catherine spielt zum Beispiel nicht einfach immer nur die Geige, sondern produziert manchmal geradezu symphonische Klänge - oder manchmal auch nur ein schrilles Kreischen. So spürt man in 'Drive Me Home' zum Beispiel richtig, wie die LKW vorbeifahren. Und es ist auch großartig, wie Kristof Hahn die Lapsteel Gitarre spielt. Er kann gefühlvolle Soundscapes erzeugen - aber auch unglaublich brutal loslegen. Und Pelle Ossler produziert einen wuchtig-rauhen ungezügelten E-Gitarrensound mit lyrischen Momenten." Was war bei dem neuen Album dann letztlich die größte Herausforderung? "Das neue Album haben wir sozusagen 'von unten' aufgebaut... wie ein Haus, das man vom Keller her aufbaut", erklärt Andrea, "das letzte Album war live gleichzeitig eingespielt und dieses haben wir vom Fundament aufgebaut, um mehr Kraft in die Basis zu legen. Der Prozess war ungewohnt aber nicht weniger spannend. Man hat während den Basisaufnahmen den vollständigen Song zwar im Kopf, aber kann noch nicht hören, ob am Ende des Gesamtprozesses auch tatsächlich das herauskommt, was man sich vorstellt. Erst am Schluss, wenn auch alle Gastmusiker draufgespielt hatten, war das Ergebnis sichtbar. Das war eine härtere Arbeitsweise... weil man mehr Zeit hat zu zweifeln."

Andrea Schroeder
Gut. Nun bleibt noch eine Frage: Auf ihren letzten Scheiben und auch live spielte Andrea bislang immer einige Stücke auf Deutsch. Dieses Mal jedoch gibt es nur englischsprachige Tracks. Warum? "Die deutschen Songs haben bei diesem Album nicht gepasst", meint Andrea bestimmt, "aber ich habe einiges an Material mit deutschen Texten für später aufgehoben und aktuell auch für ein anderes Projekt geschrieben. Und zwar habe ich mit 'Sällskapet' (= Die Gesellschaft) , einem schwedischen Projekt von Niklas Hellberg und Thåström , an dem auch Pelle Ossler, der auf 'Void' mitspielt, beteiligt ist, aufgehoben. Wir hatten überlegt etwas zusammen zu machen und sie haben mich gefragt, ob ich nicht mit Text und Gesang zu ihrem Album beisteuern wollte. Die Kompositionen sind von Niklas Hellberg und Pelle Ossler dazu passten großartig deutsche Texte. Aber das ist noch in Arbeit und wird wahrscheinlich im nächsten Jahr rauskommen. Und auf dem im Herbst erscheinenden Mick Harvey-Album "Intoxicated Women" mit Serge Gainsbourg-Interpretationen, hatte ich die große Ehre neben zwei englischen Songs sogar einen Song sogar in deutsch zu singen." Nun - bis dahin können wir uns dann ja erst ein Mal mit "Void" beschäftigen. Eine Tour ist für das Ende des Jahres geplant.
Weitere Infos:
www.andreaschroeder.com
www.facebook.com/pages/Andrea-Schroeder/15118275563
twitter.com/schroedermusic
www.youtube.com/c/andreaschroedersongs
www.instagram.com/andreaschroedermusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Andrea Schroeder
Aktueller Tonträger:
Void
(Glitterhouse/Indigo)
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