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EGOTRONIC
 
Onkel Torsun
Egotronic
Waren es auf "Egotronic C'est Moi!" vor zwei Jahren alte Songs im neuen Gewand, machen Egotronic jetzt den nächsten Schritt und veröffentlichen mit "Keine Argumente" ein komplett frisches Punkrock-Album. Ein radikales, ein politisches, ein konsequentes Album. Ein tolles Album mit toller Musik. Mit elektronischen Spielereien hier und da zwar, aber am Ende doch - krachender, roher, böser Punk. Und das nicht nur musikalisch. Natürlich nicht. "Deutschland, Arschloch, fick dich" heißt der Opener, "Deutschland ist, wenn Fascho-Cops gefeiert werden, Deutschland ist, wenn wieder Flüchtende sterben" in "Scheiße bleibt Scheiße". Torsun Burkhardt, ein Mann, ein Wort, ein Punk. Und ein unglaublich netter, sehr entspannter und sympathischer Zeitgenosse. Wir treffen ihn im Audiolith Records Büro in Hamburg, um unter anderem über die seiner Meinung nach "wahrscheinlich politischste Platte, die wir je aufgenommen haben" zu sprechen.
Torsun: Die politische Entwicklung der vergangenen Jahre hat mich fast dazu genötigt, solch ein Album aufzunehmen. Ich beschäftige mich die ganz Zeit damit und das fließt dann ganz automatisch in die Musik und in die Texte ein.

GL.de: Die Texte sind zum Teil ganz schön radikal.

Torsun: Die Lage hat sich verschärft und dementsprechend ist meine Rhetorik aggressiver geworden. Denn so lustig ist das ja grad alles nicht. Trotzdem gibt es aber auch lustige oder zynische Lieder.

GL.de: Hast du mal überlegt, gar nichts dazu zu sagen, weil ja eh alle wissen, wo du stehst?

Torsun: Nein, das habe ich nie überlegt, das stand nie zur Debatte. Ich hab den Punkrock ja früher auch dafür sehr gefeiert, weil die Leute damals - verbal natürlich - straight auf's Maul gehauen haben und mir war klar, dass ich auch so was mache. Diplomatie war nie meine Stärke, wenn mir was auf den Sack geht, spreche ich es an. Und ich würde mir wünschen, wenn sich noch viel mehr Leute viel heftiger äußern.

GL.de: Schreibst du eigentlich erst die Texte oder erst die Musik?

Torsun: Erst die Musik. Aber dann weiß ich immer noch nicht, über was ich singen will. Ich probiere dann meistens etwas aus und dann kommt eine Zeile und dann kommt der Text. Und wenn der Input so stark politisch geprägt ist wie dieses Mal, wenn die aktuelle Lage so ist wie sie ist, mit so viel Rassismus und deutschem Nationalismus, dann werden die Zeilen halt mal so, wie sie jetzt geworden sind.

GL.de: Schreibst du alleine?

Torsun: Weite Teile der Lieder habe ich mit Kilian (spielt seit 2013 Synthesizer bei Egotronic, d. Verf.) geschrieben. Wir haben die Songs arrangiert und Demo-Versionen aufgenommen und sind dann mit der Band ins Studio gegangen, da waren die Songs größtenteils schon fertig. Zwei Texte - "Scheiße bleibt Scheiße" und "An die Wand" - habe ich zusammen mit Manuel von Alles.Scheisze geschrieben, der meiner Meinung nach einer besten Texter gerade überhaupt ist und weil wir uns sehr ähnlich sind. Damit ist es übrigens das erste Mal, dass auf einem Album nicht jede Zeile von mir ist.

GL.de: Und wie fühlt sich das an?

Torsun: Find ich voll geil. Ich feiere seine Band richtig hart und dachte eh, dass ich Bock auf ein Feature hätte. Und als ich bei "An die Wand" den Refrain geschrieben hatte, aber nicht weiter kam, hat er mir Zeilen geschickt und daran hab ich dann wieder rumgewerkelt, das lief richtig super und da fühle ich mich auch nicht in meinem Narzissmus gekränkt, wenn nicht jede Zeile von mir ist.

GL.de: Schreibst du gerne Songs oder gehört das einfach dazu, wenn man Musik macht?

Torsun: Das war mein Traum. Ich schreib nicht mehr so viel wie Mitte der 1990e Jahre, als ich angefangen habe, elektronische Musik zu machen, da hab ich fast jeden Tag am Rechner gesessen und musiziert, aber ich mach es immer noch extrem gerne, Musik machen ist noch immer das Wichtigste auf der Welt. Was sich aber verändert hat: Früher wollte ich immer auf der Piste sein, touren, touren, touren und so viele Konzerte wie möglich spielen. Heute bin ich auch mal ganz froh, wenn ich mal zwei, drei Monate kein Konzert habe. Ich bin halt auch älter geworden. Und so toll Konzerte auch sind, ich habe nicht mehr so den Drang, im Mittelpunkt stehen zu müssen, ich bin ein bisschen abgeklärter und hab nicht mehr den ganz krassen Geltungsdrang. Mittlerweise könnte ich mir sogar vorstellen, mal ein Jahr gar nichts mit Musik zu tun zu haben, was früher undenkbar wäre. Selbst wenn es irgendwann nicht mehr mein Beruf wäre, ich würde nie ganz aufhören, Musik zu machen, da bin ich ganz sicher.

So richtig krass genossen habe ich das Ganze so 2008, als der Traum in Erfüllung ging, als die "Lustprinzip"-Platte rauskam und ich plötzlich damit angefangen habe, Geld damit zu verdienen, da habe ich mir oft gedacht, was ich für ein Glückskind bin und das denke ich heute noch, dass ich doch viel Glück hatte, dass es so gekommen ist wie es gekommen. Inzwischen ist die Band aber bei aller Leidenschaft eben auch ein Beruf.

GL.de: Bist du eigentlich die Band oder Teil der Band?

Torsun: Egotronic ist schon mein Baby, das wissen auch alle, die daran beteiligt sind. Inzwischen sind wir aber eine größere Gemeinschaft, in der jeder seinen Teil dazu beitragen soll und sich kreativ einbringen kann. Wobei ich trotzdem immer das letzte Wort haben werde und das bleibt auch so. Aber ansonsten ist es eine Band und es fühlt sich gut an, dass es mehrere Leute sind. Die anderen sagen immer, dass ich der Onkel bin... Ich hab ja Egotronic ursprünglich gegründet, weil ich von Bands die Schnauze voll hatte, weil ich mein Tempo machen wollte und es ist schwierig Leute zu finden, die dein Tempo mitgehen und dann gibt's irgendwann Streit und dann ist die Band schon wieder aufgelöst. Deswegen hab ich Egotronic gegründet, das ist an meine Person gekoppelt, ich schreib die Musik und die Texte, alles andere wäre - böse ausgedrückt - austauschbar. Aber das war mir wichtig, dass ich entscheide. Aber jetzt genieße ich es schon, dass es eine Band ist.

Egotronic
GL.de: Ist es eigentlich manchmal auch schwierig mit Freunden eine Band und damit eine Geschäftsbeziehung zu haben?

Torsun: Ja, das ist es. Man muss sich halt viel austauschen, sonst kann die Freundschaft auch drunter leiden, es bietet schon Konfliktpotential. Kilian ist wirklich ein guter Freund, wir sind schon zusammen in die Schule gegangen, aber als er eingestiegen ist, gab es schon Reibereien, wenn ich dann mal sagte, das muss so und so. Aber das ist das ein Ding von klaren Absprachen und dann klappt es auch gut mit Freundschaften.

GL.de: Auch Audiolith-Gründer Lars Lewerenz und Mitbetreiber Arthur Schock sind Freunde von dir.

Torsun: Ich habe Lars 2003 oder 2004 kennengelernt, aber da kannte ich schon viele von den Artists rund um das Label. Ich hab ja sogar mit einem Kumpel selbst ganz kurz ein Label gemacht, mit dem wir genau das machen wollten, was Lars dann gemacht hat. Wir hatte eine erste Compilation gemacht, da waren Juri Gagarin, Der Tante Renate oder Plemo drauf, also ganz viele Leute, die dann bei Audiolith waren, waren bei uns drauf - nur wir haben das Ganze gleich mit der ersten Veröffentlichung mächtig gut gegen die Wand gefahren. Irgendwann danach kam Lars, der das natürlich auch mitbekommen hatte, mich mit Plemo besuchen, wir haben uns sofort gut verstanden, gemeinsam abgehangen und am nächsten Morgen kam von Lars eine SMS mit so was wie "War voll cool, ich hab da eine Idee" und damit war klar, dass wir beim ihm veröffentlichen. Und ich würde nirgends woanders hingehen, denn das sind Freunde und sie stehen politisch voll hinter mir.

Ich hab damals ja Arthur und Lars sogar zusammen gebracht, als wir 2005 in Russland auf Tour waren. Arthur kommt ursprünglich aus Kasachstan und spricht fließend russisch, da ist er mit uns als Übersetzer mitgefahren und Lars war auch mit dabei und da haben sich kennengelernt. Nach der Tour hat Arthur dann für uns und dann für immer mehr Audiolith-Bands das Booking gemacht und jetzt sind die beiden quasi die Chefetage von Audiolith.

GL.de: "Keine Argumente" ist schon die achte Platte auf Audiolith.

Torsun: Es fühlt sich immer noch besonders an. Natürlich ist eine gewisse Routine an, es fühlt sich nicht wie bei der ersten an, aber dieses Mal war es wieder eine andere Zusammenarbeit. Wir waren im Studio von Franz Schütte von Jeans Team, was total toll war, weil ich die Band auch früher total verehrt habe. Dann war Rod von Die Ärzte als Produzent mit dabei und Die Ärzte war eine der ersten Bands, von denen ich früher richtig Fan von war und so was macht es dann wieder besonders, der Produktionsprozess, der Weg dorthin, wo wir jetzt sind.

GL.de: Ein Unterschied zu früher dürfte sein, dass du jetzt wahrscheinlich weißt, dass du eine tolle Platte gemacht hast und es nicht viele Verrisse geben wird.

Torsun: Ganz im Ernst? Am Anfang gab es nur Verrisse und es ging trotzdem immer weiter. Das erste Mal, dass ich mir Sorgen gemacht hab war, als "Die Natur ist dein Feind" rauskam und wirklich kein einziger Verriss kam (lacht laut). Ein guter Verriss gehört immer dazu. Aber ich bin schon zufrieden, wir haben das Beste rausgeholt, was möglich war, und wenn es dann den Leuten nicht gefällt, dann wäre es nicht so schlimm.

GL.de: Hätte es die neue Platte eigentlich auch ohne "Egotronic C'Est Moi!" gegeben?

Torsun: Ja, die hätte es gegeben, weil der Weg schon da so vorgezeichnet war. So eine Art Best Of-Platte war der Wunsch von Lars und wir wollten die Songs so live spielen, denn ich wollte schon damals dahin, ich wollte organischer klingen und mit Band ins Studio eine Platte aufnehmen. Das ist zwar viel teurer und aufwendiger und ein Riesending, aber es war schon geil. Die Stücke hatte ich ja im Verlauf von vielleicht einem Dreivierteljahr mit Killian geschrieben, aber der wirkliche Weg zur Platte war dann ein Monat, in dem man wirklich nichts anderes im Kopf hatte. Reuschi, unser Schlagzeuger, kam aus Köln und hat bei mir gepennt und wir haben jeden Tag zwischen fünf und acht Stunden geprobt, um die Versionen so zu machen, wie sie jetzt sind, hatten dann einen Tag frei und sind dann direkt ins Studio und haben aufgenommen.

GL.de: Dann war "Egotronic C'Est Moi!" der Zwischenschritt zu "Keine Argumente"?

Torsun: Nein, das war eher eine Ansage, "passt auf, so klingt es jetzt". Weil viele Leute sagen ja immer, "klingt doch mal wieder wie auf so und so" und wir dann so: Nö. (lacht).

Weitere Infos:
www.egotronic.net
www.facebook.com/egotronicband
Interview: -Mathias Frank-
Fotos: -Bastian Bochinski-
Egotronic
Aktueller Tonträger:
Keine Argumente!
(Audiolith/Broken Silence)
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