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JACK PEÑATE
 
"Ich möchte nicht, dass die Musik zum Job für mich wird."
Jack Peñate
Die Älteren werden sich erinnern: Vor zehn Jahren war Jack Peñate zumindest daheim in Großbritannien ein waschechter Popstar, der nach seinem Indiepop-Debüt "Matinee" (2007) und dem deutlich hochtrabenderen Nachfolger "Everything Is New" (2009) so populär war, dass seine Alben sogar in Supermärkten zu kaufen waren. Dann zog er sich zurück, und aus einer kurzen Auszeit wurde ein ganzes Jahrzehnt ohne neue Musik, ohne Konzerte. Jetzt kehrt der inzwischen 35-jährige Londoner ins Rampenlicht zurück, im Gepäck das Album "After You", mit dem er im Dunstkreis von Brit-Pop und Blue-Eyed-Soul mit allen möglichen Genres hantiert und sich so über jegliches Schubladendenken hinwegsetzt. Beim Pressestopp in Berlin ging es im Gaesteliste.de-Interview natürlich nicht nur um die neue LP, sondern vor allem auch um die zehn Jahre fern der Musikindustrie.
GL.de: Jack, wenn du auf die zurückliegenden zehn Jahre blickst - was ist die größte Veränderung?

Jack Peñate: Ich bin heute viel gelassener. Ein Jahrzehnt Abstand von allem hat mir die Möglichkeit gegeben, das zu reflektieren, was ich zuvor erlebt hatte, und zu begreifen, was die Musik- und die Unterhaltungsindustrie ist, und ich muss sagen: Ich finde das alles ziemlich komisch und weiß jetzt, dass ich alles nicht zu ernst nehmen darf.

GL.de: Ist das Gefühl der Gelassenheit auch der Erkenntnis geschuldet, dass für dich am Ende alles gutgegangen ist?

Jack Peñate: Ja, auf jeden Fall! Es ist nicht so, dass ich mich das ganze Jahrzehnt so gelassen gefühlt habe. Das ist ein neues Gefühl, das sich im letzten Jahr eingestellt hat, als ich wusste, dass ich ein weiteres Album hatte, das sich für mich wie etwas Besonderes anfühlte. Damit verschwand das Gefühl der Beklemmung, die Sorge, dass ich nie wieder eine Platte vollenden würde, und ein neues Gefühl namens Stolz nahm Besitz von meinem Körper und ich dachte: Oh, das gefällt mir, davon bitte mehr!

GL.de: Trotz der positiven Nebeneffekte - eine solch lange Pause war eigentlich nicht geplant, oder?

Jack Peñate: Nachdem ich die letzte Platte gemacht hatte, war ich müde. Ich wusste, wenn ich sofort zurück ins Studio gehe, würde nichts herauskommen, von dem ich begeistert sein würde. Anfangs war der Plan schlichtweg, mir etwas Zeit zu nehmen. Irgendwann kam aber der Punkt, an dem es mir nicht mehr reichte, allein für mich kreativ zu sein. Ich dachte mir: Scheiße, es wird Zeit, wieder ein bisschen Musik auf die Welt loszulassen.

GL.de: Was hat die lange Auszeit bei dir bewirkt?
Jack Peñate: Die Pause hat mir die Chance gegeben, mein Verhältnis zur Musik zu verändern und zu dem Zustand zurückzufinden, in dem ich mich als Teenager befand. Damals habe ich Musik allein deshalb gemacht, weil es für mich die helle Freude war, das zu tun. Es gab nichts Schöneres für mich, als daheim in meinem Zimmer mit meinem Tascam-4-Track-Gerät zu sitzen - das zeigt nebenbei auch, wie alt ich bin (lacht). Ich verspürte das dringende Bedürfnis, all den ganzen Bullshit hinter mir zu lassen und die mentalen Beklemmungen zu überwinden, die sich durch das Veröffentlichen von Platten bei mir aufgebaut hatten.

GL.de: Wie ist dir das gelungen?

Jack Peñate: Der beste Weg, das zu tun, ist, zum Ursprung zurückzukehren und dir kleine Heimstudios mit deinen eigenen Händen aufzubauen, Musik ohne Hintergedanken zu machen, mit Musikerfreunden abzuhängen und dir dabei keine Gedanken um die Kohle zu machen - und in der Tat auch kein Geld zu haben. Das alles bringt dich zurück zu deinen ursprünglichen Beweggründen, anstatt nur dein Ego zu streicheln. Letzteres ist ganz typisch für Künstler, und manchmal siehst du sie und fragst dich: Warum machst du das alles, wenn du doch offensichtlich keine Freude mehr daran hast? Auch einer dieser Typen zu werden, ist mein Albtraum. Ich möchte nicht, dass die Musik zum Job für mich wird.

GL.de: Hattest du denn das Gefühl, dass diese Gefahr besteht?

Jack Peñate: Wenn du ständig auf Tour gehst, begibst du dich gewissermaßen in ein Hamsterrad. Viele Künstler, die das seit 30 Jahren machen, entwickeln sich persönlich überhaupt nicht mehr weiter. Intellektuell und psychisch sind sie gefangen und immer noch auf dem Stand wie mit 21, als sie damit angefangen haben. Das sind die Musiker, die dann all die Jahre später immer noch von ihren Lieblingsbars erzählen, und ich habe eine Heidenangst davor, in solche Klischees zu verfallen. Deshalb habe ich mich alledem entzogen und bin raus und habe mir die Welt angeschaut, um so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln, die nichts mit meiner Arbeit und der Welt zu tun haben, in der ich gelebt habe, seit ich 20 Jahre alt war.

GL.de: Was hat die neuen Lieder musikalisch beeinflusst?

Jack Peñate: Das neue Album ist inspiriert worden durch Musik mit heilender Wirkung. Ich bin sehr von Gospel beeinflusst worden, viel von Chicago House und selbst von gregorianischer Musik aus dem 15. Jahrhundert: Musik mit Hoffnung. Wenn du zu diesem Gefühl vordringen kannst, wird die Produktion nebensächlich und es ist egal, ob du Akustikgitarren oder einen Elektron Drumcomputer benutzt. Wichtig ist, dass du mit diesem bestimmten Gefühl verbunden bist. Deshalb bin ich so stolz auf meine neue Platte, denn ich denke, dass mir damit genau das gelungen ist - in einer Vielzahl von Genres und mit einer großen Bandbreite unterschiedlicher Sounds.

GL.de: Ohne klare Rahmenbedingungen besteht allerdings die Gefahr, dass man endlos an einer Platte arbeitet, weil die Möglichkeiten unbegrenzt sind.

Jack Peñate: Absolut, und genau das ist mir passiert! Deshalb hat es zehn Jahre gedauert - es war geradezu lächerlich! Zu sagen: Wir sind eine Band mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und einem Keyboard und daran wird sich nie etwas ändern - das macht mich echt krank! Eine Weile habe ich 150 BPM-Techno-Zeugs gemacht, weil ich hoffte, dass mich das zu dem Gefühl bringen würde, nach dem ich strebte, und dann wieder habe ich Musik mit Flöten und Akustikgitarren gemacht, die klang wie aus dem Mittelalter. Es war verrückt und ich wusste nicht, welchen Weg ich einschlagen sollte, weil mir alles offenstand. Das hat den ganzen Prozess ohne Zweifel in die Länge gezogen, aber ich wusste auch: Wenn ich mit diesem Ethos ein Album machen kann, werde ich in Zukunft auch in der Lage sein, es erneut zu tun. Wenn du etwas einmal gemeistert hast, dann hast du es in der Tasche. Vielleicht brauchst du es nie wieder, aber es ist trotzdem gut, es in der Hinterhand zu haben.

GL.de: Den künstlerischen Durchbruch bei der Arbeit an der neuen Platte brachte der Track "Prayer". Was machte ihn besonders?

Jack Peñate: Egal, wie groß das Netz ist, das du auswirfst, sobald du auf das einzig Wahre triffst, weißt du es sofort, es ist unausweichlich. "Prayer" war für mich genau das. Ich schrieb das Lied, und es fühlte sich an wie etwas, das ich längst schon geschrieben hatte, auch wenn ich es noch nie gehört hatte. Es war schräg! Der Song erzählt die Geschichte auf so puristische Weise, dass ich nichts erklären muss. Mir wurde bewusst, dass, egal wie abstrakt ich sein wollte und wie sehr ich nach einem Vokabular außerhalb meiner Komfortzone suchte, die einfachsten Dinge manchmal genau richtig sind! Natürlich würde ich als Künstler lieber für meine grandiosen Ideen berühmt sein, aber manchmal kommt etwas deines Weges, das so simpel ist, dass du es einfach nicht ignorieren kannst. Deshalb ist der Song jetzt auch die erste Nummer der Platte: Er ist frei von Ego, ich versuche gar nicht erst, cool zu sein, und das einzige Ziel des Songs ist Kontemplation.

GL.de: Der Song zeigte dir auch, wie wichtig der Input deiner Mitstreiter ist, nachdem du anfangs lange allein an neuen Stücken gearbeitet hast, richtig?

Jack Peñate: Ja, aber ich wusste, dass ich erst dann zum kollaborativen Ansatz würde zurückkehren können, wenn ich für mich allein das erreicht hatte, was mir vorgeschwebt hatte. Es gibt auf dem Album den Song "Loaded Gun", den ich geschrieben und bis aufs Schlagzeug ganz allein eingespielt habe. Als das Lied fertig war, merkte ich: Das war das, was ich mir selbst beweisen wollte, denn ich wollte schon lange autark sein können, aber danach war es Zeit, die Tore zu öffnen. Als ich dann Paul Epworth bat, wieder mitzumachen, und er begeistert von der Idee war, füllte das das gesamte Projekt mit Leben.

GL.de: Letzte Frage: Was bereitet dir derzeit als Musiker besonders viel Freude?

Jack Peñate: Jetzt, da diese Platte draußen ist, ist für mich der Gedanke am aufregendsten, wieder ins Studio zurückzukehren und am nächsten Album zu arbeiten. Ich blicke nach vorn!

Weitere Infos:
www.jackpenate.com
www.facebook.com/jackpenate
twitter.com/jackpenate
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Jack Peñate
Aktueller Tonträger:
After You
(XL Recordings/Beggars Group/Indigo)
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