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CONCRETE BLONDE
 
Wahnsinn, Tod und Teufel
Concrete Blonde
Als Concrete Blonde Mitte der 80er Jahre mit ihrem selbstbetitelten Debüt auf den Markt stürmten, war das eine Scheibe, auf die man geradezu gewartet zu haben schien. Der Sound der Band - vollfette Schrammel-Gitarren, eine polternde Rhytmusgruppe und Johnette Napolitano's düsterer, ja geradezu bedrohlich wirkender Gesang - paßte genau ins gerade aufkeimende Gitarrenrevival und bot doch eine ganz besondere Note. Das mitreißende "Still In Hollywood", das auch in dem Jack Sholder Film "The Hidden" zu ehren kam, geriet dabei zu so was wie einem Trademark-Song der Band. Im Folgenden - auf "Free" und besonders auf "Bloodletting" - beruhigte sich die Soundlage jedoch in Richtung "düster" und "kontemplativ", weswegen die Band auch unter den Gothic Fans schnell ihre Freunde fand. Es folgten dann noch zwei Scheiben "Walking in London" und "Mexican Moon" und dann schien das Thema eigentlich abgehakt. Denn außer einigen obskuren Side-Projects - "Vowel Movements", eine CD mit Johnette und Holly Vincent und "Concrete Blonde & Los Illegals" - gab es nur hin und wieder Gerüchte aus dem Lager Napolitano & Co. Die neue CD - "Group Therapy" - kommt nun, nach satten 8 Jahren Pause, doch etwas überraschend.
"Wir waren ja acht Jahre lang keine Band", umschreibt das Johnette, "und wir hatten auch eigentlich gar keine Absicht mehr, als Band zusammenzuspielen. Insofern war das auch keine lange Pause..." Wie auch immer man es nennen mag: Was passierte denn zwischenzeitlich? "Das Leben", meint Johnette kurz angebunden, "ich habe in Mexico Kunst studiert, einen Trip nach Marokko unternommen, um die Jojouka Trommelei zu erlernen [der selige Brian Jones hatte bereits einmal ähnliches gemacht] und die Sufi-Lehre zu studieren. Daneben habe ich eine Scheibe mit Marc Moreland von Wall Of Voodoo gemacht, die 'Pretty & Twisted' hieß." Zu Wall Of Voodoo bestand immer schon eine enge Beziehung. Der Andy Prieboy Song "Wendy" war ein weiterer Eckstein im Oeuvre der Band. Marc Moreland ist übrigens am 13. diesen Monats in Paris verstorben. "Dann habe ich noch mit Jim Mankey [dem CB-Gitarristen] 'Concrete Blonde & Los Illegals' gemacht - eine Scheibe in spanisch und englisch", fährt Johnette fort, "und ich habe eine Band aus Mexico namens Maria Fatal produziert. Dann habe ich in ein wenig Computer-Technik investiert, damit ich meine eigenen Scheiben unabhängig erstellen kann - und ich bin eine ernsthafte Flamenco Tänzerin und studiere Cante & Baile [Gesang & Tanz]. Du siehst also: Ich sitze nie lange still." Nun gut, aber wie kam es zu der neuen Scheibe? "Ich denke, ich hatte eine unbewußte Vorahnung davon, was am 11.09. passieren würde - so wie Tiere manchmal ein drohendes Erdbeben oder einen Sturm fühlen können. Seither habe ich erfahren, daß viele Leute ähnliche Erfahrungen gemacht haben - also so eine Art überwältigendes Unheil, überwältigende Paranoia. Ich war davon überzeugt, daß etwas Schreckliches passieren würde. Ich befand mich in Jim's Haus in einem Zustand der Paralyse, Hysterie - ich betete und weinte. Jim weiß, daß ich nicht verrückt bin und war sehr besorgt. Er schickte mich zu einem Arzt und zu einem Psychiater. Ich hatte Albträume von Bomben, die auf Kinder und Frauen fallen - von zu Hause fliehen mußten, in einer Landschaft, die ich nicht wiedererkennen konnte. Irgendwie beschlossen wir, in diesem Wirrwarr zu sehen, was Harry [Rushnoff - das dritte CB-Mitglied] so machte. Harry war seit einem Jahr im Entzug und wir hatten ihn seit Jahren nicht gesehen. Wir beschlossen über einem Abendessen also spontan, es noch mal zusammen zu versuchen und zu sehen, was passiert. Wir haben uns schnell entschlossen - wenn wir länger drüber nachgedacht hätten, hätte das Projekt wahrscheinlich nie stattgefunden."
Was wurde denn bei der neuen Scheibe musikalisch anders gemacht, als bei den vorhergehenden Scheiben? "Wir haben mehr beim Songwriting zusammengearbeitet", erinnert sich Johnette, "Ich habe zwar zum Schluß ein paar Songs mitgebracht, aber wir haben im Juni viel herumprobiert, im Juli dann herumgefeilt und in 10 Tagen im August aufgenommen. Das war insofern anders, als daß ich früher immer fertige Songs mitbrachte, die dann erlernt werden mußten. Es war sehr schnell und intensiv - ich mag das. Es ist nicht unbedingt leicht für die Techniker und auch für uns, aber es ist totale Hingabe. Und ich mag diese ersten und zweiten Takes: Du hast zwar eine Struktur, kannst aber noch damit experimentieren und improvisieren. Es geht um die Balance und die Herausforderung dabei ist das Zeitlimit. Es hat uns zum Äußersten getrieben und das war essentiell wichtig für die Performance." Ist das auch der Grund für die Zwangsjacken auf dem Cover? (Das Album heißt ja "Gruppentherapie") "Wir hatten die Idee für die Zwangsjacken, weil wir uns damals alle in einem ziemlich fragilen Gemütszustand befanden", gibt Johnette zu, "wie gesagt: Harry war auf Entzug und in Therapie. Ich hatte damit gerade begonnen - wegen der irrationalen Angstzustände und Jim ging schließlich zu meinem Psychiater, weil seine Frau ihn am Tag unserer ersten Aufnahmen verlassen hatte. Die Fotos haben wir mit Edward Colver gemacht - einem legendären Fotografen aus LA. Er hat den elektrischen Stuhl mitgebracht - ein 'Stickley' - das ist die Firma die die ersten elektrischen Stühle gemacht hat. Edward hat eine ganz nette Sammlung von Balsamier-Tischen und Elektroschock-Anlagen aus den 50ern - faszinierendes Zeug. Er hat das aufgebaut und da wußten wir, daß wir unser Cover hatten." Ist der Song "When I Was A Fool" eigentlich autobiographisch? "Ja, das ist richtig", stimmt Johnette zu, "es war schwer, diesen Song zu schreiben. Ich glaube an die totale Wahrheit und Blöße in der Kunst. Es ist keine intellektuelle Sache. Es geht vielmehr um eine ganz unfaßbare andere Ebene. Meine erfolgreichste Arbeit - wenn es um die allgemeine Akzeptanz durch dritte geht - und das erstaunt mich - war immer die, die speziell nur für mich entstand. Das beweist für mich den gemeinsamen Verbindungsdraht, der die Menschheit zusammenhält. Und was den Song betrifft: Ich hatte mein Leben wie auf einem riesigen Kalender geplant. Aber wie John Lennon sagt: 'Das Leben ist das, was passiert, während Du andere Pläne machst.' Und auf einmal war ich 40, aber nicht bereit, meine Unabhängigkeit aufzugeben - nur weil da eine Alarmuhr klingelte und sagte: 'Nun mußt Du erwachsen sein und eine Mutter werden und bla bla bla ...' Ich war zwischen hier und dort - wo immer das sein mochte. Ich muß eingestehen, daß mein Leben nicht typisch ist und ich beziehe einen Großteil meiner Inspirationen von Frauen wie Georgia O'Keefe, Frida Kahlo, Emily Carr - Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen oder weibliche Gelehrte, die zu ihren Lebzeiten nie sozial akzeptiert wurden. Dieser Song ist zu meinem größten Erstaunen einer der populärsten der Scheibe."
Die Stücke von Concrete Blonde klingen meist wie Tracks aus dem Soundtrack eines "Film Noir". "Nun, das ist der Soundtrack meines Lebens", deutet Johnette das um, "ich gebe mich gar nicht erst ab damit, etwas aufzunehmen, daß KEINE Atmosphäre assoziiert. Ich weiß, daß meine/unsere Musik mich auf einen andere Ebene heben kann und ich hoffe, daß ich den Hörer mitnehmen kann. Ich arbeite seit einiger Zeit mit Danny Lohner von Nine Inch Nails an einigem unglaublichen, stimmungsvollen und wunderschönen (Soundtrack) Zeug. Ich hoffe, es wird irgendwann mal veröffentlicht." Eines der Themen, um die sich die Songs von Concrete Blonde immer wieder drehen, ist der Tod. Wie nimmt Johnette Napolitano den Tod wahr? "Ich bin eine Wahrsagerin [eigentlich sagt sie hier 'Clairaudient' - was soviel wie 'Wahrhörerin' bedeutet, was es aber nicht gibt, weswegen wir beim bekannten Begriff bleiben wollen] und ein Medium und ich weiß ganz sicher, daß es so was wie den Tod überhaupt nicht gibt", antwortet sie - dann doch nicht so ganz überraschend, "da gibt es gewisse Dinge, die wir hier auf Erden tun müssen, um unser Schicksal zu erfüllen während unseres Lebens. Das ist unsere Pflicht, so wie es Gottes Wille ist. Das beinhaltet zu wissen, wer Du bist. Du mußt wissen, wer vor Dir kam, in Deiner Familie und auch sonst. Die größte Tragödie ist die, daß jemand auf seinem Totenbett bereut: 'Warum bin ich nicht den Träumen gefolgt, die ich mit 20 hatte? Warum habe ich nicht meine große Liebe geheiratet? Warum habe ich nicht gesagt, was ich fühlte? Warum habe ich mich so sehr um die falschen Dinge geschert?'" Ganz schön harter Tobak. So ernsthaft sind Concrete Blonde aber nicht immer. Der Opener des neuen Albums, "Roxy", ist schlicht eine Hommage an Roxy Music. "Ja, wir haben das anläßlich der Reunion geschrieben", verrät Johnette, "die Zeile 'you're my Maggie May' [was wiederum ein Song ist, den Rod Stewart mal gesungen hat] ist dabei eine Metapher für eine schöne Frau, die älter ist, als derjenige, der den Song singt." Was nun wieder eine Metapher für Roxy Music und Concrete Blonde ist. Bei Concrete Blonde ist also nichts so, wie es scheint - und dennoch macht alles irgendwo Sinn. Das ist auch gut so, denn so bleibt ein wenig Mystizismus erhalten und der Hörer muß auch ein wenig Interpretationsarbeit leisten. In den USA kam das neue Album sehr gut an. Die laufende Tour war ausverkauft. Und so wird es wohl noch eine Weile dauern, bis wir Concrete Blonde auch hier bei uns mal live erleben können. Wenn nicht irgendeine Vorahnung dazwischen kommt.
Weitere Infos:
www.concreteblonde.org
blonde.vox.org
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Concrete Blonde
Aktueller Tonträger:
Group Therapy
(Manifesto/EFA)
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