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ELEMENT OF CRIME
 
Den Ball flach halten
Element Of Crime
17 Jahre sind seit der ersten Element-Of-Crime-Platte "Basically Sad" vergangen, und inzwischen ist die Berliner Band zu einer echten Institution geworden. Abgesehen von der unbestrittenen musikalischen Qualität liegt das wohl vor allem daran, dass der Weg der Elements gleichsam durch hohe Konstanz wie den Mut zur ständigen Veränderung gekennzeichnet ist. Denn auch wenn sich die Ziele und die grundsätzlichen Ausdrucksformen heute gar nicht einmal so sehr von denen vor 15 Jahren unterscheiden, nahm sich die Band dennoch die Freiheit, die Sprache zu wechseln - die ersten vier Alben erschienen bekanntlich mit englischen Texten, die folgenden sechs mit deutschen - und musikalisch auf einem vom Punk geprägten Grundgerüst mit Elementen aus Chanson und Zirkusmusik zu arbeiten. Nun erscheinen gleich zwei Retrospektiven (der Begriff "Best Of" sollte tunlichst vermieden werden) des Quartetts. Die erste umfasst die ersten vier Platten der Jahre 1985-1990, die zweite die ersten vier deutschsprachigen Werke von 1991-1996. Die letzten beiden Alben bleiben unberücksichtigt, weil sie zu neu sind, um wirklich in einer Retrospektive Platz zu finden. Keine neue Musik also, aber ein ausgezeichnet zusammengestellter Überblick über die Laufbahn der Elements - ausgewählt von Autor Detlef Kinsler, dessen EOC-Biografie ebenfalls dieser Tage im Hannibal-Verlag erscheint.

Die Retrospektive ist übrigens keinesfalls ein Anzeichen für Ermüdungserscheinungen. Schließlich war die im Frühjahr beendete Tournee zum zehnten Album der Band, "Romantik", die bisher erfolgreichste der Band, die ihr viele neue Fans bescherte. Da konnten sie sogar verschmerzen, dass Bassist Christian Hartje unlängst die Band verließ, nicht zuletzt deshalb, weil mit dem langjährigen Produzenten und Tourgitarristen Dave Young Ersatz in den eigenen Reihen gefunden wurde, der nun die aktuelle Besetzung mit Sven Regener, Jakob Ilja und Richard Pappik komplettiert. Gaesteliste.de traf Sänger/Texter/Gitarrist Regener und Schlagzeuger Pappik im Berliner Cafe Einstein und sprach mit ihnen über...

...DIE RETROSPEKTIVEN

Sven Regener: "Wir halten bei dieser Retrospektive den Ball flach. Das ist kein großes Ding. Es ist gut, dass es das gibt, aber es ist nichts Weltbewegendes! Der entscheidende Punkt ist: Der Hannibal-Verlag wollte dieses Buch machen, und sie haben uns gefragt, ob wir damit einverstanden wären. Wir wollten der Sache natürlich nicht im Wege stehen, aber es war nicht unsere Idee. Gleichzeitig hing uns die Plattenfirma immer mit einer 'Best Of'-Platte in den Ohren, das fanden wir gar nicht gut. Unser Gedanke war eher: Wenn jetzt schon dieses Buch herauskommt und die Leute über die alten Zeiten lesen, wollen sie vielleicht auch das ein oder andere Stück dazu hören, also wäre eine retrospektive Platte mit einer Zeitachse - alles chronologisch - vielleicht nicht schlecht. Wer die alten Alben schon hat, braucht sie nicht, für die anderen ist es vielleicht eine schöne Sache."

...DIE ANFÄNGE

Sven Regener: "Ein Hobby war die Band für uns nie. Wir haben zwar noch lange nicht davon leben können, bis 1989, also fast vier Jahre, aber wir haben nichts gemacht, das uns davon hätte abhalten können, auf Tour zugehen. Ich habe andauernd meine komischen Jobs gekündigt, weil ich Zeit für die Band brauchte. Sechs Wochen nach der Gründung der Band standen wir schon auf der Bühne, ein halbes Jahr danach haben wir die erste Platte aufgenommen. Wir waren damals schon ziemlich hartnäckig und haben auch nicht lange gefackelt. Wir haben nie gesagt: 'Immer schön sachte', wir wollten immer, dass die Sache wächst, wir wollten uns von Anfang an nie auf eine bestimmte Szene beschränken, das ging ja auch mit der Art von Musik gar nicht. Letztendlich wollten wir, dass jeder Mensch eine Platte von Element Of Crime zu Hause hat!"

...DEUTSCHE TEXTE

Sven Regener: "Mein einziges Problem bei deutschen Texten ist, dass mir das oft alles ein bisschen zu hoch gehängt wird. Was unterschätzt wird, ist der gute Klang. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es bei vielen Texten um gar nichts Spezielles und Besonderes geht. Es kommt darauf an, wie das, was man sagt, zusammen mit der Musik klingt, und das ist eine Wirkung, die man oft gar nicht auf dem Zettel hat. Songs appellieren ja immer auch an Gefühle. Deshalb halte ich auch die Vermischung von Politik und Musik für problematisch, weil in der Politik das Gefühl nichts zu suchen hat, weil sonst die Manipulationsmöglichkeiten sehr groß sind. Ich bin in der Politik mehr für Vernunft."

...AUSZEITEN

Sven Regener: "Man kann ja auch einfach mal ein Jahr Ruhe geben. Irgendwie ist es doch kindisch zu sagen, die Band ist aufgelöst - und dann kommt das Comeback. Da hätte man die Band doch gar nicht erst auflösen müssen! Warum sollte man eine Band auflösen? Wir sind doch kein Verein!"

Richard Pappik: "Der begleitende Gedanke war immer, dass es sofort für alle Zeiten vorbei sein kann. Es muss etwas da sein, das kickt, das einen miteinander weiterbringt, und das war eigentlich immer allen klar."

...COVERDESIGN

Sven Regener: "Wo steht geschrieben, dass jemand, der gute Songs schreiben oder der gut Schlagzeug spielen kann, sich auch mit Grafik auskennen muss? Es kommt darauf an, dass man dann jemand findet, dem man vertrauen kann, dem man sagen kann: 'Dirk, mach du das!' Bisher hatten wir drei Grafiker, die Dirk hießen. Ein Satz wie 'Dirk, mach du das' kommt uns also ziemlich leicht über die Lippen. Wir brauchen einfach jemanden, der mit Ideen kommt, auf die wir in tausend Jahren nicht kommen würden, die aber trotzdem zur Musik passen. Wenn wir sagen 'Dirk, mach du das' und Dirk kommt zum Beispiel mit einem Wohnwagen an, mit einem Herz oben drauf - hat er selber gebastelt. Und dann sagt er 'Ihr müsst da jetzt einsteigen, und dann wird man Strom finden müssen, und dann muss man das nachts fotografieren!' Und alle sagen: 'Dirk, das ist gut'!"

...INTELLIGENTE POPMUSIK

Sven Regener: "Ich wollte nie kluge oder anspruchsvolle Rockmusik machen - und das tun wir auch nicht, weil wir keinen Anspruch stellen. Wir wollen nur, dass die Leute sich amüsieren und dass sie unsere Musik gut finden. Und wenn das nicht bei jedem funktioniert, ist uns das auch recht. Deshalb konnte ich auch mit bestimmten Begriffen nie etwas anfangen. 'Intelligente Popmusik' ist zum Beispiel ein Widerspruch in sich. Kunst sollte nicht intelligent sein, sondern schön. Helga de la Motte, die Musikwissenschaftlerin, hat mal gesagt, dass sie Adorno nicht mag, weil der ihr den Begriff des Schönen in der Kunst genommen hat und durch das Wahre ersetzt hat, ihr aber nicht gesagt habe, was das Wahre sein soll. Und deshalb bliebe sie lieber beim Schönen, weil sie damit etwas anfangen könne und weil das die Domäne der Kunst zu sein scheint. Ich denke, da hat sie Recht. Ich mag Adorno auch nicht!"

Element Of Crime
...PLATTENFIRMEN

Sven Regener: "Bei Motor gibt es gute Leute, die nett zu uns sind. Sie quatschen uns nicht in die Musik hinein und lassen uns machen, was wir wollen - was kann man sich mehr wünschen? Ich brauche keine Plattenfirma als Therapeuten, ich brauche sie nicht als Ersatzvater, und ich brauche sie auch nicht als Musikberater. Sätze aus der Musikindustrie wie 'Wir müssen wieder mehr A&R machen' - da gehen bei mir alle Alarmglocken an! Dann weiß ich, dass die Stunde der Klugscheißer wieder schlägt. Letztendlich geht es darum, Leute zu finden, die genau ihre Arbeit machen. Wenn ich das selber machen wollte, würde ich selber eine Plattenfirma aufmachen. Aber das will ich nicht, ich will Musik machen. Ich kann jedem, der sich ernsthaft mit Musik beschäftigen will, nur davon abraten, eine eigene Plattenfirma aufzumachen, denn eine Plattenfirma ist eine Plattenfirma, ein Fischgeschäft ist ein Fischgeschäft und eine Band ist eine Band. Und genauso wenig wie es einen Grund gibt, als Band zusammen ein Fischgeschäft zu eröffnen, gibt es einen, gemeinsam eine Plattenfirma zu gründen. Das ist etwas völlig anderes, und das zu trennen ist klug."

...DAVE YOUNG

Richard Pappik: "Dave hat uns ziemlich überrascht. Als sich abzeichnete, dass Christian aussteigen würde, kam er zu uns und sagte: 'Ich will unbedingt Bass spielen! Ich hab mir vor vier Monaten auch schon zu Hause einen gekauft, aber das hab ich euch nicht gesagt.'"

...DIE ZUKUNFT

Sven Regener: "Wir haben ja jetzt einen neuen Bassisten, da muss man ein bisschen was machen. Diese neuen jungen Leute wollen ja dauernd spielen! Dem müssen wir natürlich auch ein bisschen Rechnung tragen, sonst läuft er uns wieder weg! Wir haben zwar keinen speziellen Zeitplan, aber die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir bald wieder neue Songs machen. Eigentlich befinden wir uns aber noch in einer Phase, in der wir in Ruhe überlegen können. Ich finde das sehr angenehm, dass nicht alles so voll geballert ist mit Plänen und Deadlines."

Weitere Infos:
www.elementofcrime.de
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Element Of Crime
Aktueller Tonträger:
1985-1990 / 1991-1996
(Motor Music/Universal)

 
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