Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Interview-Archiv

Stichwort:



 
JEROBEAM
 
Immer in den Hintern treten!
Jerobeam
Hinter dem eher blumigen Namen Jerobeam verbirgt sich ein gewisser Lennart Salomon. Was ja auch nicht unbedingt weiterhilft - es sei denn, man weiß, dass besagter Lennart das zur Zeit recht erfolgreiche Projekt Sono am Laufen hat. Ehrlich gesagt hilft aber auch das nicht wirklich, denn musikalisch hat Jerobeam recht wenig mit Sono zu tun. Wenn etwas hilft, dann noch am ehesten, wenn man weiß, dass Jerobeam auf dem Hazelwood-Label veröffentlicht und dass seine Labelkollegen Doc Wenz und Reverend Krug von Mardi Gras BB. sowie Steve Gaeta von Kool Ade Acid Test mitmachen. Und so erwartet den Hörer dann eine unglaubliche Melange zwischen Hip Hop und Soul, zwischen New Orleans Groove, Scratching und Wahnsinn - und allem, was dazwischen liegt. Eine Melange, die schlicht schwindlig macht und einen glauben lässt, man höre ein Mix-Tape mit Beiträgen verschiedenster Musikanten an.
"Ein bisschen ist es auch für mich eine Art 'Favourite Tape', da ich auf diesem Album auch noch Songs drauf habe, die schon ein paar Jahre alt sind (der Älteste ist von '98)", meint Lennart hierzu, "allerdings ist es nur von einem Künstler und daher ist die Aussage ein großes Lob." Wer oder was ist ein Jerobeam? "Jerobeam (im Original spricht man es, wie man es liest) war Beamter bei König Salomon, im Alten Testament. Nach dessen Ableben ist Jerobeam an seine Stelle getreten und wurde der König vom dann geteilten Israel. Banalerweise heiße ich einfach Salomon mit Nachnamen. Daher auch Jerobeam, weil die beiden Namen eine gemeinsame Geschichte haben - 'Solomon' ist ja Spitzname von Robert Göhring, Posaune, und warum der sich noch ein 'Solomon' vor Göhring setzt, kann man sich wohl an zwei Fingern abzählen, oder?" Nun ja: Die Scheibe heißt "What's The Deal?" - hat aber darauf keine Antwort ("Wenn ich das wüsste...", meint Lennart spaßeshalber). Allerdings bietet sie Einiges. Im Zusammenhang mit Sono fiel ja vielerorts schon mal der Slogan von der "Popmusik der Zukunft". Auch Jerobeam klingt frisch und unverbraucht. Wie sieht Lennart denn dieses Thema? "Was die Zukunft der Popmusik zu sein hat, habe glücklicherweise nicht ich zu entscheiden, sondern die große Masse Menschen, die sie, genau wie ich, konsumiert", überlegt er. "Sowohl für Jerobeam als auch für Sono muss ich allerdings sagen: So innovativ ist das alles gar nicht, denn jede Melodie ist geschrieben worden und jedes Wort gesagt. Alles, was für uns an Neuem bleibt, ist die Kombination alter Stile, neuer Stile, Sounds etc. Aber ich würde weder das eine, noch das andere missen wollen. Und wenn das die Zukunft der Popmusik sein sollte: Gut für mich." Was ist denn überhaupt "gute Popmusik"? "Gute Popmusik kann im Grunde alles sein, denn Pop steht für populär; wenn es also jemand schafft, mit seinem Song die Massen zu erreichen, dann ist es Pop. Also kann es aus jeder stilistischen Richtung kommen. Für mich hat ein guter Popsong eine gute Bassline, eine gute Melodie, und ein Arrangement, das ich in ein paar Jahren auch noch hören mag. Es muss stimmig sein, in sich geschlossen, dann finde ich es gut. Sei es Blues, Jazz, Pop, Dance, Avantgarde, was auch immer!" Muss man das eigentlich immer an zeitlichen Bezügen festmachen? Jerobeam klingt ja doch recht zeitlos (nicht zuletzt, weil hier eben alles gemischt wird, wie Lennart ganz richtig anmerkt), "Pop hatte eine Zeitlang einen sehr schalen Beigeschmack. Wenn ich es aber schaffe, mit Jerobeam so viele Menschen zu erreichen, dass es unter Pop verbucht wird, habe ich ein paar Stile und Stilmittel aus der Vergangenheit in die Zukunft, oder zumindest in die Gegenwart, gerettet. Und das erscheint mir ein hohes Ziel." Was denkt denn jemand wie Lennart über "Deutschland sucht den Superstar"? (Dort wird ja z.B. immer suggeriert, dass die Beteiligten wissen, wie es ginge). "Für mich ist das sehr unterhaltsam, denn ich gucke es in dem Bewusstsein, dass ich bei so etwas niemals eine Chance gehabt hätte und freue mich um so mehr über meine Möglichkeiten, mit so unterschiedlichen Stilen Platten zu veröffentlichen. Was die da musikalisch hinkriegen, steht auf einem ganz anderen, sehr kleinen Blatt..." Das Blatt, auf dem Lennart seine Musik schreibt, kann indes stilistisch kaum groß genug sein. Was liegt denn da - rein wurzelmäßig - zugrunde? "Mein größter Einfluss werden die Beatles bleiben. Gleichzeitig habe ich viel Soul und Funk gehört, Donny Hathaway, Stevie Wonder, James Brown etc. Das rappen kommt dann eher von Beck, G.Love & The Special Sauce etc. Aber auch Prince und David Bowie haben mich sehr geprägt. Ich könnte das jetzt noch Stunden weiterführen, aber das wird langweilig." Nicht unbedingt, denn die Sache mit Beck ist ja z.B. relativ offensichtlich - obwohl Lennart mehr Wert als das Songwriting zu legen scheint. "Danke für das Lob. Allerdings muss ich sagen, dass ich Beck für einen der besten Songwriter unserer Zeit halte. Nur das seine Singer/Songwriter-lastigen Alben nicht den kommerziellen Erfolg haben, wie seine 'elektrischen' Alben." (An die allerdings die Lennart-Sachen erinnern (und so war das auch gemeint)). "Das Songwriting ist für mich das Wichtigste. Es geht nur um den Song. Funktioniert der Song auch nur mit einer Gitarre oder einem Klavier, ohne Produktion und Effekte, ist er gut. Ich versuche außerdem, mir keine Grenzen zu setzen, vor allen Dingen stilistisch. If it kicks ass...." Gibt es eigentlich für Lennart irgendwelche stilistische Dünkel im Arbeitsprozess? "If it kicks ass, it kicks ass. Dann mache ich es. Wenn nicht, dann nicht. Egal welche Richtung." Und wie sieht es angesichts dieses "zwischen den Stühlen sitzen" mit einem Image aus? "Ein Image zu haben, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man eine schillernde Figur ist, die mehr in der Boulevard-Presse stattfindet als in der Musikpresse. Ein Image hat jeder. Ein Image kommt von außen. Das, was jemand über mich denkt, ist mein Image. Ich fände es toll, wenn man mich sehen würde, wie ich mich auch sehe. Allerdings finde ich das Image eines Künstlers immer eher zweitrangig, denn es geht mir in erster Linie um die Songs. Dann kommt lange nix, und dann können wir weiter reden." Ein für einen Songwriter wichtige Frage ist ja auch die nach der Funktion der Texte. "Zum Teil bin ich Geschichten-Erzähler, zum Teil ist es autobiographisch, gerne mische ich auch beides. Manche Texte bedeuten mir sehr viel, andere sind nicht so tiefgründig, aber trotzdem 'funktionieren' sie im Kontext des Songs. Ich will in den Songs nicht daherlabern, deswegen müssen die Texte irgendetwas haben: gute Bilder, Spiele mit der Sprache, eine gute Story, im Idealfalle alles zusammen. Aber die Umsetzung mit der Musik ist wichtiger als der Text alleine." Welcher dokumentarische Gehalt steckt z.B. in "Family Tune"? "Der ist schon relativ hoch. Ich will hier ein paar Leute grüßen, die einen Teil des Weges mitgegangen sind. Das heißt nicht, dass die jetzt alle etwas anderes machen, aber ich wollte eine Stimmung einfangen, die zu dem Zeitpunkt, als ich den Song geschrieben habe, real existiert hat. Andere Leute haben für so was ein Tagebuch, ich habe ein Skizzenbuch." Wie ist denn der Arbeitsprozeß im Studio? Von Doc und Reverend erfuhren wir ja neulich abenteuerliche Sachen - von wegen nackt proben und so... "Ich habe das große Glück mit Gordon Friedrich arbeiten zu können, der Mann, der auch Mardi Gras B.B. und all die anderen Künstler bei Hazelwood produziert. Gordon ist, gelinde gesagt, wahnsinnig. Wahnsinnig kreativ, wahnsinnig visionär und manchmal schlicht verrückt. Es ist manchmal körperlich ungesund so zu arbeiten, aber der Zweck heiligt die Mittel und wenn dabei solche Platten rauskommen... In meinem Album sind sehr viele Details drin, die man auch nicht unbedingt beim ersten Hören realisiert. Die Studioarbeit ist bei Hazelwood einfach zu beschreiben: Es gibt keine Grenzen. In jeglicher Hinsicht. Jede Idee (und es sind manchmal viele und auch nicht gute) wird ausprobiert, angehört und verwendet oder abgeschossen. If it kicks ass, it kicks ass." Woher kommen denn die Samples und welche Funktion haben diese? "Die Samples kommen alle von Platten und nicht aus Samplern oder von Festplatte oder so. Die habe ich alle DJ Mahmut zu verdanken. Die Samples geben vielen Songs noch einen kleinen psychedelischen Twist, lockern auf, oder verbinden Songs miteinander. Insofern ist das als gleichberechtigtes Instrument zu sehen, das noch eine weitere Klangfarbe einsetzt. Vor allen Dingen die Verbindungen zwischen den Songs finde ich sehr gelungen, weil das Album so auch als Album zu verstehen ist und nicht als eine Sammlung von Songs."
Jerobeam
Lennart tanzt auf vielen Hochzeiten. Fast zeitgleich mit seiner Scheibe erscheint auch das Projekt Superpreachers auf Hazelwood - bei dem er selbstredend mitmacht. "Bei den Superpreachers habe ich auf deren Album die Vocals zu 'Smell Of Diesel' beigesteuert, dafür habe ich einen Remix von 'Move Everybody' bekommen und bin mit beidem hoch auf zufrieden! Ich hatte auch noch die Möglichkeit, auf dem nächsten Album von Kool Ade Acid Test mitwirken zu dürfen, als Backing-Sänger, mal 'ne Gitarre oder Percussions. Dann gibt es noch ein neues Singding im Hazelwood-Stall, The Broken Beats aus Dänemark. Da habe ich dasselbe gemacht. Schon mal vormerken - großartige Alben!!!" Was ist denn das Wichtigste, und was das Unwichtigste beim Musikmachen? "Prince hat einmal gesagt: 'Ich möchte aufgrund der Qualität meiner Arbeit bewertet und gemessen werden...' Dem kann ich mich nur anschließen. Der Song ist das Wichtigste. Alles andere ist sekundär. Wenn ich mit guten Alben oder/und guten Konzerten in der Öffentlichkeit stattfinde, finde ich das toll. Ansonsten habe ich da nichts zu suchen und bin ein ganz 'normaler' Mensch, wie jeder andere auch." Mit Jerobeam haben wir also wieder einmal eines dieser schillernden, unwahrscheinlichen und seltenen Projekte aus deutschen Landen, die nicht nur die internationale Konkurrenz nicht zu scheuen brauchen, sondern umgekehrt vor allen Dingen auch etwas ganz Eigenes machen, was international Bestand haben kann. Dass es so etwas selten genug gibt, und dass man es durch Zuspruch hegen und pflegen sollte, erübrigt sich eigentlich zu sagen, oder?
Weitere Infos:
www.hazelwood.de/jerobeam/index.php
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Jerobeam
Aktueller Tonträger:
What's The Deal
(Hazelwood Vinyl Plastics/Soulfood)

 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister