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KRAAN
 
Alte Liebe rostet nicht
Kraan
Lieber Hellmut! Bitte entschuldige, dass wir nicht einen deiner hervorragenden Vorschläge für einen Titel dieser Story aufgegriffen haben (z.B.: "Planlos Glücklich" oder "Spaß an der Freud") - aber es war einfach zu amüsant wie du und Peter Wolbrandt euch da beim Interview quasi wie ein altes Ehepaar in den Haaren gehabt und euch scherzhaft die Bälle zugeworfen und manch amüsante Anekdote mit vielen "so war das doch gar nicht" oder "das sagst du" illustriert habt. Was das meint: Die neuen Kraan sind im Prinzip wie die alten Kraan - nur älter, heiterer und gelassener - aber nicht unbedingt weniger lebendig.
Auf dem Cover sieht man die Jungs sogar vor dem ehemaligen Domizil in Wintrup, wo die Band in den 70er Jahren dem Kommunenleben frönte - mit immer mindestens 15 Leuten, wie Hellmut Hattler, der verdiente Bassist, Song- und Texteschreiber des Quartetts, sich erinnert. Leider, so erzählt uns Peter Wolbrandt, der Gitarrist, Sänger und andere Song- aber nicht Texteschreiber ("Der Hellmut ist unser Dichter" sagt er dazu) der Band, ist dort heutzutage eine Art High-Society Schützen- und Jägerverein ansässig.

Natürlich stellt sich bei einem Projekt wie dieser neuen Scheibe zunächst die Frage, wie es dazu kommen hatte können? Immerhin liegt die letzte Kraan-Veröffentlichung ja bereits einige Jährchen zurück (und hatte man nicht eh den Eindruck, die Band habe sich im Streit getrennt?). Und letztlich unterhält Hellmut ja auch eine erfolgreiche Solo-Karriere unter eigenem Namen. "Ich hatte mich mit dem Hellmut getroffen", erinnert sich Peter, "und wir hatten plötzlich so fünf, sechs Songs, die ausbaufähig waren. Dann haben wir ein Arrangement gemacht und dann haben wir in zwei Tagen die Sache aufgenommen. Wir hatten nicht so direkt einen Plan. Das ist komisch, ist aber so. Man kennt das von früher: Da haben wir auch einfach losgespielt und gesehen was passiert." "Der Unterschied zwischen meinem Hattler Projekt und Kraan ist auch der, dass es bei Hattler inhaltlich zu 99% um meine Kompositionen geht und bei Kraan um ein Zusammenspiel von Peter und mir", erklärt Hellmut, "wenn wir zusammen Musik machen entsteht immer sofort etwas, das nach Kraan klingt. Das ist immer so. Kraan ist ein anderes Modell als Hattler, deswegen haben wir das auch so aufgenommen - ohne Samples, mit kleinen Ideen, die ich massenhaft mit dem Diktiergerät aufgenommen habe, was neu für uns war, und haben dann durch weiteres Jammen bei Proben beiläufig Titel erarbeitet. Wir haben uns dann gesagt: 'Lass uns das richtig aufnehmen' - aber in einer Atmosphäre, die der Band gut tut. Zum Beispiel weiß ich noch von früher, dass, wenn wir etwas unter Druck machen mussten, das nicht so erfreulich war. Deshalb haben wir jetzt eine Situation wie damals bei Conny Planck nachgestellt, bei Jan Fride in dessen Studio mitten in der Pampa am Bodensee und dann die Sachen live im Studio eingespielt."

Als Hellmut per eMail die neue Kraan-Scheibe ankündigte, und wir uns dann an einem Interview interessiert zeigten, weil wir ja schon zur letzten Hattler Scheibe eines gemacht hatten, zeigte er sich eher erstaunt - wieso denn das? Polarisieren Hattler und Kraan? "Auf jeden Fall", stimmt Hellmut zu, "ich bin auch sehr empfindsam, was solche Dinge betrifft und finde es super interessant, weil ich denke, dass sich das inhaltlich gar nicht so viel nimmt. Da aber sehr viele Menschen formal hören - Sound / Bilder, elektrisch / nicht elektrisch / Computer - oder so, meine ich, dass das viele Feindbilder bedient, wodurch diese Polarisation zustande kommt. Etwa: 'Um Gottes Willen, das ist ein Sample, das will ich nicht hören, das ist böse'. Es gibt ja sehr viele Menschen, die sich selber limitieren - auch in ihrem Leben. Deshalb ist das für mich interessant, als jemand, der nicht so sehr über die eigene Suppenschüssel heraussschaut. Ich bin immer überrascht, wenn jemand mit Hattler UND Kraan zurechtkommt." Peter Wolbrandt hellt den Umstand der potentiell gespaltenen Fangemeinde noch ein wenig auf: "Im Grunde genommen machen wir bei Kraan ja Musik für Musiker", verrät er nämlich, "die meisten unserer Fans spielen auch selber ein Instrument und hören auch gerne Jazz, weswegen die mit unserer Musik auch anders umgehen können." Denn eines steht nach wie vor fest: Auch wenn das neue Kraan Album frisch und unverbraucht klingt - und auch vergleichsweise viele song-orientierte Tracks aufweist: Das lustvolle Zusammenspiel ist immer noch zentraler Bestandteil des Konzeptes. Das bestätigt auch Peter. Die Frage, warum man denn immer wieder gerne improvisatorisch angereicherte, funkige Up-Tempo Nummern initiiere, obwohl doch mittlerweile klar sein müsste, dass diese immer wieder sowieso funktionieren - quasi auf Autopilot - lässt er auch gar nicht gelten. "Nein, das ist eben nicht so", widerspricht er, "wie oft hatten wir das schon, dass wir alle losgelegt haben und dann immer langsamer und leiser wurden, weil einfach nichts passierte. Es kommt immer drauf an, ob die Magie stimmt und auf das Feedback vom Publikum." "Deswegen bin ich auch kein Freund von Live-Scheiben", wirft Hellmut ein, "für mich war es das unangenehmste bei Conny Planck unsere Live-Scheiben abzumischen. Dass ausgerechnet sich diese dann so gut verkaufte, hat mich überrascht." Zeigt aber auch, wie wichtig dieser Aspekt des Kraan'schen Tuns auch den Fans ist. "Ja, für viele scheint Kraan so eine Art Soundtrack zu deren Leben zu sein", stimmt Peter zu, "das ist ja auch einer der Gründe, warum wir neues Material eingespielt haben." Dann überlegt er einen Moment und erklärt uns noch mal seine Sicht des Publikums: "Weißt du, es ist zwar schön, wenn das Publikum mitgeht, es ist aber nicht entscheidend. Du kannst das Publikum sehr leicht animieren, herumzutanzen. Es ist aber entscheidend, wie sich die Leute später an das Konzert erinnern und was sie sich danach erzählen - oder was du darüber schreibst."

Kraan scheinen das Publikum also irgendwie als einen gleichberechtigten Partner anzusehen. Und wie gesagt: Dem Zuspruch desselben verdanken wir wohl auch die Neuauflage von Kraan. "Ja, stimmt", sagt Hellmut, "Kraan war eigentlich ein Ding der 70er Jahre und abgehakt. Dass es zu einem Live-Konzert gekommen ist, war schon eine Sensation und dass es Spaß gemacht hat, ein Teil derselben. Wir haben das dann scheinheilig mit einer Geburtstagstournee ausgebaut, die auch allen Spaß gemacht hat und so haben wir uns planlos von einem Ereignis zum anderen gehangelt. Ich habe dann auch erst begriffen, dass Kraan etwas Besonderes ist und wie es eigentlich funktioniert. Dass hier etwas Eigenes und Unteilbares entsteht. Zum Teil hat mich das an früher erinnert, aber dennoch spielen wir heute auf einer anderen Ebene. Du schaust auch heute nicht zurück und sagst: 'Mann was war ich damals für ein Arsch', sondern 'Wow, irgendwie war das doch klasse und wir haben was hingekriegt, was sonst niemand gemacht hat'. Der Unterschied zu früher ist, dass heute alle psychisch stabiler sind und alles wesentlich einfacher ist. Jedenfalls war das früher unendlich schwieriger - z.B. so eine Interviewsituation. Heutzutage ist jeder motiviert und hat Lust..." "Jetzt wart mal", unterbricht Peter... "Ja, ja, ich spreche doch von jetzt..." "Es war ja auch früher anstrengender..." "Und wir haben Drogen genommen." "Haben wir?" "Oder so..." "Jahrelang immer mit dem Bus herumzufahren, das war schon hart..."

Kraan
Wie passen denn eigentlich die anderen beiden Kraaniche, Ingo Bischof und Jan Fride, in die schöne neue Welt von Kraan? Zum Beispiel scheinen doch auch Ingo Bischofs Keyboards recht wichtig für den Kraan Sound zu sein, oder? "Absolut. Aber der Ingo wohnt in Berlin, während wir in Süddeutschland sind", erklärt Peter, "da ist eine räumliche Differenz. Aber der Ingo macht seine Keyboardsounds immer so dazu, als wäre er dabei gewesen." "Das liegt auch an seiner Persönlichkeitsstruktur", fügt Hellmut hinzu, "umgekehrt würde das nicht funktionieren. Peter könnte z.B. nicht 'hinterher' spielen." "Erfolgreich wurden wir ja auch ohne Keyboarder, mit einem Saxophonisten", erinnert sich Peter an die Live-Platte. "Aber es war wunderbar, als der Ingo dazu kam mit seinem Fender-Rhodes und seinen Moog-Soli, die uns dann immer noch einen extra Kick gegeben haben." Gibt es denn irgendwelche Bestrebungen, Kraan in irgendeiner Form "upzudaten"? "Nö gar nicht, im Gegenteil", sagt Hellmut, "es gibt nichts Peinlicheres, als wenn wir alten Säcke versuchten, auf modern zu machen." "Sagen wir mal so, wir haben's gar nicht hingekriegt", relativiert Peter, "wäre also Blödsinn da noch rumzumachen." "Das ist auch nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es Remixer. Wir haben das auch gar nicht nötig, weil Kraan ein eigenes Potential hat", schließt Hellmut dieses Thema ab. Haben die Songtitel irgendwelche besondere Bedeutung? Der erste Track heißt "Unser Lied", der letzte "Through". "'Unser Lied' kam aus der ersten Session, die wir zusammen gemacht haben...", glaubt sich Peter zu erinnern, aber Hellmut weiß es besser: "Nee, das war ein anderes Lied, das verwechselst du jetzt - aber im Grunde gilt es für alle Lieder. 'Through' heißt einfach, dass wir durch mit der Pflicht sind. Der Druck, der schädlich für kreative Prozesse ist, ist raus." Und jetzt steht also die Kür an. Diese beinhaltet - neben der neuen Scheibe - natürlich eine Tour dazu und schließt vor allen Dingen die Möglichkeit nicht aus, dass es auch weitere Kraan Scheiben geben wird. Denn, so meint Hellmut noch in einem Nebensatz, Kraan ist momentan so etwas wie ein Hobby-Projekt und etwas Schöneres könne es doch für eine Band gar nicht geben, wenn sie für etwas belohnt werde, was sie dem Zuhörer ohne Druck und Notwendigkeit präsentieren könne.
Weitere Infos:
www.kraan.de
www.hellmut-hattler.de
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Kraan
Aktueller Tonträger:
Through
(Bassball Recordings/edel)

 
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