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JULIANA HATFIELD
 
Befreiungsschlag
Juliana Hatfield
"In Exile Deo" ist seit langer Zeit wieder mal eine Scheibe der kleinen Bostonerin, die ohne Umwege und Schwierigkeiten direkt bei uns verfügbar sein wird. (Wenn man bedenkt, dass ihre beste CD, "Bed", momentan bloß als Cassette zu bekommen ist, ist dies schon bemerkenswert) Gleichzeitig werden ihre letzten drei Tonträger - "Beautiful Creature", "Juliana Hatfield's Pony" und die Best-Of Compilation "Gold Stars" wieder veröffentlicht und somit ebenfalls problemlos zugänglich. Es gab sogar Promo-Dates - womit so richtig schon niemand mehr gerechnet hätte. Dabei ist das neue Werk weniger ein Neuanfang als vielmehr eine Art abgeklärtes Resumee, in dem Juliana Bilanz zieht und sich z.B. über das "Älter-werden" Gedanken macht. Dennoch ist etwa der Titel der CD weniger programmatisch, als anzunehmen wäre.
"Nein, das hat weiter nichts zu bedeuten, es ist nur eine Wortspielerei", räumt Juliana ein, "ich habe das einfach vor mich hingesagt und es klang gut. Sicher, man kann alles mögliche da reindeuten - besonders in den Begriff 'Exil' - aber das war mit der Grund, warum ich den Titel wählte." Im Booklet finden sich Fotos von Juliana, die diese nicht eben in ihrem bestmöglichen Licht erscheinen lassen, sondern eher eine Art verletzliche Qualität zu haben scheinen. "Verletzlich?", fragt Juliana erstaunt, "das finde ich nicht. Ich finde eher, dass ich da verhärmt aussehe. Und das wollte ich auch, denn diesen Ausdruck mag ich." Verhärmt aussehen? Wieso das denn? "Nun, für gewöhnlich tendieren Fotografen ja dazu, Frauen eher glamourös und schön aussehen zu lassen - wogegen grundsätzlich nichts zu sagen ist. Ich mag es aber lieber, wenn du sehen kannst, dass die betreffenden Frauen auch gelebt haben, wenn du die Falten sehen kannst und die Fotos so einen gewissen Charakter und Würde ausstrahlen. Da gibt es z.B. diese Aufnahme, auf der ich mir die Hand vor's Gesicht halte. Das finde ich sehr interessant, denn wenn du dir die Hand anschaust, dann sieht die aus wie ein Baum - und die Adern erinnern an verzweigte Äste. Ich finde, dass das ein sehr schönes Bild ist - auch in Bezug auf die CD, von der ich wollte, dass sie möglichst abwechslungsreich wird." Nun. Eitel ist Juliana also offensichtlich nicht wirklich. Sie scheint auch nicht besonders stolz auf ihre musikalischen Leistungen zu sein (oder umgekehrt ausgedrückt: eher bescheiden) - obwohl sie doch diesbezüglich einiges geleistet hat. Immerhin war sie mit John Strohm die Mitbegründerin von Blake Babies, spielte bei den Lemonheads mit, gründete mit Blake Babies-Kollegin Freda Love das Side-Project Some Girls und genoss während ihrer Solo-Karriere sogar einen kurzen Flirt mit dem Pop-Star-Dasein (z.B. dank der Single "Spin The Bottle", die u.a. im Soundtrack des Films "Reality Bites" auftauchte). Doch mit dieser Position fühlte sie sich nicht so recht glücklich. Eher, so scheint es, fühlt sie sich schon wohl, wenn sie NICHT im Rampenlicht steht und ungestört ihre Arbeit machen kann. "Genau", stimmt sie zu, "ich betrachte meine Musik heutzutage als das, was ich wirklich kann und gerne mache und bin froh es tun zu können. So lange es mir möglich ist, werde ich das auch weiter machen."
Das ist ein gutes Stichwort: Da sich die Scheibe thematisch durchaus mit dem Thema Altern beschäftigt, sei doch die Frage erlaubt, wie sich denn Juliana die Zukunft vorstellt. Immerhin hat sie sich ja eine Art von Musik ausgesucht, die nicht jeder bis ins hohe Alter machen kann. Wird sie dann später z.B. auf den Blues umsteigen? "Du meinst, um mein Auskommen zu haben und Geld zu verdienen?", fragt sie, "nein, so weit würde ich nie gehen. Ich denke, ich würde dann statt dessen versuchen, etwas ganz anderes zu machen - z.B. als Kellnerin zu arbeiten. Es ist schon schwierig, weil ich ja nichts anderes gelernt habe, aber Musik zu machen, die ich nicht mag, um Geld zu verdienen - nein, so weit würde ich nicht gehen." Darf man eigentlich so weit gehen zu sagen, dass die Titel der neuen CD autobiographisch sind? "Es ist so wie immer", räumt sie ein, "einige Songs sind mehr, andere weniger autobiographisch und wieder andere gar nicht. Aber im Prinzip ist es schon so, dass es vorwiegend um mich geht." Die Frage wurde deswegen so vorsichtig formuliert, weil sie ja an anderer Stelle des Öfteren darauf beharrte, dass ihre Songs eben nicht autobiographisch sind. "Es ist alles relativ", erläutert sie, "auf dieser Scheibe mache ich mir eben Gedanken über die Zeit. Ich bin jetzt in einem Alter, wo man auf das, was man erreicht hat, zurückblickt, und sich schon fragt, wie es denn jetzt weitergehen könnte." Das, so scheint es, scheint typisch für diese Songwriter-Generation zu gehen - unabhängig vom Geschlecht. "Ich kann mir schon vorstellen, dass das auch anderen so geht", meint Juliana, "es ist wohl das, was man in dem Alter tut. Der Song 'Singing In The Shower' handelt z.B. von einem 40-jährigen Mann, der unter der Dusche singt und dabei über sein Leben und seine Träume nachdenkt und was daraus geworden ist, und der schon ein wenig Angst vor der Zukunft hat." Wobei dies natürlich eine fiktive Person ist. Das sei einem aber als Songwriter erlaubt. "Ja, natürlich", pflichtet Juliana bei, "ich kann ja nicht immer nur aus meiner Perspektive oder über real existierende Personen schreiben. Manchmal, wie im Falle von 'Jamie' aus 'Jamie's In Town' verändere ich auch einfach bloß die Namen." Es ist ja auch immer eine Frage, wieviel von sich selbst man direkt von sich preisgeben möchte oder kann. Besonders als Frau - wobei das für Juliana kein Thema zu sein scheint.
Juliana Hatfield
Musikalisch bewegt sich die neue Scheibe gar nicht so weit weg von dem, was man von Juliana auch erwartet. Es gibt eine ordentliche Mischung von Up-Tempo-Power-Pop-Songs und ihren sentimentalen Trademark-Balladen, mit dem berühmten Hatfield-Touch - das sind ungewöhnliche Harmoniegefüge, wie eigentlich nur Juliana sie zustande bringt und Harmoniegesänge, die auf dieser CD wirklich in makellosem Glanz erstrahlen. "Ich liebe Harmoniegesänge", pflichtet Juliana bei, "wenn ich einen Song schreibe, habe ich diese zuweilen auch bereits im Kopf und kann es gar nicht erwarten, ins Studio zu gehen und sie aufzunehmen. Ich habe lange daran gearbeitet, diese so hinzubekommen, wie ich mir das vorgestellt haben. Ich habe auf dieser CD auch alle selber gemacht." Es gibt auf dieser Scheibe eine Cover-Version - "Tomorrow Never Comes" - von Dot Allison. Eigentlich ist diese akustische Ballade, die Juliana mit einem sehr schönen Streicher-Arrangement versah, eher untypisch für Dot Allison, die eher härteres und elektronisch geprägtes Material bevorzugt. Wie geht Juliana denn an Cover-Versionen heran? "Das ist ganz verschieden", gibt sie zu, "den Neil Young-Song, 'Only Love Can Break Your Heart' auf 'Gold Stars' habe ich z.B. ganz spontan und nur zum Spaß aufgenommen. Bei 'Tomorrow' war das anders. Wie ich den Song gehört habe, hat mich dieser sofort berührt und ich wusste, dass ich ihn unbedingt selber aufnehmen musste. Er passt auch sehr gut zu meinen eigenen Songs und das ist mir auch wichtig." Eine letzte Frage interessiert noch: Auf dem letzten Track, dem nahezu Hatdfield-spezifischen Hasslieben-Song "My Enemy" singt Juliana 2/3 der Strecke mit einer wattigen, gedämpften Stimme. Was soll denn das? "Das hat dramaturgische Gründe", meint sie, "es unterstützt die Stimmung des Songs. Am Ende des Stückes, wenn die Stimme dann klar wird und die anderen Instrumente einsetzen, klingt es wie eine Erlösung, wie ein Befreiungsschlag." Und das ist es wohl auch, was diese CD unter anderem ist. Juliana Hatfield, so scheint es, ist mit sich selbst ins Reine gekommen und schaut nun - immer noch fragend zwar, aber durchaus aufrechten Hauptes - in die Zukunft.
Weitere Infos:
www.julianahatfield.com
www.blakebabies.com/juliana.htm
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Danny Clinch-
Juliana Hatfield
Aktueller Tonträger:
In Exile Deo
(Zoe/In-Akustik)
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