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THE GREATER GOOD
 
Out Of Control
The Greater Good
Craig Ross ist das, was man ruhigen Gewissens als "graue Eminenz" der Musikbranche bezeichnen darf. Zwar veröffentlicht er jetzt unter dem Projektnamen The Greater Good seine zweite Scheibe (die erste, "Dead Spy Report" - damals unter eigenem Namen - liegt acht Jahre zurück), doch hauptsächlich fühlt sich Craig im Hintergrund wohl. Wenn er nicht an eigenen Songs herumtüftelt - was er wohl dennoch permanent tut - arbeitet er als Produzent (z.B. für Patty Griffin oder Lisa Germano (die beide Gastauftritte bei Greater Good haben)), als Musiker, als Tontechniker oder als Komponist (zur Zeit z.B. an dem Soundtrack für den Dokumentarfilm "The Unforseen" des legendären Regisseurs Terrence Mallick ("The Thin Red Line")). Seine Musik - eine eigentümliche Mixtur aus allem, was sich nicht wehrt, verwoben mit Soundeffekten, sphärischen Gesängen und vielseitigen, ungewöhnlichen Arrangements - ist so schwer in Worte zu fassen, dass es ihm nicht einmal selber gelingt. Doch das ist Programm. Der Name, The Greater Good, deutet bereits darauf hin.
"Ich denke, das ist mehr eine Philosophie als ein bloßer Name", lacht Craig, "der Name deutet auf die Sachen hin, mit denen wir generell zu tun haben. Es geht darum, den Dingen eher zu erlauben zu passieren, als zu versuchen, sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es geht um ein Gesamtbild. Es ist ein Thema. Der Name kam mir so in den Sinn und klang gut. Manchmal findet man erst später heraus, was genau es bedeuten könnte." Craig ist auch ein Soundtüftler. Zwar bat er ein paar Freunde, ihn bei seinen Songs zu unterstützen - neben Lisa und Patty zum Beispiel seinen Freund und Mentor, den Produzenten Malcom Burn oder auch seine Frau Jyl - im Grunde machte er allerdings dann doch fast alles alleine. "Nun, wenn ich auf Tour komme, wird das natürlich schwer, weil es ja sehr teuer ist, eine Band zusammenzustellen. Ich werde also tun, was ich kann und vielleicht wird Lisa mich begleiten. Was aber die Studioarbeit betrifft, so muss ich sagen, dass ich an einem Punkt in meinem Leben angekommen bin, an dem ich realisiert habe, wie naiv ich bislang gewesen bin. Ich tue heutzutage das, was ich tun möchte und der Rest wird schon klappen. Ich sehe heute eine Menge Musiker, die sehr analytisch vorgehen, was ihren Sound betrifft. Ich hingegen mache einfach, was mir gefällt." Was meint denn "naiv" in dem Zusammenhang? "Nun, ich beobachte eine Menge Leute, die sich von ihrer Karriere leiten lassen", erläutert Craig, "und ich habe Musik noch nie als Möglichkeit gesehen, eine Karriere zu durchlaufen. Für mich ist Musik etwas, was ich einfach tun muss. Nach einer langen Zeit ist es mir heutzutage zwar möglich, irgendwie davon zu leben, aber ich habe es nie getan um berühmt zu werden, sondern ich würde sogar sagen, dass ich es um jeden Preis machen muss. Dass ich oft hinter dem Mischpult sitze, hat sich so ergeben. Ich liebe den Klang und ich liebe Texturen und Ebenen. Was also häufig passiert, ist, dass ich in diesen 'Kreativmodus' verfalle, in dem ich gar nicht daran denke, einen Song schreiben zu wollen. Zum Beispiel sind Texte ziemlich zweitrangig bei dem was ich tue. Worte bedeuten mir nicht sehr viel." Was ist denn dann die Funktion von Craigs Texten? Immerhin ist es ja kein sinnloses Zeug, was er da von sich gibt. "Aber ehrlich gesagt, geht es mir eher um die Form der Worte, als deren Bedeutung", räumt er ein, "die Stimme wird zu einem Instrument oder einem Boten, wenn du so willst. Worte allein waren mir niemals genug. Es immer die Musik oder das Timbre der Stimme, das mir wichtiger ist. Das kommt aber daher, dass ich mich selber nie als Songwriter betrachtet habe. Anders als zum Beispiel Patty Griffin, die wunderbare Texte schreibt - die ich dann auch tatsächlich gerne hören möchte."
Das hört sich ungefähr alles so an, wie das, was Lisa uns erzählte - was wohl erklärt, dass sie öfter mit Craig zusammen gearbeitet hat. Hat denn die Tatsache, dass Craig eben nun mal häufiger HINTER dem Mischpult sitzt, eine Auswirkung auf die Genesis seiner Songs? "Ja, denn ich habe immer eine konkrete Vorstellung davon, wie etwas klingen soll", bestätigt er, "ich musste aber lernen, meinen Sound nicht über das Werk anderer Leute zu stülpen, wenn ich diese produziere. Denn ich höre die Dinge auf eine sehr spezielle Art, die sich über die Jahre nicht sehr verändert hat. Ich versuche zwar durchaus, immer neue Dinge zu lernen, aber ehrlich gesagt, hört sich alles an dem ich arbeite immer ähnlich an. Mir geht es immer um dieses spezielle Element, das ich als 'traumähnlich' bezeichnen möchte. Manchmal funktioniert das bereits mit einer Gitarre und einer Stimme, aber leider kenne ich nicht sehr viele Leute, die so etwas zustande bringen. Deswegen muss ich mich immer auf etwas Bestimmtes fokussieren, um dieses Traumähnliche herausarbeiten zu können." Wie erreicht man denn diesen "Dream-Modus"? "Nun, man muss einfach ein Element aus dem Kontext herauslösen", erklärt Craig, "wenn du das machst, dann funktioniert es. Das ist der Grund, warum ich ein großer Fan von David Lynch bin oder von Fritz Lang. Ich lasse mich oft von Filmen beeinflussen. Große Filme bieten nämlich mehr als etwa eine bloße Story. Ich denke aber nicht allzusehr darüber nach, es ist ziemlich selbstverständlich für mich." Wie funktioniert das denn - Filme als Inspirationsquelle? "Nun, ich mag natürlich keine blödsinnigen Komödien, sondern die Filme, die eine Menge Fragen aufwerfen." Und "Mullholland Drive" von David Lynch ist ja zum Beispiel ein solcher Film. "Ja, oder nimm die Filme von Werner Herzog. Da gibt es immer dieses Thema von diesen Charakteren, die einsam gegen eine Menge Elemente gleichzeitig kämpfen und es gibt nie eine konkrete Auflösung. Es geht um das Leben, um etwas, was außerhalb deiner Kontrolle liegt. Solche Dinge beschäftigen mich, weil es da um relevante Parallelen zu meiner eigenen Situation geht." Und das spiegelt sich dann in Craigs Musik wider? "Ich denke schon, kann das aber nicht wirklich sagen, da ich in meiner Musik immer so involviert bin, dass ich die Distanz verliere."
The Greater Good
Nun, Fragen werfen Craigs Songs ja schon auf... "Ja, das stimmt - es ist auch so, dass, wenn mich Leute fragen, was meine Songs zu bedeuten haben, ich einräumen muss, dass ich es ganz ehrlich nicht weiß. Das ist auch wie das Leben." Wie kommt Craig denn dann zu seinen Themen, zu seinen Songs? "Meistens klimpere ich auf meiner Gitarre oder meinem Klavier herum", beschreibt er den Prozess, "manchmal schwirrt eine Melodie in meinem Kopf herum. Das Entscheidende ist aber - und da kommt die Philosophie von The Greater Good ins Spiel -, dass ich keine Kontrolle darüber habe. Das ist mir auch erst spät aufgefallen. Früher dachte ich immer, ich hätte die Kontrolle. Heutzutage kann ich den Teil meines Hirns ausschalten, der immer alles verändern will und kann das, was passieren möchte, einfach auch passieren lassen. Ich habe zwar ein musikalisches Vokabular, auf das ich zurückgreifen kann, aber das ist es dann auch schon. Meistens springe ich einfach in den Fluss. Das ist für viele Leute sehr schwer, weil uns ja von frühester Jugend bereits beigebracht wird, dass Kontrolle alles ist. Und mir macht es einfach Freude, die Kontrolle aufzugeben, wenn ich Musik mache. Eins der Dinge, die mir aufgefallen ist, ist, dass es am besten ist, deinen Intellekt manchmal auszuschalten. Wenn du ständig über alles nachdenkst, läufst du Gefahr, dich zu verletzen. Ich liebe es zum Beispiel, Motorrad zu fahren. Wenn du darüber nachdächtest, was da eigentlich passiert, dann kämst du ja nicht weiter. Du könntest auch nicht schneller als das Speed-Limit fahren, weil du ja Angst vor der Polizei haben müsstest. Auf die Musik übertragen heißt das, dass ich der Polizei nicht erzählen möchte, was ich da gerade alles mache. Ich habe mein Studio in meinem Garten und ich möchte einfach das aufnehmen, was mir gefällt. Was du zu hören bekommst, ist übrigens vielleicht ein tausendstel von dem, was ich aufnehme. Ich mache ja jeden Tag Musik." Warum erscheint dann gerade zum jetzigen Zeitpunkt diese Scheibe mit diesem Material? "Nun, das hat die üblichen Gründe", verrät Craig, "ich musste eine Heimat für dieses Album finden. Es ist schon eine ganze Weile fertig. Nicht alles, was du hier hörst, sind z.B. neue Songs." Das erklärt auch die beachtliche Spannbreite an Sounds, Stimmungen und Stilen. Was hält denn die ganze Sache zusammen? "Hm, das ist eine gute Frage", überlegt Craig, "und ich muss dir sagen, dass ich keine Ahnung habe - ehrlich nicht." Wie sieht es denn mit dem Gesang aus? Craig hat ja eine ganz spezifische Art zu singen. Z.B. ist seine Sprechstimme wesentlich tiefer als seine Singstimme. "Hm, meinst du?", zweifelt er, "das ist aber kein richtiger Stil. Das hat eigentlich mehr mir meinem Bemühen zu tun, da hinzukommen, wohin ich möchte. Ich tue alles, was notwendig ist, um eine bestimmte Note zu erreichen. Das klingt dann eben so." Nun ja, ehrlich ist er ja. Letzte Frage: Was will uns denn das Cover sagen? Es ist eine Fotomontage, auf der Craig vor einer Gruppe von Bergleuten sitzt und ein Schild mit der Aufschrift "The Greater Good" hoch hält. "Das Foto hängt bei mir im Studio", erzählt Craig, "ich schaue es mir oft an, wenn ich arbeite und es inspiriert mich. Der Mann, zu dessen Füßen ich da sitze, ist mein eigener Großvater. Das Foto ist in den dreißiger Jahren aufgenommen worden und ich muss oft über das Leben nachdenken, wenn ich sein jugendliches Gesicht betrachte..." Nun ja, wer traumähnliche Musik machen möchte, der muss ja auch selber ein Träumer sein. Und das ist Craig Ross zweifelsohne. Wer auf Musik steht, wie sie zum Beispiel Lisa Germano, Jim White oder Joseph Arthur machen, die eine ganz ähnliche Philosophie wie Craig haben, für den ist The Greater Good genau das Richtige...
Weitere Infos:
www.thegreatergood.us
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Greater Good
Aktueller Tonträger:
The Greater Good
(India Records/Alive)
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