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SAINT LOW
 
Erfolg ist relativ
Saint Low
Als wir diesen Sommer mit Mary Lorson über ihr erstes Album mit ihrer neuen Band Saint Low sprachen, hatte die Sängerin aus Ithaca, New York, noch die vage Hoffnung, dass es ihr möglich sein würde, ihre Band mit auf Tour zu nehmen. Doch wie schon bei ihrer anderen Band Madder Rose gilt auch für Saint Low das Motto: "Ziemlich genial, aber chronisch erfolglos". Als also nach den durchweg positiven Reaktionen in der Presse das Thema Europa-Tournee wieder auf den Tisch kam, zeigte sich einmal mehr, dass Verträge mit relativ kleinen Labels und Plattenverkäufe, die nicht gerade an der Millionengrenze kratzen, keine gute Kombination sind.
Der Vorschlag der Plattenfirma lautete nämlich, Mary und ihre Gitarre in den Zug zu setzen und die Tournee trotz des Widerstrebens der Sängerin solo durchzuziehen. Im Zug nur mit sechs Saiten als Begleitung zu touren war Mary dann aber doch ein wenig "zu solo", vor allem, weil sie selbst im Sommer in London einige Einzelauftritte schon zu Duo-Shows umgewandelt hatte, indem sie ihren alten Bekannten Simon Alpin zum Mitspielen überredete. Als Simon jetzt als Tourgitarrist bei der Willard Grant Conspiracy einstieg, war die Idee nicht mehr weit, Mary einfach als Vorprogramm und WGC-Background-Sängerin mitzunehmen. Eine sehr gelungene Kombination, wie sich herausstellte, besonders, weil diverse Mitglieder der WGC Mary auch schon bei ihrem Opening Set auf der Bühne unterstützten. Und mit dem "Special Guest" Chris Eckman (The Walkabouts) wurden einige der Shows in Deutschland sogar fast zu einer revuemäßigen Performance. Und in der Sekunde, in der Mary ihre elektrische Gitarre in die Hand nahm, wurde auch sofort wieder klar, warum Madder Rose (deren letzte komplette Deutschland-Tournee schon knapp sieben Jahre her ist) eine so fantastische Liveband (gewesen) sind. Ganz einfach, weil Mary die Verkörperung des wohl perfekten Rockstars ist. Es macht ganz einfach unbeschreiblich viel Spaß, sie auf der Bühne zu sehen. Die Art, wie sie mit mehr Hingabe singt als sonst jemand, wie sie jede einzelne Textzeile erneut zu durchleben scheint, wenn sie singt, wie sie Gitarre spielt und sich dabei auf der Bühne bewegt, oft vor ihrem Verstärker kniend - würde sie auf der Bühne kein Mineralwasser, sondern Wodka trinken, wäre sie eine absolute Rock N Roll-Göttin. Sie ist so ziemlich jeder erdenkliche weibliche Sängerin in Personalunion. Und Mary ist nicht nur eine hervorragende Sängerin und Musikerin, sie hat auch noch die dazu passenden tollen Songs. Um so trauriger ist es da, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mit ihrer Musik, sondern als Kellnerin und Aushilfslehrerin verdient.
Saint Low
"Ich liebe die Trio-Besetzung mit Gitarre, Geige und Keyboards", erzählt sie im Gästeliste-Interview vor der Show im Bochumer Bahnhof Langendreer. Und es klingt wirklich fantastisch. Stellt euch eine Mischung aus Joni Mitchell und Lisa Germano vor und ihr kommt der Sache näher. Manche Songs hören sich in der Mini-Besetzung sogar noch besser als auf dem keineswegs schlechten Album, und trotzdem "habe ich nie das Gefühl, dass die Stücke nicht genau das ausdrücken, was ich mit ihnen rüberbringen wollte", freut sich Mary. Auch ihre Rolle in der Willard Grant Conspiracy sollte auf dieser Tour - mehr als 40 Shows ohne eine richtige Pause - nicht unterschätzt werden. Abgesehen davon, dass sie jede Menge gute Laune mit in die - auf früheren Touren - recht ernste WGC-Konzerte brachte, machte sie ihren Job als Backing Sängerin ebenfalls ausgezeichnet. Dabei ist die Bezeichnung "Background Sängerin" sogar etwas irreführend, denn Mary war keineswegs eine Backing Sängerin im Diana Ross & The Supremes/The Ikettes-Sinne des Wortes (d.h. hübsche Sängerin am Bühnenrand, die sich darauf reduziert, hier und da ein ein paar "ooohs" zu singen), sondern sang vielmehr eine ganze Reihe Lieder komplett mit WGC-Sänger Robert Fisher, so wie früher beispielsweise Nicolette Larson bei Neil Young.

"Es macht Spaß, in einer Gruppe zu sein", kommentiert Mary die Erfahrung der WGC-Tournee und weiß inzwischen aber auch, dass sie wohl nie genug Platten verkaufen wird, um die Studiobesetzung von Saint Low - Schlagzeuger Zaun Marshburn, Joe Myer an der Violine, Michael Stark am Piano, Stahl Caso am Bass und Backing Sängerin Jennie Stearns (Mary singt übrigens auf ihrer sehr schönen Platte ebenfalls mit) - jemals auf Tour mitzubringen. Vor allem wegen der finanziellen Zwänge, aber auch, weil die meisten der Musiker Familien und andere Projekte haben. Aber wer weiß, was noch alles passiert, und wenn jemand auch nur ein bisschen mehr Erfolg verdient, dann mit Sicherheit Mary Lorson.

Und hier, was Mary einfällt...

... zur Willard Grant Conspiracy

"Ich kannte ihre Musik nicht, bevor ich sie diesen Sommer in London kennen gelernt habe, als ich per Zufall das Vorprogramm für sie gemacht habe. Ich hatte aber zuvor schon viel Gutes über sie gehört. Ich bin sehr glücklich, mit ihnen spielen zu können, denn ich habe diese Art von Musik immer schon sehr gemocht, aber die anderen Mitglieder von Madder Rose können damit überhaupt nichts anfangen und haben sich immer dagegen gewehrt, sich in diese Richtung zu öffnen."

... zum Unterwegssein

"Ich spiele ja derzeit eigentlich jeden Abend zwei Shows und singe bis zu drei Stunden pro Abend. Naja, nicht ganz, aber du weißt, was ich meine. Keine freien Tage zwischendurch zu haben, ist hart, aber wir haben ja alle schon massig Tourneen hinter uns und haben so etwas alles schon mal mitgemacht. Die erste Madder-Rose-Tour war auf fünf Wochen angelegt, letztendlich wurden neun Wochen daraus und wir hatten insgesamt drei Tage zwischendurch frei. Wirklich jeden Abend zu spielen hat auch seine Vorteile, denn du musst viel disziplinierter sein. Wenn wir jetzt einen Tag frei hätten, würde ich mich wahrscheinlich um 21.00 Uhr fragen: 'Was mache ich jetzt bloß?'. Das gleiche passiert für gewöhnlich auch, wenn du nach einer Tour wieder nach Hause kommst. Du machst ganz einfach das, was möglich ist. Manche Bands können sich's leisten, alle paar Tage einen off day einzuschieben, aber die meisten Bands, die ich kenne, können das nicht. Letztendlich trägt es auch zum ganzen Erlebnis, dem kamikazemäßigen 'Wir werden es schaffen', bei." (lacht)

... zum Umwerfen von Plänen

"Eigentlich sollte ich nächste Woche eine Singer/Songwriter-Tour durch britische Theater mit M. Doughty (Soul Coughing) und Miles Hunt (The Wonder Stuff) spielen. Die ist aber ganz kurzfristig vor ein paar Tagen abgesagt worden. Deshalb habe ich jetzt einen neuen Plan. Ich bleibe einfach bis zur Show in Brighton bei Willard Grant und danach spiele ich - dann wirklich solo - acht Shows in England als Vorprogramm von Kurt Wagner von Lambchop, der auch alleine auftritt.

Saint Low
... zum Songwriting

"Wenn ich Musik mache, habe ich immer diesen Mischmasch aus diversen Dingen im Kopf, den ich ausdrücken will. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, wenn man nachher die einzelnen Einflüsse nicht mehr erkennen kann. Genau das versuche ich zu erreichen, ich will die Dinge durcheinanderwirbeln. Diese Tournee mit Willard Grant wird sicherlich auch abfärben, wahrscheinlich in einer Art und Weise, an die ich jetzt noch gar nicht denke. Ich habe festgestellt, dass ich immer erst realisiere, was mich beeinflusst, wenn ich schon mittendrin bin. Dann merke ich: 'Oh, das klingt ein bisschen so wie...'. Ich habe auch auf Tour einen kleinen Cassettenrecorder dabei und wenn ich nicht gerade hineinsumme oder etwas spiele, höre ich mir die Sachen an und sammele so neue Ideen für Songs. Auf diese Tournee habe ich zwei komplett fertige neue Songs mitgebracht, die wir auch ab und zu spielen [darunter die wunderschöne Klaviernummer "Your Lament"] und vier weitere, an deren Texten ich derzeit arbeite. Es ist fantastisch, dass wir ein Keyboard mit auf Tour haben, denn ich schreibe die meisten meiner Songs inzwischen auf diese Art und unterwegs habe ich es natürlich meistens nicht zur Verfügung. Der Prozess des Songwritings ist immer anders. Das ist wie eine Achterbahn (lacht)."

... zum Thema Zukunft

"Ich habe keine definitiven Pläne. Ich hatte im letzten Jahr viel Glück und eine Menge Dinge sind passiert. Den Leuten gefällt meine Platte, aber die Verkäufe sind nicht besonders... naja, vielleicht sind sie gar nicht so schlecht. Dann kam diese Tournee des Weges. Das war großartig und jetzt denke ich schon wieder: 'Du wärst eigentlich gerne viel öfter auf Tour', und der beste Weg dazu ist, einfach für alles offen zu bleiben und Kontakte zu knüpfen mit den Leuten, die man unterwegs trifft. Man weiß ja nie, was daraus mal werden kann!"

Weitere Infos:
www.saintlow.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld-
Saint Low
Aktueller Tonträger:
Saint Low
(Cooking Vinyl/Indigo)

 
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