GL.de: Hinterlassen diese Reisen auch musikalisch Spuren bei dir?
Norman: Ich weiß nicht, ob es wirklich die Reisen sind, die musikalisch Spuren bei mir hinterlassen. Rein praktisch hinterlässt es bei mir Spuren, weil ich überall spontan arbeiten möchte und deswegen meistens einen Computer mitnehme. Ich reise sogar manchmal ohne meine Gitarre. Diese Spontaneität spiegelt sich auch zum Teil in meinen Songs wider, wie ich finde. Ich bin auch nicht wie diese Bands, die lange an ihrem Sound feilen und diesen ausarbeiten. Wenn ich aufnehme, dann ist alles meistens erst einmal sehr simpel und dann füge ich später noch bestimmte Dinge hinzu.
GL.de: Wenn Spontaneität sozusagen die Grundlage deiner Arbeitsweise ist, funktioniert diese überall gleich gut, egal wo du dich gerade befindest?
Norman: Wenn man es so einfach beschreibt, dann ja. Selbst bei mir zu Hause hier in Berlin habe ich in dem Sinne kein Studio. Viele Musiker haben ja sogar für jedes ihrer Instrumente ihren speziellen Platz und ihren Bereich, wo sie immer arbeiten. So etwas habe ich gar nicht. Es gibt viele Künstler, die aber genau das brauchen, um kreativ zu sein. Wenn sie an einem anderen Ort sind, dann können sie sich plötzlich nicht mehr konzentrieren, aber das ist bei mir nicht so. Im Gegenteil sogar. Ich könnte nicht in einer so festen Atmosphäre sein und da routiniert arbeiten.
GL.de: Schleichen sich trotz deiner spontanen Arbeitsweise dennoch Arbeitsabläufe ein, die sich im Laufe der Zeit wiederholen und irgendwann nicht mehr wegzudenken sind, wenn du schreibst?
Norman: Eigentlich nicht. Wenn mir etwas einfällt, dann mache ich es meistens auch sofort. Ich bin da eher ungeduldig, was das angeht. Dann erledige ich alles in einem Rutsch und wenn mir nichts einfällt, dann mache ich auch nichts. (lacht) Ich kann mich ja zu nichts zwingen.
GL.de: Als du "Shore To Shore" fertig gestellt hast, hattest du da das Gefühl mit deinen Ideen musikalisch gestrandet zu sein oder bist du eher oben auf der Welle mit geschwappt, die die Küste als Ziel, aber nicht unbedingt als Endpunkt betrachtet hat?
Norman: Wir haben relativ lange aufgenommen und zwischendurch Pausen gemacht, deswegen war es vielleicht nicht so intensiv wie bei anderen Bands, die ins Studio gehen und jeden Tag nur aufnehmen. Wir sind das Ganze locker, aber strukturiert angegangen, daher gab es für mich gar nicht diesen bestimmten Punkt, an dem ich mir gesagt habe, so das Album ist jetzt fertig. Gut, irgendwann geht die Platte zum Mastern, dann kommt sie zurück und dann kann man nichts mehr daran ändern (lacht). Ich kann es aber ganz gut akzeptieren, wenn etwas fertig ist. Alles, was nach diesem gedanklichen Abschluss passiert, würde ich in eine neue Richtung schieben.
GL.de: Inwiefern ist dir bei Beginn der Arbeit an "Shore To Shore" ein konzeptioneller Zusammenhang wichtig gewesen?
Norman: Das war mir vor allem am Ende wichtig, aber nicht wirklich am Anfang. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine großen Pläne gemacht, was das anging. Es gab keine konkreten Vorstellungen, wie das Konzept aussehen sollte und was wir alles machen wollten. Der Zusammenhang hat sich aus der Arbeit heraus entwickelt. Irgendwann habe ich angefangen, die Songs für das Album auszuwählen, ihre Ordnung festzulegen und erst danach habe ich den Titel festgelegt. Das Cover war zuerst da. Davor hatte ich noch einen anderen komischen Titel im Kopf, den ich aber beiseite geschoben habe. Erst als mir der jetzige Titel zum Cover eingefallen ist und die Songauswahl getroffen war, ergab alles einen Sinn und es hat sich alles zusammengefügt. Mir ist es schon wichtig, dass meine Arbeit am Ende stimmig ist. Von daher habe ich schon gewissermaßen an ein Konzept im Kopf, aber das ist bei Arbeitsbeginn noch nicht perfektioniert oder völlig ausgereift.
GL.de: Oftmals hört man es den Songs von Künstlern an, welche Herkunft diese haben. Deiner Musik hört man es überhaupt nicht an, dass deine Wurzeln in Deutschland liegen. Liegt das daran, dass du so kosmopolitisch eingestellt und sowieso häufig unterwegs bist?
Norman: Ich weiß es auch nicht so genau. Ich bin nicht mit meinen Diplomaten-Eltern um die Welt gereist oder ähnliches. Solche Stories gibt es ja (lacht). Ich habe früh angefangen, Englisch zu lernen und war als Kind den Sommer über öfters in England, auch in Internaten. Daher kommt es wahrscheinlich, dass man mir meine deutsche Herkunft nicht so anhört.
GL.de: Kannst du beschreiben, wie sich dein erster Zugang zur Musik gestaltet hat bzw. wie du überhaupt an die Musik heran geführt wurdest?
Norman: Als Kind war ich in einer Musikschule und habe dort etwas Cello gelernt, aber da war ich noch ganz klein und das hat nicht so ganz funktioniert. Dann habe ich Gitarre spielen gelernt und habe wohl diese typische deutsche Musikschul-Sozialisation hinter mir. Danach habe ich aber auch angefangen in Bands zu spielen. Ich habe also relativ früh mit Musik angefangen.
GL.de: Hatte das Auswirkungen darauf, dass du lieber als Solokünstler unterwegs sein wolltest?
Norman: Ja, ich war es schon irgendwann ein wenig leid, in Bands zu spielen. Deswegen habe ich angefangen, meinen eigenen Kram zu machen, der mit den jeweiligen Bands nichts zu tun hatte. Es gab Songs, die für eben jene Bands waren und dann hatte ich noch Songs, die dort nicht reinpassten und die haben sich dann mit der Zeit angesammelt, so dass ich sie irgendwann einfach selbst aufgenommen habe. Das hat mir dann vielleicht auch etwas besser gefallen, als diese ganze Bandsache. Bands sind immer so träge. Man muss immer alles diskutieren, außer man ist ein Diktator (lacht) und das bin ich nunmal nicht. Ich mag es nicht Leuten etwas aufzuzwingen. Vielleicht hat es auch damit etwas zu tun, dass ich solo unterwegs bin, weil ich so ungeduldig bin, wenn ich arbeite.
GL.de: Lässt dich diese Ungeduld bei der Arbeit zwischen den einzelnen Songs hin und her springen und du arbeitest an zehn Sachen gleichzeitig?
Norman: Nein, ich arbeite immer an einem Song und der muss dann eben schnell fertig werden. Ich habe noch einige Songs, die nicht auf dem Album gelandet sind und ein paar, die in einer Kiste verschwinden. Ich habe für das neue Album schon sehr strikt ausgewählt, welche Songs ich behalten möchte und welche nicht. Wir haben zwar noch mehr Lieder aufgenommen, aber am Ende wusste ich, welche gut und welche schlecht waren.
GL.de: Bist du jemand, der diese nicht verwendeten Songs dann links liegen lässt und nie wieder anrührt? Einige Künstler schwören darauf, dass manche ihrer Stücke schon einige Jahre auf dem Buckel haben und erst nach so langer Zeit reif sind.
Norman: Das ist bei mir eigentlich nicht der Fall. Es gibt auf der neuen Platte einen Song, "Landslide", dessen Melodie gibt es schon etwas länger. Sogar schon, als ich das erste Album aufgenommen habe. Da hatte ich auch einen Text dazu, aber wenn nicht alles sofort zusammen passt, dann befasse ich mich nicht unnötig lange damit. Als wir uns im Studio aber noch einmal ein paar Demos angehört haben, haben wir uns schnell geeinigt, dass dieser Song einen Text braucht. Selbst das hat aber eine Weile gedauert. Das ist auch der einzige Song, an dem ich über längere Zeit gearbeitet habe. Am Ende gab es auch vier Texte dazu.
GL.de: Also lohnt es sich manchmal doch bestimmten Songs eine zweite Chance zu geben?
Norman: Ja, manchmal schon, aber nicht so oft (lacht). Normalerweise muss es sich schon von Anfang richtig anfühlen. Wenn ich das Gefühl habe, dass schon am Anfang nicht alles passt, dann stimmt irgendetwas nicht und ich belasse es dabei.
GL.de: Deine Musik funktioniert in simpler Form, wenn du zum Beispiel live nur auf deine Gitarre als Stütze zurück greifst, ebenso wie mit mehreren Mitspielern, wie es auf dem Album der Fall ist. Macht das für dich einen guten Pop-Song aus?
Norman: Ja, ich glaube schon. Das war auch schon der Ansatz bei meinem ersten Album. Da habe ich ja auch auf alles andere verzichtet und mir bewusst gesagt, wenn der Song gut genug ist, dann funktioniert er auch nur mit der Gitarre, der Stimme oder dem Klavier. Andererseits kann man mit zusätzlichen Instrumenten natürlich auch viel mehr Atmosphäre erzeugen und ich habe gelernt, dass es auch von Vorteil für die Musik sein kann mehr Instrumente mit einzubauen. Auf dem neuen Album gibt es daher auch Instrumental-Parts, was bei der ersten Platte gar nicht der Fall war. Dort war die Struktur Strophe, Refrain, Strophe und nicht mehr. Jetzt gibt es schon Momente, die einen bewusst instrumentalen Charakter haben. Ich wollte nicht noch einmal eine Platte machen, die so klingt wie die erste. Das Grundmaterial basiert auf der Gitarre, aber was danach passiert, kann ich entscheiden und ich kann der ganzen Sache anschließend eine Form geben. Jetzt sind wir auf der Bühne ja auch zu dritt. Ich wollte schon so ein richtiges Pop Album machen, aber gleichzeitig auch das bewahren, was meine Musik und ihre Stimmung vorher ausgemacht hat.
GL.de: Wie ist es, als "Der Lady Gaga von CitySlang" bezeichnet zu werden?
Norman: (lacht) Ich glaube, das ist so gekommen, weil CitySlang nicht das gängige Pop Label ist und meine Platte eben doch sehr poppig und eingängig erscheint. Der Chef von CitySlang meinte, dass es die wohl poppigste Musik ist, die dort je heraus gebracht wurde. Der Lady Gaga-Vergleich kommt wohl daher, dass sie eine Pop-Figur ist, die sich zwischen Musik und Kunst bewegt, was auch bei mir vom Ansatz her ähnlich ist. Grundsätzlich bin ich natürlich völlig anders, denn Lady Gaga hat ein ganz unterschiedliches Pop-Verständnis, vor allem was ihre Inszenierung angeht. So etwas mache ich ja nicht (lacht).