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02.12.2014
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10+10

MISS KENICHI

Miss Kenichi
Wohlklang, aber mit Ecken und Kanten - so lässt sich das dritte Album des Berliner Allroundtalents Katrin Hahner alias Miss Kenichi vielleicht am besten beschreiben. Nach sechsjähriger Veröffentlichungspause tummelt sich die Singer/Songwriterin mit "The Trail" in ähnlichen Sphären wie Sophie Hunger, Mirel Wagner oder Anna Calvi und kredenzt uns feinsinnigen Kammerpop mit betont künstlerischer Note, der vom Wechselspiel aus Licht und Schatten lebt und gleichermaßen melancholisch und tröstend anmutet. Den ausgefuchsten Arrangements zum Trotz bleibt ihr Gesang stets erfreulich unaufgeregt, der Gesamtsound angenehm dezent. Dafür sorgen nicht zuletzt auch die prominenten Mitstreiter, etwa der inzwischen in Berlin heimische Ausnahmeschlagzeuger Earl Harvin, der in der Vergangenheit bereits mit Größen wie Joe Henry, Air oder Seal zusammenarbeitete und seit einigen Jahren zudem Drummer der Tindersticks ist, Terry Edwards von Gallon Drunk oder Chris Bruce (Meshell Ndgeocello, Chris Connelly), die allesamt Miss Kenichis neues Werk veredelten. Fast ein Jahrzehnt nach ihren ersten Schritten als Musikerin hat sich für Miss Kenichi aber nicht nur der Aufwand vergrößert, den sie betreibt. "Heute nehme ich die Sache ernster und mich selbst weniger", erzählt sie, als wir sie vor ihrem feinen Konzert in der Wuppertaler Galerie Grölle treffen, wo passendererweise gerade ihre alte Freundin Julia Keppler ausstellt. "Anfangs war mein Blickwinkel viel kleiner. Ich war sehr mit mir selbst beschäftigt. Heute habe ich einen viel weiteren Blick, und der erweitert sich immer mehr. Ich hab ja zum Beispiel bei der neuen Platte auch meine Kunst mit einbezogen. Wenn ich mit so tollen Musikern wie beim neuen Album zusammenarbeite und so viel rumkomme, dann merke ich, dass meine eigene Person gar nicht mehr so wichtig ist." Unsere zehn Fragen beantwortete sie dennoch gerne.


1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?

Gute Musik öffnet einen. Sie holt einen ab und nimmt einen mit. Sie bringt einen dorthin, wo man hin soll, aber vielleicht nicht immer hin will. Gute Musik ist auch die, die manchmal warten kann, die manchmal eine Weile im Schrank liegt, bis man sie entdeckt. Außerdem stellt gute Musik gute Fragen oder gibt gute Antworten.

2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?

Auf jeden Fall die Tatsache, dass ich das Album mit Earl Harvin zusammen aufgenommen habe. Zuvor hatte ich noch nie mit jemandem so nah zusammengearbeitet, sondern immer alles allein gemacht und ab und zu mal jemanden dazugeholt. Dieses Mal war es eben so, dass über die paar Jahre, die wir zusammen gespielt haben, die Verbindung so eng wurde, dass es eigentlich total logisch war, dass wir auch das Album zusammen aufnehmen. Alles andere wäre ziemlich seltsam gewesen. Das war schon sehr besonders, mal im Studio den Raum zu verlassen, während jemand anders an meiner Musik arbeitet. Ich habe tiefes Vertrauen in Earl, dass er das Richtige mit der Musik macht! Allein diese Entspannung - das war so unglaublich schön!

3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?

Weil ich denke, dass es den, der sich berühren lässt, berühren kann!

4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft?

Oh! Hmm, das weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau. Vermutlich Drinks. Aber ich weiß, dass ich meine allerersten kleinen Gagen schon gespart habe, um mir meinen Fender-Deluxe-Verstärker kaufen zu können. Zuvor hatte ich nur so einen geborgten Guyatone-Verstärker mit einem Wackelkontakt, auf den man - auch beim Gig - ständig draufhauen musste. Aber von Anfang an war mein erklärtes Ziel: Der Wackelkontakt muss weg!

5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest?

Lustigerweise wollte ich zuerst alles andere als Musikerin werden. Zunächst wollte ich Schriftsteller werden, dann habe ich ja Schauspiel studiert und dann auch noch Malerei, und da war es so - und da kommt jetzt auch die Ausstellung hier in Wuppertal ins Spiel -, dass Julia Keppler meine Atelierkollegin war. Ich hatte damals einen richtigen Malerblock, und eines Tages brachte sie ihre Gitarre mit ins Atelier. Die habe ich mir genommen und einfach angefangen zu spielen - und es war, als hätte ich gefunden, wonach ich ewig gesucht hatte! Zwei Monate lang habe ich von morgens bis nachts Gitarre gespielt. Gewissermaßen hat sich die Musik also von selbst in mein Leben reingeschlichen.

6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits?

Oh, ich habe tausend Träume! Ich lebe meinen Traum, aber ich wache jeden Morgen mit einem neuen Traum auf. Es gibt immer was zu tun und man kann immer alles besser machen, noch genialere Menschen treffen, noch tollere Orte sehen, noch schönere Bilder malen, noch mehr Connections zwischen verschiedenen Sachen herstellen. Ich träume eigentlich die ganze Zeit!

7. Was war deine größte Niederlage?

Ich empfinde eigentlich nichts in meinem Leben als Niederlage. Man kann immer alles rumdrehen und etwas daraus lernen. Eine Niederlage wäre es höchstens, wenn man der Angst mehr glaubt als dem Herzen.

8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?

Mit meiner Band zu spielen! Jeder Einzelne - die Besetzung wechselt ja immer ein bisschen - ist so toll! Mit ihnen zu spielen, macht mich unfassbar glücklich!

9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

(lachend) Über schlechte Musik denke ich nicht nach! Schlechte Lieder vergesse ich sofort wieder. Die dürfen gar keinen Platz einnehmen in meinem Kopf!

10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen?

Billie Holiday, Mark Hollis und auf jeden Fall Flannery O'Connor!

Weitere Infos:
www.misskenichi.com
www.facebook.com/misskenichi
misskenichi.bandcamp.com

Text: -Gaesteliste.de-
Foto: -Antje Taiga Jandrig-
Miss Kenichi
Aktueller Tonträger:
The Trail
(Sinnbus/Rough Trade)
 

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