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WOODEN WAND
Wooden Wand
James Jackson Toth alias Wooden Wand ist ein im positivsten Sinne Musikverrückter. Gerade einmal 34 Jahre ist der amerikanische Tausendsassa alt, trotzdem hat er bereits Dutzende Platten in allen erdenklichen Formaten veröffentlicht: Auf Vinyl, auf Tape, auf CD-R brachten berühmte Underground-Label wie Kill Rock Stars, Young God, Ecstatic Peace! und, und, und die Werke des umtriebigen Singer/Songwriters unters Volk. Als Paradebeispiel für das New Weird America tobt sich der begeisterte Plattensammler, der inzwischen so viel Musik sein Eigen nennt, dass er Teile seiner Sammlung aus seiner Wohnung auslagern musste, in allen erdenklichen Spielarten des Americana aus. Das tun viele andere derzeit natürlich auch, doch nur ganz, ganz wenige machen es mit so viel Seele und Authentizität wie Toth. Anders als viele ähnlich inspirierte Künstler des Indie-Folk-Booms, denen ein bisschen Lagerfeuer-Geschrammel und ein paar unschuldige La-la-las genügen, hat er nämlich nicht nur ein untrügliches Gespür für detailverliebte, im besten Dylan'schen Sinne pikareske Texte mitten aus dem Leben eines Außenseiters, sondern auch ein Händchen für einen mal wohlig-warmen, mal schrullig-experimentellen Sound, mit dem er Country, Folk, Rock'n'Roll, Psychedelic und Soul bruchlos zusammenfließen lässt. Zugegeben, Neil Young & Crazy Horse hallen in vielen Wooden-Wand-Songs wider, allerdings kanalisiert Toth den Sound seines Idols so genial, wie es sonst wohl nur Mercury Rev oder Mojave 3 können. Wir trafen den wunderbar bodenständigen Vollbartträger vor dem ausgezeichneten Wooden Wand-Konzert in der Essener Zeche Carl und sprachen mit ihm über die Leidenschaft zur Musik und seine ausgezeichnete aktuelle Platte, "Blood Oaths Of The New Blues".

1. Was ist deine Definition von "guter Musik"?

Gute Musik vereinnahmt dich und lässt dich vergessen, dass du Musikern zuhörst, gewissermaßen 3D für deine Ohren. Du sitzt in einem Raum und hörst Freddie Hubbard oder Captain Beefheart und die Musik wird einfach Teil der Umgebung. Gute Platten lösen Gefühle in dir aus. Ich hasse eine Platte lieber als dass sie mir egal ist. Das Gleiche gilt für meine eigene Musik: Es ist mir lieber, dass die Leute sie hassen, als dass sie ihnen egal ist. Es ist wie bei jeder Form von Kunst: Es kommt darauf an, dass sie eine Reaktion auslöst.

2. Was war der wichtigste Einfluss bei den Aufnahmen zur neuen Veröffentlichung?

"Blood Oaths Of The New Blues" ist die erste Platte seit dem Ende meiner alten Band, The Vanishing Voice, die in der gleichen Besetzung wie ihr Vorgänger aufgenommen wurde. Das hat uns ermöglicht, etwas weniger höflich miteinander umzugehen, und das hat dazu geführt, dass dieses Mal alles viel kollaborativer war. Beim Vorgänger, "Briarwood", kam ich mit den fertigen Songs zu den Musikern und hab sie ihnen beigebracht. Einige Parts haben sie zwar selbst beigesteuert, aber ich war fraglos der Kapitän des Teams. Für "Blood Oaths" haben dagegen eine Reihe Individuen zusammengearbeitet. Das hat mir viel Spaß gemacht, zumal ich keinen klaren Plan für das neue Album hatte. Bei "Briarwood" war von vornherein klar, dass es eine Rock'n'Roll-Platte werden sollte. Bei "Blood Oaths" habe ich den Musikern die Chance gegeben, die Richtung zu bestimmen. Dass es auf der Platte so viel Harmonium zu hören gibt, liegt zum Beispiel einfach daran, dass Brad Davis, der Drummer, eins zu den Aufnahmen mitbrachte. Da wurde uns bewusst: Ja, wir mögen alle Nico, und deshalb haben wir das Harmonium einfach eingebaut und es spielt jetzt auf der Platte eine zentrale Rolle. Unsere nächste Platte wird dagegen wieder vollkommen anders klingen - und genau das macht mir Spaß.

3. Warum sollte jeder deine neue Veröffentlichung kaufen?

Oh, schwierige Frage. Vielleicht, weil "Blood Oaths" ein Gipfelpunkt für mich ist. In der Vergangenheit hatte ich immer Schwierigkeiten, jemandem eine einzige meiner vielen Platten zu empfehlen, wenn es darum ging, welche davon mein Schaffen am besten zusammenfasst. "Blood Oath" dagegen ist die erste Platte seit langer Zeit, die sich so anfühlt, als fasse sie alles zusammen, was ich bis zum jetzigen Zeitpunkt gemacht habe. Der Schwerpunkt liegt auf dem Songwriting, aber wir legen auch viel Wert auf das, was gerne als Psychedelia, Country, Folk und Drone bezeichnet wird. Außerdem gibt es einen leichten Metal-Einschlag, und all diese Dinge sind mir sehr wichtig.

4. Was hast du dir von deiner ersten Gage als Musiker gekauft?

Gute Frage! Ich hätte es vermutlich am besten in mein Equipment investieren sollen, aber ich bin sicher, dass ich es in Platten angelegt habe. Das Plattensammeln ist meine größte Schwäche. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber in der Regel kaufe ich mit allem Geld, was ich irgendwie erübrigen kann, Platten.

5. Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass du Musiker werden wolltest?

Ich stamme aus einer Heavy Metal-Familie. Mein Cousin Peter hat bei Type O Negative und zuvor bei Carnivore gespielt, und mein Vater hat immer Ozzy und Judas Priest und solche Sachen gehört. Meine Mutter mochte dagegen eher Blondie oder Elvis. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich einer besonders musikalischen Familie entstamme, aber Musik war allgegenwärtig. Irgendwann hat mich mein Vater dann zum Little League Baseball angemeldet, aber ich bin gleich beim ersten Mal die Bases in der falschen Richtung abgelaufen - ein sehr peinlicher Fehler. In der gleichen Woche hat mir mein Vater dann eine Handvoll Platten gekauft - Pop-Zeug von Howard Jones, Mr. Mister oder Tears For Fears -, und als er merkte, dass mich das viel mehr interessierte als Baseball, meinte er: "Okay, dann kaufen wir dir wohl besser eine Gitarre!"

6. Hast du immer noch Träume - oder lebst du den Traum bereits?

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich eher den Albtraum lebe. Trotzdem bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich tue. In den letzten beiden Jahren konnte ich allein von der Musik leben, wenn man mal davon absieht, dass ich via Discogs und eBay oder mit gelegentlichen Anstreicherjobs mein Einkommen etwas aufbessere. Das sind aber alles temporäre Sachen, die der Musik nicht im Weg stehen. Wenn ich dieses Level halten kann, wäre das vollkommen okay, zumal ich eine Familie habe, die mich toll unterstützt. Auch wenn das Leben als Musiker natürlich viele Tiefschläge mit sich bringt, ist es doch viel besser, als in einem Call-Center oder so etwas zu arbeiten.

7. Was war deine größte Niederlage?

Ich bereue, bei einem Major unterschrieben und dabei die Lektionen des Punk vergessen zu haben. Als Kind hatte ich "Maximum Rock'n'Roll", "Heart Attack" und "Punk Planet" gelesen und wusste alles über die bösen Großkonzerne. Trotzdem habe ich mich verleiten lassen, bei einem Major anzuheuern. All das, vor dem Steve Albini immer gewarnt hat, ist mir passiert - es war eine Katastrophe! Die Platte, die dabei entstand, bereue ich nicht, aber diese Phase hat für viel Ärger auf künstlerischer und privater Ebene gesorgt. Ich wäre definitiv besser beraten gewesen, mich auch weiterhin an Label wie Kill Rock Stars, Young God oder Ecstatic Peace! zu halten, die mir immer toll unter die Arme gegriffen haben.

8. Was macht dich derzeit als Musiker am glücklichsten?

Das Überleben, die Tatsache, dass ich mich mit der Musik über Wasser halten kann, macht mich glücklich. Außerdem ist es großartig zu hören, dass meine Musik einen Widerhall beim Publikum auslöst. Es gibt Menschen, die mir erzählt haben, dass sie sich verliebt haben, während sie meine Musik gehört haben, oder dass ihr erster Tanz auf ihrer Hochzeit zu einem Lied von mir war. Das ist eine Währung, die sich nicht quantifizieren lässt. So etwas kann mein Vater zum Beispiel nicht vorweisen. Ich dagegen darf mir einbilden, dass ich etwas Dauerhaftes hinterlasse. Das macht mich sehr glücklich.

9. Welches ist das schlechteste Lied, das je geschrieben wurde?

"American Pie", den Song hasse ich wirklich. Viele halten Radio-Popsongs für hassenswert, aber mich regen Lieder mehr auf, die hochtrabende Ziele haben, sie aber noch nicht einmal annähernd erreichen. Der Song "American Pie" - ähnlich wie "Eve Of Destruction", den ich aber etwas lieber mag -, ist einfach unglaublich prätentiös. Dylans beste Songs waren das zwar auch, aber sie sind trotzdem poetisch und haben eine menschliche Note, die "American Pie" einfach nicht hat. "Fire is the devil's only friend"? Das ist doch absurd!

10. Wer - tot oder lebendig - sollte auf deiner Gästeliste stehen?

Oh, tolle Frage! Es gibt ein paar offensichtliche Namen, die ich kaum nennen muss, Neil Young zum Beispiel. Gerne würde ich Bruce Langhorne bei einer meiner Shows sehen. Er hat den "Hired Hands"-Soundtrack gemacht und ist einer meiner absoluten Lieblingsmusiker. John Fahey... Julius Hemphill... Ich könnte den ganzen Tag so weitermachen. Vielleicht auch noch ein paar Autoren, wenn sie tot oder lebendig sein dürfen? Hemingway! Cormac McCarthy! Vielleicht wären sie allerdings enttäuscht, wer weiß!

Weitere Infos:
www.woodenwand.org
www.facebook.com/woodenwand
twitter.com/woodenwand
Text: -Gaesteliste.de-
Foto: -Leah Hutchison Toth-
Wooden Wand
Aktueller Tonträger:
Blood Oaths Of The New Blues
(Fire Records/Cargo)


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