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10.09.2005
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75 Minuten 100% Kunst und dann gings bergab

Wilco
Jonathan Rice

Berlin, Postbahnhof / Hamburg, Markthalle
10.09.2005 / 11.09.2005

Wilco
Der sehr junge Schotte Jonathan Rice, der sich bei beiden Konzerten – aus welchen Gründen auch immer – als Kalifornier ausgab und mit einem Cover von "Cold Jordan" begann, wirkte eher austauschbar, auch wenn er in Berlin doch tatsächlich eine Zugabe spielen durfte. Das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, weswegen die Leute gekommen waren: wegen Wilco nämlich. Und vielleicht wegen Jeff Tweedy, dem stillen, verqueeren Kopf der Band.

Und der ist Perfektionist. So wurde der Hauptteil der Deutschlandkonzerte zu einem sorgfältig artikulierten, perfekt abgestimmten Gesamtkunstwerk, bei dem bewusst auf sämtliche Ansagen oder Publikumsanmache verzichtet wurde. Gestört hat es wohl niemanden so richtig, zu sehr wurde man von den grazilen Songs, spröden Gitarren und schmeichelden synthetischen Klängen und gelegentlich auch destruktiven Lärm-Attacken ("Via Chicago") eingenommen. Darüber schwebte Tweedys Stimme, deren Potential er bei "Sunken Treasure" auslotete und die ihn während der kehligen dritten Strophe des das Berliner Konzert abschließenden "I Shall Be Released" fast so klingen ließ wie Dylan dereinst im Keller des Big Pink. Dass in Hamburg "Jesus Etc." und "Hell Is Chrome" hintereinander gespielt wurden, war wohl dezent eingebauter Humor. Richtig witzig wurde es aber erst, als Nels Cline den Anfang von "Ashes Of American Flags" vermasselte, worauf Tweedy nur meinte: "Okay, straight face."

Während im Hauptteil die Kunst im Mittelpunkt stand, wurde in der Zugabe gerockt: "I'm The Man Who Loves You", "Kingpin" (mit Publikumsbeteiligung), "I'm A Wheel". Und plötzlich redete Tweedy. Man habe mit Absicht nichts gesagt, und jetzt, naja: "100% art for 45 minutes or so and then it went downhill from there."

Wünsche nach traurigen Liedern (ein Fan hatte nach "How To Fight Loneliness" gerufen) quittierte Tweedy in Hamburg mit einem leicht schnippischen "We've started to rock, there's no turning back". Nach dem neuen Song "Walken" folgte noch das versönliche "Be Not So Fearful", dann war das letzte von vier Konzerten in Deutschland zu Ende. Man habe noch nie so eine gute Zeit in Deutschland verbracht, hatte Tweedy zuvor versichert, und man muss es ihm wohl glauben. Gerüchten zufolge wird es schon im November weitere Konzerte in Europa geben.

Surfempfehlung:
www.wilcoworld.net
www.johnathanrice.com

Text: -Christian Spieß-
Foto: -Pressefreigabe-
 

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