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05.02.2001
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Fette Hafenklänge

Blackmail

Hamburg, Hafenklang
05.02.2001

Blackmail
Die Szenerie erinnert an die Atmosphäre des Endzeitthrillers "Do Androids Dream Of Electric Sheep". Es ist dunkel, kalt und der Regen bildet eine Wand vor dem kleine Club am Hamburger Hafen. Von anderen Elbufer schallen mal eiserne, mal dumpfe Töne von den Docks herüber. Die Lichter in ebenso weiter Entfernung, sich im Eiswasser der Elbe spiegelnd, erzeugen nicht den Hauch von Wärme. Drinnen verschachtelte Beats und nur sehr allmählich ansteigende Temperaturen. Die Tresenfee, soeben noch mit übergroßen roten Handschuhen im Sanitärbereich zugange, schenkt mit sichtlicher Überzeugung alkoholfreie Bionade aus. Mit einem Blick auf den charmanten (aber ein wenig verwirrten) Herrn am Kassenpult, der dasselbe Sportgetränk goutiert, entscheiden wir uns für den herkömmlichen Biergenuss. Nicht genug der seltsamen Szenerie: Ein Herr, jenseits der 50 und recht wohlernährt, betritt den Raum. Beim Aufbau seines Gepäcks entpuppt er sich als der Amorecharmeur aus dem aktuellen Blackmail-Video. Auch eine Idee für einen Support - Hafenklang meets Cafe Keese. Auf der falschen Hochzeit? Mitnichten! Dem Publikum gefallen die Orgelklänge und manch einer schein sich an eigene, pubertäre Gehversuche zu erinnern. Eine halbe Stunde später ist die Betriebstemperatur erreicht und ohne große Pause betreten Blackmail um Viertel nach Elf die kleine Bühne.

Blackmail
Vom ersten Augenblick erscheint es, als wolle man allen Naturgewalten trotzen. Die Band um den charismatischen Frontmann Aydo Abay legt innerhalb der folgenden Stunde Spielzeit eine Energie an den Tag, die anderen auch für einen weit längeren Auftritt gereicht hätte. Blackmail komprimieren diese auf ein nahezu perfekt kompaktes Format. Die Songs stammen, wie erwartet, fast ausschließlich vom kommenden Album "Bliss, Please". Dass am heutigen Abend einige der gut 100 Besucher bereits mit den Songs vertraut sind, verwundert in der Medienstadt Hamburg nicht wirklich. Geändert hat sich nicht viel. Die stets imponierende Wall of Sound steht mitten im Raum, laut und klanglich dennoch vom Feinsten. Druckvoller Bass und erstaunlich deutliche Vocals erfreuen die Gehörgänge und lassen Songs wie "Data Buzz", "Amelia", oder "Same Sane" zum (Live-)Erlebnis werden. In letzterem erinnern die dezent eingesetzten weiblichen Backgroundvocals ein wenig an Boas Voodooclub. Nachdem am Abend zuvor in Berlin noch der Mischer eine arge Portion Fett wegbekam, herrscht heute bühneninterner Flachs vor. Die Jägermeisterflasche als Maskottchen auf der Backline drapiert, dringt man in höhere Sphären vor: "Let's see, what's over the galaxy..." heisst es in "Amelia" und begeistert mit einem fulminanten Gitarrenoutro des Herrn Ebelhäuser. Ebenso überzeugend "Frop" mit kosmischem Backgroundteppich im Refrain.

Nach dem eigentlichen Set dann zur Krönung die, bereits vom letztjährigen Bizarre-Auftritt bekannten "Ken I Die" und "The Day The Earth Stood Still". Nach letztgenannter und instrumentaler, sich ins scheinbar unendlich steigernden Kifferhymne bleiben keine Wünsche offen. Blackmail haben das Haus gerockt Die Eingangsszenerie hat ein völlig anderes Gesicht erhalten oder, wie es im vorletzten Song heißt: "It' s so cosy in hell..." Als wir draußen den nassen, tiefschwarzen Asphalt wieder betreten, ist der Regen dem Wind gewichen. Die Klänge von eben dagegen hallen noch lange nach.

Text: -Michael Kellenbenz-
Fotos: -Pressefreigaben-
 

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