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19.03.2006
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Reise zum Mittelpunkt der Romantik

Element Of Crime
Home Of The Lame

Köln, Palladium
19.03.2006

Element Of Crime
"Wir heißen Home Of The Lame und haben auch eine CD", verkündete Felix Gebhard, seines Zeichens Vorsitzender des Grand Hotel van Cleef-Signings gleichen Namens zu Beginn der Show. Sehr viel mehr erfuhr man denn über die Band oder die Songs nicht. Anders als die Labelkollegen Tomte oder Kettcar singen HOTL englisch. Oder amerikanisch. Denn ihre Musik ist der alternativ angehauchte amerikanische College-Gitarren-Pop - so ungefähr Richtung frühe R.E.M., aber eine Spur bedachter und kontrollierter. HOTL verstehen etwas von Dramatik und Songaufbau. Ihre Stücke brauchen ein wenig, sich aufzuschaukeln - entwickeln dann aber ein z.T. erstaunlich leichtfüßiges Eigenleben und Dynamik. Das ist zwar alles nicht neu oder überraschend, aber mehr als solide. Denn HOTL haben einiges, was für sie spricht: Die besagten Songs brauchen internationale Vergleiche nicht zu scheuen, bei HOTL macht der Einsatz eines Keyboards durchaus Sinn und Frontmann Felix hat nicht nur einen beeindruckenden Reinhold Messner-Bart, sondern auch eine beeindruckende Grummelstimme. Auch wenn es nicht nachzuvollziehen war, wo da der Verbindungspunkt zu Element Of Crime gewesen sein soll: HOTL lösten die undankbare Aufgabe des "Einheizers" als kompetente Rockband sicher und mit Würde.

Element Of Crime sind dahingegen nach wie vor keine Rockband und wollen es auch nicht sein. Auch wenn die Band gut drauf ist - und das war sie im ausverkauften Kölner Palladium offensichtlich -, bietet der Vortrag immer wieder Haken und Ösen, die dafür sorgen, dass es a) niemals langweilig und vorhersehbar wird, und es b) auch immer wieder Überraschungen gibt. Abrocken tun sie aber beim besten Willen nicht. Immer dann, wenn es mal etwas mehr Druck und Tempo gab (etwa bei "Finger weg von meiner Paranoia"), werden alle möglichen Stilrichtungen bemüht - von der Polka über den Swing bis hin zu Bo Diddley ("Immer auf der Flucht"), nur kein durchgezogener 4/4 Takt. Und gerade das zeichnet die Band dann letztlich auch irgendwie aus. Obwohl Sven Regeners Vorliebe für sentimentale Melodiebögen (im Interview kann er sogar den Winnetou-Filmmusiken positive Seiten abgewinnen) eigentlich direktemang zum Schlager hinführen müsste, finden sich doch in jedem EOC-Song die entscheidenden Wendungen, die das Ganze recht elegant retten. Weswegen auch die neuen Hits wie z.B. "Wenn der Winter kommt", niemals so richtig kitschig, sondern eher nachdenklich, melancholisch und ein wenig düster daherkommen - oder eben "romantisch". Die inhaltlichen Aussagen sind hingegen nur teilweise lustig: "Im Himmel ist kein Platz mehr für uns zwei" ist zum Beispiel schließlich Resignation pur. Vielleicht bieten gerade deshalb aber EOC-Konzerte wie dieses auch immer ein bisschen Seelenmassage?

Dennoch - und wie gesagt: Die Stimmung war super. Nachdem das Publikum schon nach dem Opener, der "Straßenbahn des Todes", in Begeisterungsstürme ausbrach, freute sich Sven - der sich heutzutage wieder eine Frisurtolle leistet -, dass man dann ja auch gleich so weitermachen könnte. Das Konzert war dabei recht interessant aufgebaut: Zunächst kamen die neuen Stücke vom "Mittelpunkt der Welt" zum Tragen, dann folgte ein Ausflug in die Frühzeit der Band - inklusive Tracks auf Englisch - schließlich gab's einen besinnlichen Balladenteil, bevor dann erst zum Schluss die übliche Best-Of-Mischung abgefeiert wurde. Sven machte sich einen Spaß daraus, immer wieder begeistert die Arme hochzureißen und "Romantik" ins Publikum zu rufen. Für eine Band wie EOC, die nun wahrlich alle Höhen und Tiefen des Business durchgemacht hat, ist es offensichtlich immer noch nicht alltäglich, auf ausverkauften Touren herumzuturnen. "Früher haben wir auch schon im Luxor gespielt", kündigte Sven z.B, den '88er Klassiker "Welcome To The World" an (der gleich auf eine sehr schöne Version von "Tumblin Tumbleweed" folgte), "ach nee - das heißt ja heute Prime Club, nicht wahr?" Das war ein kleiner Seitenhieb auf die Kölner Clublandschaft: Das Konzert war nämlich aufgrund des großartigen Vorverkaufes in die zweitgrößte Halle der Stadt verlegt worden, die natürlich ein Vielfaches des Fassungsvermögens des angesprochenen Prime Club hat. Wie fast schon üblich, war der Sound im Palladium nicht der allerbeste. Die Gitarren klangen im Verhältnis zum Gesamtsound zu laut und schrill und den nach dem Ausstieg von Christian Hartje nun endgültig auf den Bass umgestiegenen David Young sah und fühlte man zwar, hörte ihn aber nicht wirklich differenziert heraus. Die Verschlankung auf das Quartett-Format hat der Band hingegen gut getan. Zwar meinten früher die Bandmitglieder ja mit großer Begeisterung, dass sich Jakob Ilja und David Young als Gitarristen bestens ergänzt haben - im Vergleich zu früher wirkt ein EOC-Konzert heutzutage allerdings wesentlich transparenter, übersichtlicher und entschlackter. Zumal Sven Regener ja auch nach wie vor selber Gitarre spielt. Es kommt auch schon alleine deshalb nie der Gedanke auf, dass vielleicht etwas fehle, weil Jakob Ilja äußerst geschickt mit seinen Effektpedalen hantiert, so dass immer wieder neue Soundbilder auftauchen.

Außer den Gitarren gab's dann natürlich auch wieder Sven Regener, den Trompeter zu bewundern. Auch wenn hier kein Virtuose am Werk ist: Diese persönliche Note ist ein deutlicher Pluspunkt für den individuellen EOC-Sound, der live natürlich weit weniger differenziert ist, als auf den zuweilen reichhaltig arrangierten Studio-Scheiben. Gegenüber anderen, jüngeren deutschen Bands haben EOC darüber hinaus einen weiteren Vorteil: Ihr Publikum ist nicht oder selten betrunken (O-Ton eines Fans: "Heh die sind ja alle noch nüchtern hier."), weder vor noch während der Show, weil ja alle nachher im eigenen Auto nach Hause fahren müssen. Das führt zu vergleichsweise wenig haltlosem Gekreische, sondern statt dessen zu aufrichtiger, gespannter Aufmerksamkeit während des Vortrages und kontrolliertem Freudentaumel nach demselben. Die Atmosphäre während eines solchen Konzertes ist dann schon sehr zivilisiert. Dennoch waren sich nachher alle einig: Der Mittelpunkt der Welt - Delmenhorst, mutmaßlich - war symbolischerweise an diesem Abend ausnahmsweise mal in Köln. Das war Romantik pur! Schön, dass solch ein Erfolg ganz ohne Hype und aus eigener Kraft in dieser Altersklasse immer noch möglich ist.

Surfempfehlung:
www.element-of-crime.de
www.homeofthelame.com

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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