Fenster schließen
 
22.09.2006
http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=1359
 
Die Karten werden neu gemischt

Anajo

Düsseldorf, Pretty Vacant
22.09.2006

Anajo
Vor zwei Jahren waren Anajo so etwas wie die Band der Stunde. Das Album "Nah bei mir" war - das bestätigte nicht nur der Gaesteliste.de End-Jahres-Poll - die beste deutschsprachige Platte des Jahres 2004, und auch mit ihren Konzerten konnten uns die drei Augsburger restlos begeistern. Irgendwann kam dann allerdings etwas Sand ins Getriebe. Sei es, weil die Band Dutzende von Konzerten mit einem praktisch identischen Programm bestritt, sei es, weil es nun wirklich nicht einfach ist, den Standard eines Albums wie "Nah bei mir" zu halten und trotzdem neue Wege zu gehen.

Kein Wunder also, dass die nächste Platte (betitelt "Hallo, wer kennt ihr eigentlich wen?") inzwischen gleich mehrfach angekündigt und wieder verschoben wurde. Die Songs, die das Label der Band vor einigen Monaten - wenn auch noch nicht in den finalen Versionen - unter der Journaille verteilte, offenbarten auch warum: Sound- und songtechnisch klang dort vieles nach "Nah bei mir Teil 2", ohne sich à la "Monika Tanzband" oder "Ich hol dich hier raus" als ohrwurmig aufzudrängen. Bevor das Album nun im Februar 2007 endlich erscheinen soll, wollten Anajo auf Tournee beweisen, dass auch weiterhin mit ihnen zu rechnen ist - und das ist ihnen geglückt.

Zwar stand auch der Tourneestart unter einem schlechten Stern - Drummer Ingolf Nössner erlitt einen Hörsturz und musste kurzfristig und temporär durch Mark Boysen von Dear Henry Bliss ersetzt werden - aber das tat der Freude über den Auftritt in der Düsseldorfer Altstadt keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die kleinen Ungereimtheiten wie lachend versägte Songintros und längere charmante Diskussionen über die Setlist gaben dem Auftritt die Spontaneität, die Anajo zuletzt hier und da hatten vermissen lassen. Ganz abgesehen davon, dass Boysen ganz offensichtlich ein großer Fan der Band ist und bisweilen begeistert mitsang - auch ohne Mikro.

Los ging's zwar erst einmal mit knapp einer Handvoll alter Songs, doch selbst dabei war interessant zu sehen, wie sich die Highlights nach zwei Jahren gewandelt haben: Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet "Die Sonne über Haunstetten" als das heimliche Highlight eines kompletten Konzertes entpuppen würde? In Düsseldorf tat es das. Nicht nur ob des Enthusiasmus' des Publikums, sondern auch, weil es geradezu ungewohnt frisch und dynamisch daherkam.

Gekommen waren wir natürlich, um neue Songs zu hören, und die konnten live wesentlich mehr überzeugen als in den zuvor gehörten Studio-Rohfassungen. "Mein lieber Herr Gesangsverein" klang live wesentlich rauer, was der Nummer aber ausgesprochen guttat (man stelle sich den Unterschied ähnlich vor wie zwischen der Produktion von "Tanz Tanz Band" und "Nah bei mir"), und auch das bei der Zugabe gespielte "Hotelboy" hatte auf der Bühne wesentlich mehr Drive. Das beste der neuen Lieder dagegen war "Gleis 7, 16 Uhr 10", das sich textlich wie musikalisch am deutlichsten von den "Nah bei mir"-Songs abhob und dennoch irgendwie typisch Anajo war. Auch sehr nett: Die Nummer "Amsterdam-Mann" gab's solo nur von Sänger / Gitarrist Oliver Gottwald gespielt, und sie mutierte am Ende gar noch zu Kraftwerks "Das Modell"!

Die größte Ekstase vor der Bühne gab es natürlich dennoch bei "Monika Tanzband" (das breite Grinsen auf dem Gesicht von Bassist Michi Schmidt ob des ausflippenden Publikums war fast so viel wert wie der Song selbst), und ganz zum Schluss hieß es: "Ich hold dich hier raus". Das war natürlich als Motto ein wenig fehl am Platze, schließlich hätten wir Anajo nämlich gerne noch länger gehört. Wenn schon eine Textzeile als Fazit herhalten muss, dann doch eher eine aus dem Eröffnungssong "Vorhang auf": Die Karten werden neu gemischt!

Surfempfehlung:
www.anajo.de
www.myspace.com/anajomusic

Text: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Carsten Wohlfeld-
 

Copyright © 2006 Gaesteliste.de
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Gaesteliste.de