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17.11.2012
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Wellengang

Beth Orton
Sam Amidon

Köln, Studio 672
17.11.2012

Beth Orton
Ganze sechs Jahre nahm sich Beth Orton frei vom Musikbusiness - zog in dieser Zeit zwei Kinder auf, nahm Unterricht bei Bert Jansch, heiratete und wagte schließlich mit dem Album "Sugaring Season" einen Neubeginn, nachdem sie zuvor eigentlich gedacht hatte, ihr Potential schon ausgeschöpft zu haben (wie man ihr das seitens der Plattenfirma nahelegte). Dass dem nicht so ist, konnten die Fans im überfüllten Studio 672 nun anlässlich eines ihrer in unseren Breiten eh seltenen Live-Auftritte nachvollziehen. Unterstützt wurde Beth hierbei von ihrem jetzigen Ehemann, Sam Amidon, der ihr auch bei der Gestaltung des Albums unter die Arme gegriffen hatte.

Amidon ist eigentlich ein amerikanischer Folkmusiker und leicht wahnsinnig. Jedenfalls bestand er an diesem Abend darauf, dass er eine Band sei, was er durch den ständigen Wechsel seines Instrumentariums (Fidel, Banjo und Gitarre) auch demonstrierte. Dabei spielte er die Songs - Traditionals, Kinderlieder und Folkweisen - weniger als dass er sie illustrierte. So begann er sein Set etwa mit einem gälisch anmutenden Jig, schlief dann aber musikalisch auf der Geige ein und wachte mit quietschenden Sägegeräuschen wieder auf. Dann bat er das Publikum, ihm bei einem Shout & Response-Kinderlied zu unterstützen, bevor er schließlich "Mein lieber Mai" des großen, deutschen "Folkkünstlers" Robert Schumann anstimmte und dieses dann in einen "Robert Schumann Blues" umbog. Unterhaltsam war das schon, was Amidon da vorführte - nur eben auch ein wenig wahnsinnig.

Beth Orton trat dann mit einem für eine Brit-Award prämierte Veteranin geradezu sympathischen Zaudern vor das Publikum. Zu groß war da wohl die Unsicherheit, inwieweit sich die Fans ihrer noch erinnern konnten. Diese war freilich unbegründet, denn das Konzert hätte gut und gerne auch in den größeren Stadtgarten verlegt werden können: Die Fans hatten Beth definitiv nicht vergessen - und auch nicht ihr Material. Quasi jeder Song, den sie ankündigte, wurde von enthusiastischen Intimi bejohlt - und beklatscht sowieso. Das, worum es sich bei Beth Orton dann dreht, ist der Gesang und weniger die Struktur eines Songs und schon gar nicht die Arrangements (die - nebenbei bemerkt - auf "Sugaring Season" recht aufwendig, aber subtil in Szene gesetzt wurden). Deswegen basieren ihre Stücke mehrheitlich auch weniger auf dezidierten Melodien (obwohl es diese, wie z.B. bei "Something More Beautiful" auch gibt), sondern in der Tradition des britischen Folk, auf flachen Songstrukturen mit wenigen Akkorden, die Beth (und mehr noch Sam Amidon) filigran umspielte und somit eine Atmosphäre schuf, in der die Stimme dann eben alle Entfaltungsmöglichkeiten hatte.

Die Folge waren dann Performances, die sich in Wellenformen bewegten, die aber dann doch wieder nicht so stark gerieten, dass sich dieser Eindruck des Verlierens (in Klangwolken etwa) einstellte, der sich öfter bei Beth Ortons CDs bildet. Und schließlich ging es noch darum, die Lyrics in den Vordergrund zu stellen. Auf "Sugaring Season" geht es - nicht besonders überraschend - um das Durchhalten, sich selbst finden und das Überwinden von Verlusten. Worte sind demzufolge wichtig für Beth - auch die Anderer, wie etwa das zum Song umgeschriebene Gedicht William Blakes, "Poison Tree", verdeutlichte. Sam Amidon stieß immer mal wieder zur Begleitung oder zum Gitarren-Stimmen hinzu und zwei Mal begab sich Beth auch ans E-Piano. Als sich dann immer mehr herausstellte, dass von dem Publikum offensichtlich keine Gefahr ausging, taute Beth auch als Performerin auf, erzählte von ihren Abenteuern in Köln (verrückter Taxifahrer, 1.000 Jahre altes Hotel, höchster Dom Kölns usw.) und forderte schließlich das Publikum auf, Wünsche zu äußern - nur bitte nichts aus dem Grabe und auch nichts zu Komplexes. Aber Tracks wie "Sugar Boy" durften es dann schon sein. Kein Zweifel: In Köln zeigte sich eine Songwriterin, die mit ihrem zeitlosen, linearen Stil ihren Platz definitiv gefunden hatte. Dazu braucht es keine Gimmicks und auch die Anfänge aus dem elektronisch geprägten Chemikal Brothers-Umfeld sind heute vergessen. Beth Orton is back und es hörte sich hier nicht so an, dass sie so schnell wieder verschwinden wird.

Surfempfehlung:
www.bethortonofficial.com
www.facebook.com/BethOrtonOfficial

Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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