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30.09.2013
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Mondschafe

Anna von Hausswolff
Julia Kent

Köln, Gebäude 9
30.09.2013

Anna von Hausswolff
Und wieder ein Mal gab es ein Konzertereignis zu beobachten, in dem Support-Act und Headliner musikalisch zueinander passten. Das wird doch wohl keine neue Mode sein? Jedenfalls war allen Besuchern von vorneherein klar, dass nicht mit einem typischen Rock-Abend zu rechnen sein würde - denn wie will man mit einer Kirchenorgel (die sich Anna von Hausswolff nun mal als Fetisch ihrer Wahl ausgesucht hat) auch rocken? Insofern herrschte von Anfang an gespannte Aufmerksamkeit, als zunächst ein Mal Julia Kent die Bühne erklomm.

Eingeweihten ist die zur Zeit angesagteste Cellistin außerhalb klassischer Zirkel zum Beispiel als Mitglied bei Antony And The Johnsons bekannt und auch durch ihre Zuarbeit für praktisch jeden, der etwas mit Cello-Sounds anfangen kann und gelegentlich als Filmkomponistin. Doch auch als Solo-Künstlerin ist die Kanadierin regelmäßig unterwegs und hat zudem soeben ihr aktuelles Album "Character" veröffentlicht. Auf ihren Alben beschäftigt sich Julia - auf rein instrumentaler Ebene - mit Querverbindungen zwischen Organischem, Spirituellem, der Natur und dem Menschen, der Entfremdung, den Nöten unserer Zeit und anderem Universellem. Das bedeutet, dass sich der Zuhörer schon auf den Flow des Ganzen einlassen muss, denn erklärende Worte gibt es ja nun mal nicht. Außer einer An- und Absage benötigte Julia demzufolge auch kein Mikro. Wohl aber ein Effekt-Pedal mit Sampler, das sie mit ihrem Zeh zu bedienen pflegt. Dieses liegt flach auf dem Boden und ist ergo von Weitem nicht zu sehen - deswegen sei gesagt, dass die Klangwelten, die Julia erzeugt, nicht einfach von der Konserve stammen, sondern von ihr in mühevoller Kleinarbeit mittels des Samplers selbst live hergestellt werden. Dazu verwendet sie das Cello ganz konventionell - oder aber auch für rhythmische Impulse oder atmosphärische Effekte - etwa wenn sie in die Schallmuscheln haucht oder jenseits des Steges mit dem Bogen über die Saiten schrammelt. Die eigentlichen Melodien sind dann weniger auf die Cello-typischen Griffakrobatiken ausgerichtet, sondern auf getragene, wellenförmige Melodiebögen und Strukturen. Insgesamt entfacht dies eine durchaus hypnotische Wirkung und erscheint - trotz des minimalistischen Ansatzes - durchaus kurzweilig: Zum einen, weil Julia ihre Kompositionen bewusst nicht endlos ausdehnt und etwa frei improvisiert und diese strikt durchkomponiert, und zum anderen, weil sie eben mit dem Einrichten von Samples zudem einen geschickten Spannungsbogen aufbaute.

Das passte jedenfalls alles ganz hervorragend - weil nämlich die Haupt-Protagonistin des Abend, Anna von Hausswolff, die sich auf ihrer zweiten CD "Ceremony" (und für diese erste Headliner Tour) musikalisch in einer ganz ähnlichen Tradition bewegt wie Julia. Die junge Schwedin hatte auf "Ceremony" wohl so ziemlich jeden auf dem falschen Fuß erwischt, der sie nach ihrem Debüt "Singing From The Grave" schon gerne in die melancholische Piano-Pop-Schublade gesteckt hätte. Denn auf "Ceremony" hatte sich Anna eine Kirchenorgel als Maß aller Dinge ausgesucht - und diese gibt nun auch bei ihren Konzerten den Ton an. Nicht in Person natürlich, sondern mit Hilfe eines entsprechend gepimpten Keyboards, aber dennoch: Piano gab es schlicht gar keines und ergo blieb auch "Singing From The Grave" weitestgehend außen vor - obwohl sich Anna thematisch mit ihren Trauerballaden durchaus treu geblieben ist. Ein weiterer Punkt, der bei "Ceremony" und auch den Live-Konzerten ohrenscheinlich wurde, ist Annas zunehmender Verzicht auf Vocals. Es gibt zwar durchaus Tracks mit Gesang, wie z.B. der poppigste Titel des neuen Albums, "Mountains Crave", den Anna - in einer schön ausgewalzten Live-Version - auch gleich als erstes spielte, jedoch setzt sie auch hier die Stimme zunehmen lautmalerisch ein und verzichtet - wie gesagt - immer öfter ganz darauf. Der gerne bemühte Vergleich mit Kate Bush & Co, läuft auf jedén Fall ins Leere, denn die Ausrichtung Annas liegt auf einer ganz anderen Ebene. So verschaffte sie der Bezeichnung "Drone" eine ganz neue Bedeutung.

Zwar hatte Annas Band keinen eigenen Bassisten zu bieten (stattdessen allerdings zwei Gitarristen, die mit ihren Effektpedals einen schönen Gegenpol zu den Keyboard-Sounds bildeten) allerdings dröhnten die Bass-Register der besagten Orgel dann doch dermaßen, dass das ganze Gebäude 9 zu vibrieren schien. Ansonsten ließ Anna keine Gelegenheit aus, atmosphärisch das letztmögliche aus ihren psychedelisch aufgebohrten Klang-Epen herauszuholen und so spielten Anna und ihre Musiker sich von Stück zu Stück in ein eine Art transzendenter Trance - die sich zwangsläufig auch auf das Publikum übertrug. Als Performerin bevorzugt Anna die Nachtschatten ebenso wie bei ihrer Musik. Teilweise ignorierte sie das Publikum vollständig und agierte eher autistisch vor sich hin. Zum Glück aber nicht immer: Um das Programm irgendwie aufzulockern, griff sie gelegentlich zur akustischen Gitarre und einem Tambourine oder wendete sich - eher selten - stehend an die Zuhörer, um die Band vorzustellen oder auch mal ein Stück zu erklären. So erfuhr das Publikum zum Beispiel, dass der Song "Harmonica" ihrem Großvater gewidmet ist, der ein Erfinder skurriler Maschinen und ein großer Entertainer war. (Anna selbst ist übrigens die Tochter des regelgerechten Klang-Künstlers Carl - der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm.)

Zum Ende der Show stellte sie sich für ein paar Tracks (z.B. "Sun Rise") neben ihr Keyboard und trug diese - im Vergleich mit den ansonsten vorherrschenden Soundwänden - regelrecht zurückhaltend vor. Während der gesamten Show wurden verwackelte Video-Aufnahmen vom Vollmond, verwelkten Blumen und Schafen auf ein Backdrop projiziert. Dennoch lässt sich nicht verheimlichen, dass ein Anna von Hausswolff-Konzert eher eine statische Angelegenheit ist. Keine Spannungsarme indes - denn in Sachen Dynamik, Punch, Dröhnfaktor und kinetischer Energie macht Anna so schnell niemand etwas vor. Das Programm bestand aus den Tracks von "Ceremony", sowie diversen neuen Stücken, darunter die Coverversion "Come Wander With Me" von Jeff Alexander, die Anna natürlich auch ihrem Treatment unterzogen hatte - sowie ein neuer Track, den Anna zusammen mit Julia Kent einstudiert hatte und der den ca. 15-minütigen Abschluss der Show darstellte. Überhaupt zeigte sich bei diesem Konzert, dass Annas Elaborate durchaus Zeit und Raum brauchen, um sich zu voller Blüte entwickeln zu können. Immerhin zeigte sich Anna nach der Show dann doch nicht so verschlossen, wie es während des Konzertes zuweilen den Anschein hatte und stellte sich an den Merchandising Stand, wo sie angeregt mit den Fans plauderte. Insgesamt sollte festgehalten werden, dass es Anna von Hausswolff mit ihrem Konzept "Kirchenorgel" wirklich geschafft hat, eine Nische zwischen den Indie-Pop-Queens zu besetzen, die bislang tatsächlich noch vakant war.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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