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07.12.2013
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Alte Tricks, ehrlicher Enthusiasmus

Beth Hart
No Sinner

Bochum, Zeche
07.12.2013

Beth Hart
"Beth Hart was an absolute vision last night at Zeche Bochum, her band on fire... Very humbled to be touring with this 2014 Grammy Nominee", schrieben No Sinner am Tag nach dem Konzert auf Facebook – und die Begeisterung des Supportacts war durchaus verständlich. Fast zwei Stunden lang riss die inzwischen 41-jährige Powerfrau aus Kalifornien ihr Publikum in den besten Jahren in der schon lange im Voraus restlos ausverkauften Zeche ob ihrer Melange aus Präsenz und Passion mit. Dabei ließ sie sich noch nicht einmal von der ungewohnt frühen Auftrittszeit aufhalten. Damit die samstägliche Disco pünktlich starten konnte, stand Beth bereits gegen 20.00 Uhr vor ihrem Publikum. Noch härter traf es die verheißungsvollen kanadischen Newcomer No Sinner im Vorprogramm: Bereits kurz nach sieben mussten Colleen Rennison und ihre drei Mistreiter auf die Bühne.

Doch obwohl das Quartett aus Vancouver erst wenige Tage zuvor sein Debüt "Boo Hoo Hoo" veröffentlicht hatte und die Promomaschinerie noch gar nicht richtig angelaufen war, eroberten No Sinner das Publikum im Sturm. Lag es nun am extrovertierten Gitarristen Eric Campbell, der, äußerlich eher ein junger Rich Robinson, musikalisch auf Jimmy Pages Spuren zu wandeln schien? Am mit stoischer Ruhe agierenden Drummer Ian Browne, der einst mit der Matthew Good Band schon am Ruhm gerochen hatte? Am von Indierock-Coolness-umwehten Bassisten Parker Bossley, den einige vielleicht noch von Hot Hot Heat kennen? Oder doch ausschließlich an der Frontfrau Colleen, die eine vielversprechenden Hollywood-Karriere für die Musik drangebenen hat und auf der Bühne trotz wenig Bewegungsfreiheit - das Equipment von Beth Hart und Band war bereits aufgebaut - viel Charisma versprühte, das Publikum beständig, aber trotzdem unpeinlich umgarnte und mit einer souligen Stimme ausgestattet ist, die Janis Joplin-Fans die Freudentränen in die Augen treibt? Ohne das Rad neu zu erfinden, konnten die vier nach großartigem Beginn mit dem von Nina Simone bekannt gemachten "Work Song" auch mit ihren eigenen, zumeist Bluesrock-getränkten, dreckig-wuchtigen Songs ohne Schnörkel und einem ungeschönt-ehrlichen Sound auf ganzer Linie punkten. Kein Wunder, dass ihnen nach der Show die CDs geradezu aus den Händen gerissen wurden.
Auch Beth Hart unterstrich danach von Beginn an, dass sie trotz ihrer beachtlichen Erfolge (zuletzt auch gemeinsam mit Gitarren-Phänomen Joe Bonamassa) weder Starallüren hat noch großen Firlefanz bei ihren Auftritten benötigt. Anstatt die Show mit großem Tam-Tam zu starten, kam sie zunächst allein auf die Bühne, setzte sich ans Keyboard und widmete die erste Nummer ihrer Mutter. Nach "Mama" bat sie dann ihre vier Musiker auf die Bühne, um ein echtes Rock-Feuerwerk alter Schule abzubrennen, ausgiebige Ausflüge auf artverwandtes Territorium (Blues, Soul, Jazz, Pop) inklusive. Klar, die Gesten waren alle altbekannt. Wie sie sich am Bühnenrand sexy in Pose warf, Rücken an Rücken mit ihrem Gitarristen groovte, für einen Song sogar auf der hinteren Tribüne auftauchte, um mitten im Publikum zu singen, oder sich am Ende zur Abkühlung eine Flasche Wasser über den Kopf schüttete - all das haben wir schon von zig Performer(inne)n vor ihr gesehen, aber Beth war mit so viel Freude bei der Sache, dass man ihr einfach nichts übelnehmen konnte. Außerdem konnte das Energiebündel auch stimmlich begeistern, ganz egal, ob sie eigene Songs wie "Bang Bang Boom Boom" oder ihren heimlichen Hit "Caught Out In The Rain" sang oder neue (Melody Gardot) und alte Favoriten (Ray Charles, Etta James oder Al Green) coverte. Gleich mehrmals warf sie zudem die Setlist über den Haufen und fügte weitere Songs ein, damit das Konzert ja nicht zu früh endete. Bei der Zugabe schnappte sich Beth dann sogar noch eine Akustikgitarre, um den Auftritt unplugged mit "By Her" ähnlich ruhig, aber emotional ausklingen zu lassen, wie es begonnen hatte. Hätte es nicht die strikte Curfew der Zeche gegeben, wäre dann sicherlich noch lange nicht Schluss gewesen.

No Sinner
NACHGEHAKT BEI: NO SINNER

Mit ihrem just veröffentlichten Album-Erstling "Boo Hoo Hoo" haben No Sinner in ihrer kanadischen Heimat schon einigen Staub aufgewirbelt, jetzt schickt sich die Band um die seit Kindertagen auch als Schauspielerin aktive Colleen Rennison an, auch in Europa für Furore zu sorgen. Für die Frontfrau wird damit ein Traum wahr, denn auf der Bühne zu stehen und zu singen, war schon immer das Ziel der 26-Jährigen. Gaesteliste.de traf sie in Bochum.

GL.de: Colleen, wenn du für einen Film auf der Bühne stehst, geht es um Perfektion für die Ewigkeit, bei Live-Musik geht es um das Erleben des Moments. Fällt dir das Umschalten manchmal schwer?

Colleen: Nein, es sind allerdings in der Tat zwei grundverschiedene Ansätze. An einem Film-Set arbeitest du tagtäglich mit den gleichen Menschen, und nach einer Weile wird daraus gewissermaßen eine große Familie. Als Band bist du eine kleine Einheit, die jeden Abend auf Fremde trifft, bei denen man nie wissen kann, was sie von dir halten. Das Leben auf Tour beinhaltet viele Mysterien und viel Ungewissheit. Wenn du einen Film machst, dann magst du ihn am Ende oder nicht. Bei der Musik gibst du, wenn es deine eigenen Songs, deine Texte sind, viel mehr von dir preis. Es ist viel persönlicher.

GL.de: Ist das eine Herausforderung für dich?

Colleen: Manchmal! Ich bin ein sehr offener Mensch und mir fällt es schwer, etwas für mich zu behalten. Vermutlich werde ich im Laufe der Zeit lernen, dass es in Interviews bisweilen besser ist, die Klappe zu halten, aber die Songs des Albums sind so ehrlich, wie sie nur sein können.

GL.de: Die Musikindustrie liegt bekanntlich am Boden. Kann man mit der Schauspielerei eigentlich noch Geld verdienen?

Colleen: Aber sicher. Der Vorteil ist vor allem, dass das Geld dort nicht durch so viele Hände fließt. Du bekommst einen Tagessatz und außerdem Überstunden bezahlt, und abgesehen davon, dass dein Agent einen Anteil einstreicht, gehört die Kohle dir. Außerdem gibt es auch da Tantiemen. Ich bekomme immer noch Geld für Filme, die ich als Kind gedreht habe. Bei der Musik sieht es auf unserem Level anders aus: Wir haben zum Beispiel einen Song, "Love Is A Madness", bei "CSI: NY" untergebracht und das wurde gut bezahlt, aber nachdem unser Manager, unser Verleger, der Produzent, der Mann vom Mastering und, und, und ihren Anteil davon abbekommen hatten, blieb nicht mehr viel übrig. Das Geld versickert einfach, bevor es bei dir ankommt. Natürlich kann man auch als Musiker Karriere machen und einen Haufen Kohle verdienen, aber im Moment ist mir noch nicht ganz klar, wie das funktionieren soll...

GL.de: No Sinner zeichnet eine interessante Mischung aus Erfahrung und Unschuld aus. Euer Schlagzeuger Ian Browne (40) hat zum Beispiel als Drummer der Matthew Good Band und als Mitarbeiter des Konzertriesen Live Nation schon alle Höhen und Tiefen des Musikbusiness miterlebt, euer Gitarrist Eric Campbell (21) ist nicht nur jung, sondern auch ein völlig unbeschriebenes Blatt, und du selbst bist irgendwo in der Mitte...

Colleen: Das stimmt. Das war allerdings bislang nie ein Thema für uns, denn Ian ist im Herzen jung geblieben und Eric hat eine alte Seele. Ich bin nur froh, dass Eric vor unserem ersten Gastspiel in New York 21 geworden ist, er hatte kaum eine Woche vorher Geburtstag! Abgesehen davon beweisen wir, dass das Alter nicht mehr als eine Zahl ist. Davon abgesehen gefällt es mir sehr, dass wir Leute in der Band haben, die zum ersten Mal in Europa auf Tour sind und alles mit einer Mischung aus Naivität und Aufregung wahrnehmen, während Ian und Parker (Bossley, Ex-Hot Hot Heat) das alles schon kennen und so Bodenhaftung und Erfahrung einbringen. Das ist eine tolle Kombination.

GL.de: Nicht nur das Alter, auch zeitgenössische Musik scheint bei euch keine große Rolle zu spielen! Heißt das, du hast das Gefühl, dass der modernen Musik etwas fehlt?

Colleen: Ich fühle mich ehrlich gesagt von der Masse an neuen Veröffentlichungen etwas erschlagen. Früher wurde die Szene viel stärker kontrolliert. Früher musste man ja eine Menge Stufen erklimmen, bevor man überhaupt eine Platte veröffentlichen durfte. Vermutlich ist die Tatsache, dass alte Musik auf gewisse Weise viel exklusiver war, der Grund dafür, dass sie besser ist. Früher musste man einfach etwas Besonderes sein oder haben, um überhaupt auf der Bildfläche zu erscheinen. Heute ist das anders. Ich möchte nicht sagen, dass ich die heutige Musik nicht mag, aber es gibt Songs, die am Tag, an dem sie geschrieben wurden, genauso gut waren wie 100 Jahre später. Das ist die Art von Musik, die wir mögen und die wir machen wollen.

Surfempfehlung:
www.bethhart.com
www.nosinner.com

Konzert: -Simon Mahler-
Interview: -Simon Mahler-
Fotos: -Simon Mahler (Beth Hart) / Mandy Lyn (No Sinner)-
 

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