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10.03.2016
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Blues lourd

Marianne Dissard

Köln, Die Wohngemeinschaft
10.03.2016

Marianne Dissard
Mit einem eher unübersichtlichen Konzept reiste Marianne Dissard für einen Kurzbesuch nach Köln - hauptsächlich, um ein Interview im Funkhaus Europa zu geben, in dem sie über einen Einsatz im Dschungel von Calais berichten sollte, wo sie eine Zeitlang "von morgens bis abends Schuhe sortiert" habe - aber auch, um ein Konzert in der Kölner Wohngemeinschaft zu geben. Dabei ging es unter anderem um die Präsentation ihrer neuen CD "Cibola Gold" - einer Best Of-Sammlung, die Marianne durch die Zugabe goldener Konfetti-Streifen auch inhaltlich zu ihrer Gold-Scheibe erklärte. (Zur Erklärung: Cibola ist eine der sieben goldenen Städte, die die Conquistadores bei der Eroberung Amerikas vergeblich suchten - hauptsächlich deshalb, weil sie nicht existieren, was Marianne bestätigen kann, da auch sie diese nicht gefunden habe.)

Diese Scheibe (und damit sind wir bei dem o.a. Konzept) ist nun auf CD zu erhalten, während Mariannes letztes Werk "The Cat Not Me" nur auf Vinyl und als Download zu haben ist. Mehrere Projekte Mariannes sind in der Pipeline - vor allen Dingen ihr Buch, auf dem "The Cat Not Me" grundsätzlich basiert, das kurz vor der Vollendung steht, sowie diverse Musik-Projekte, bei denen sie unter anderem als Produzentin für ihre Kollegin Allyson Ezell tätig werden wird (die sie auf der letzten Tour als Support-Act dabei hatte), ein Cover-Album und dann irgendwann auch ein neues Projekt mit eigenem Material. Bei diesem Konzert ging es jedoch noch ein Mal darum, das Dissard-Oeuvre als solches zu beleuchten. Bzw. eher nicht - denn das Bühnensetting war im Gegensatz zum letzten Mal zwar immer noch wohnlich ausgerichtet, aber lediglich mit Lichterketten und der Projektion von Landschaftsvideos illuminiert. Auch ging es dieses Mal wieder stärker um die Songs als um eine theatralische Inszenierung. Damals hatte Marianne ja bereits gesagt, dass sich das Material ständig verändere - und das war natürlich auch dieses Mal wieder zu beobachten. Insbesondere Gitarrist Yan Pechin legte sich nochmals mächtig ins Zeug, um einigen eigentlich sicher geglaubten Klassikern vom Schlage "La Cayenne", "Les Confettis" oder "Tortue" wiederum neue klangtechnische Dimensionen zu entlocken. Hierzu verwendete er eine sechssaitige und eine zwölfsaitige Akustikgitarre, eine E-Gitarre, ein Banjo, zwei Verstärker, ein Fuß-Tambourin und ein Effektpedal von der Größe eines mittleren Postleitzahlengebietes. Dabei verbrachte er mindestens so viel Zeit damit, an Knöpfen zu drehen, Schalter und Pedale zu betätigen und Sampler ein und auszuschalten, wie damit, expressiv in die Saiten zu greifen. Der Neid indes muss es dem Rezensenten indes dann schon lassen, dass das alles Sinn machte und auch funktionierte, denn Pechin ist ein Meister seines Fachs, der genau weiß, was er da tut.

Stilistisch bediente er sich - wie auch im letzten Jahr - vorwiegend beim schweren Blues (insbesondere "Trop Exprés" wurde diesbezüglich faszinierend ausgelotet), arbeitete aber auch mit jazzig leichten, filigranen Gitarrenläufen - hier z.B. überraschenderweise bei "La Cayenne", das in dieser Leichtfüßigkeit so noch nicht zu hören war. Das andere Extrem waren dann Stücke wie "Oiseau" oder "Lendemain", deren eher offene Struktur offensichtlich geradezu dazu einlud, diese mit sphärischen, psychedelischen Elementen sozusagen hörspielmäßig aufzufächern. Es scheint, als habe Marianne in Yan Pechin einen idealen Partner in Crime gefunden, der ihren eigenen Nonkonformismus musikalisch kongenial auf immer neue Plateaus hievt. Sie selbst agierte an diesem Abend vergleichsweise zurückhaltend. Zwar gab es wieder expressive Gesten, aber die Gimmicks wie etwa die Konfetti (die als Auftragsarbeit ans Publikum ausgelagert wurden), die Seifenblasen bei "Sans-Façon" oder der zur Disco-Kugel umgebaute Helm (den sie sich dieses Mal nur unter den Arm klemmte und nicht aufsetzte) wurden dann eher punktuell bemüht. Im letzten Drittel der Show kamen noch einige Einspielungen vom Band hinzu, mit Hilfe derer die betreffenden Tracks wie z.B. "Pomme" oder "Tortue" - in Kombination mit Yan Pechins Space-Junkie-Soli - dann zu regelrechten Operettengebilden aufgeblasen wurden, bevor es gegen Ende des Konzertes dann wieder ruhiger und besinnlich wurde. Neben den Songs des "Cat"-Albums gab es auch wieder Billy Idols "White Wedding" zu hören und mit "It's Love" einen Song des "Cibola Gold"-Albums, der es vorher noch nicht auf einen offiziellen Tonträger geschafft hatte. Als Fazit dieser Show könnte noch mal festgehalten werden, dass sich Marianne Dissard nun endgültig vom ehemaligen Tucson-Sound gelöst hat und - zusammen mit Yan Pechin - zu einer ganz eigenständigen Art gefunden hat, ihr Material auf immer wieder neue und anregende Art neu zu interpretieren und dabei auch immer stärker den Klang als solchen in den Vordergrund zu stellen. Wir dürfen also gespannt sein, was die Zukunft musikalisch (und literarisch) so alles bringen wird.

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Text: -Ullrich Maurer-
Foto: -Ullrich Maurer-
 

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