18.01.2002 http://www.gaesteliste.de/konzerte/show.html?_nr=271 |
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Große Emotionen auf kleiner Bühne Jolene Oberhausen, Druckluft 18.01.2002 |
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Ein Blick auf die winzige Bühne des Drucklufts genügte, um zu wissen, daß uns ein ganz besonderer Abend bevorstand. Nachdem Jolene-Sänger/Songschreiber John Crooke schon des Öfteren solo - beispielsweise als Support der ausgezeichneten Continental Drifters oder mit dem großartigen Joe Pernice - getourt war, standen Jolene nun erstmals in Deutschland als komplette Band auf der Bühne. Mehr als das sogar: Zusätzlich hatten sie sogar noch einen Cellisten und einen Geiger (mit Wollmütze und "Loser"-T-Shirt!) mitgebracht, die aus einem schönen Abend mit Singer/Songwriter-Romantik ein schlichtweg ergreifend großartiges Konzerterlebnis machten, bei dem die ersten zahlenden Zuschauer sogar noch eine limitierte 4-Track-CD in Eintrittskartenformat mit unveröffentlichten Soloaufnahmen von John nach Hause tragen durften.
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Passend zur "Bigband"-Besetzung klingt auch das aktuelle vierte Album des Quintetts aus North Carolina, "The Pretty Dive", um einiges rockiger und direkter als der eher folkig angehauchte und stärker auf ruhige Solomomente fokussierte Vorgänger "Antic Ocean". "Daß ich letztes Mal alleine getourt bin und wir jetzt als Band spielen, hat nichts damit zu tun", wehrte John vor dem Konzert ab, als Gaesteliste.de ihn fragte, ob der Sound mit Hinblick auf die Tour verändert worden sei. "Wir haben uns eher gefragt, was wir auf den letzten Tourneen gemacht haben, welche Songs besonders herausgeragt haben und wie wir sie gespielt haben. Nach 'Antic Ocean' wollten wir zu den Gitarren zurück - 'dreamy guitars' war unser Zauberwort", erklärte uns John, und Gitarrist/Co-Songschreiber Dave Burris fügte an: "Wir hätten auch aus dem neuen Album eine ruhige Platte wie 'Antic Ocean' machen können, aber wir wollten etwas Unmittelbareres machen. Deshalb haben wir die Platte auch in nur 15 Tagen aufgenommen und uns die zehn direktesten, eindringlichsten Rocksongs herausgepickt, die trotzdem noch genügend Platz für die Atmosphäre lassen würden." Also klangen Jolene an diesem Freitagabend wieder mehr wie die Band, die 1996 und 1998 mit ihren ersten beiden Alben auf Ardent und dem Major Sire vor allem in den USA und England (wo sie sogar Hootie & the Blowfish vor bis zu 20.000 Zuschauern supportete) Furore machte und dabei jede Menge Vergleiche zu den frühen R.E.M. einheimste - in Oberhausen machten sich diese Parallelen vor allem durch den vermehrten Einsatz von klassischen Rickenbacker-Gitarren bemerkbar. Doch während die Band aus Athens, Georgia, live auf Streicher aus der Konserve zurückgreift, war bei Jolene - die noch bis Anfang Februar durch Deutschland und Österreich touren - alles echt. Und es waren gerade die beiden Herren an Cello und Geige, die aus Songs wie "Break" und "Me Again" Popdramen mit Taschentuch-Appeal machten: Große Emotionen auf kleiner Bühne!
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Nachdem die Band nach fast 90 Minuten zum ersten Mal die Bühne verlassen hatte, um sich vom erlesenen, aber sehr enthusiastischen Publikum feiern zu lassen, war die knapp zwanzigminütige Zugabe vor allem charmanten Experimenten vorbehalten. "Wenn wir eine Zugabe spielen dürfen, läuft das meistens so, daß die Jungs Bier trinken und ich alleine die Songs spielen muß", witzelte John ob der Tatsache, daß er sich plötzlich alleine auf der Bühne wiederfand. So präsentierte er den Zuschauern kurzerhand einen brandneuen Song und wagte sich, als seine Kollegen auch danach keine Anstalten machten, auf die Bühne zurückzukehren, an eine ungeprobte Coverversion. Nachdem er im Gespräch mit Gaesteliste.de erfahren hatte, daß es die Pernice Brothers in der Regel schaffen, auf ihren Tourneen um Deutschland einen großen Bogen zu machen, entschied John, daß sein Publikum nicht ohne einen Song der Bostoner Band nach Hause gehen sollte und verzückte die Zuschauer mit einem der vielen Höhepunkte aus dem "Overcome By Happiness"-Album. Das absolute Glanzlicht des Abends war allerdings "Pensacola" aus "In The Gloaming". Ein episches Stück feinster Popmusik, das ohne Frage die Heavy-Rotation-Plätze auf MTVIVA verdient gehabt hätte, die damals U2 oder The Verve belegt hatten. Und nicht nur mit diesem Stück klangen Jolene wie R.E.M. in einem Schuhkarton. Kurz gesagt: Einfach großartig!
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Text: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld- |
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