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22.05.2018
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The Importance Of Being Ernest

Dylyn

Köln, Die Wohngemeinschaft
22.05.2018

Dylyn
"Sag mal, kannst du nicht mal ein wenig lächeln?", fragt der Tourmanager, als Gwendolyn Lewis, die sich kurz Dylyn nennt, nach einer geeigneten Pose für ein passendes Portraitfoto sucht. "Aber Dylyn lächelt doch nicht", meint die junge Kanadierin fast schon entrüstet. Nicht, weil sie nicht besonders freundlich ist, sondern weil es um das Image geht, das sie gerne von sich selbst vermitteln möchte. Und dabei ist ihr vor allen Dingen wichtig, mit ihrer Musik ernst genommen zu werden.

Das schlägt sich demzufolge auch in der Performance nieder. Im Februar erschien - nach längerer Vorbereitungszeit - Dylyns Debüt-EP "Sauvignon And A Kimono", auf der sie zusammen mit ihrem Produzenten Colin Munroe das Experiment wagte, den überlebensgroßen Power-Pop der 80er Jahre, wie er etwa von Blondie oder den Cars propagiert wurde, aktualisiert in die Jetztzeit zu transponieren. Etwas überrascht hatten Dylyn und ihre beiden Musiker indes festgestellt, dass die Kölner Wohngemeinschaft eher für Singer/Songwriter-Konzerte, als für Pop-Acts ausgelegt ist - und sich deswegen kurzer Hand entschlossen, ihr Programm soundmäßig auf die Basics zu reduzieren und auf zusätzliche Effekte, Playbacks oder Einspielungen zu verzichten. Das spricht ja schon mal für die angesprochene Ernsthaftigkeit, mit der sich Dylyn ihrem Metier nähert. Es ist gewissermaßen auch mutig, denn auf diese Weise lassen sich arrangementstechnische oder gesangliche Limitationen ja nicht kaschieren. Zum Beispiel verzichtete Dylyn auch vollständig darauf, ihre Stimme mit Effekten zu garnieren.

Obwohl die Tracks dann im Folgenden allesamt im knapp kalkulierten Drei-Minuten-Pop-Song-Format dargeboten wurden, klang die Sache am Ende dann auch überhaupt nicht mehr besonders poppig. Das machte aber nichts, da so das Ohrenmerk verstärkt auch auf Dylyns Lyrics gerichtet wurde - die sich zuweilen recht offen mit familiären oder persönlichen Problemstellungen beschäftigen (was für Musik dieser Art ja nicht ein Mal eine Grundvoraussetzung ist) und somit deutlich machen, dass Dylyn als Songwriterin auch etwas zu sagen hat - Pop-Ambitionen hin oder her. "Ich fühle mich, als gäbe ich einen Teil meiner Seele her", umschrieb sie das Ganze etwa, als sie den Song "Secret" vortrug, in dem es um die Untreue ihres Vaters geht.

Und dann waren da ja noch die überraschenden Cover-Versionen, die sich Dylyn ausgesucht hatte, um das noch überschaubare Material der EP (plus dem neuen Song "Even Better") etwas auffüllen zu können. Hier machte sich dann Dylyns eigene musikalische Erziehung bemerkbar, denn dazu wählte sie Songs aus dem Rock-Genre aus: Led Zeppelins "Whole Lotta Love" etwa, Black Sabbaths "Paranoid", "Teenage Dirtbag" von Wheatus oder "Come As You Are" von Nirvana. "Als wir gestern spielten, erzählte mir der Tontechniker, dass er damals mit Nirvana auf Tour gewesen war", meinte sie, "toll, dachte ich mir - und nun versuche ich mich ausgerechnet an einem Stück von Kurt." Nun bargen die erwähnten Cover-Versionen musikalisch keine echten Offenbarungen - dem Ernsthaftigkeitsgedanken Dylyns waren sie indes natürlich durchaus schon zuträglich.

Kurzum: Mit Dylyn präsentierte sich eine Künstlerin, die jenseits des angesagten, durchgestylten Wegwerf-Pops eine interessante Nische gefunden hat, in der sie sich den Power-Pop-Sound der 80er Jahre auf eine interessante Art zu Eigen macht. Bei ihrer nächsten Tour will sie dann auch einen Bassisten mitbringen (denn der fehlte dann schon irgendwie) und da es Dylyn bislang nur digital gibt, will sie auch Sorge dafür tragen, dass sie dann auch physische Tonträger als CDs und Vinyl-Scheiben dabei hat. Ernsthaft.

Dylyn
NACHGEHAKT BEI: DYLYN

GL.de: Was ist denn der Unterschied zwischen Dylyn und Guinevere - dem alten Alias von Gwendolyn Lewis?

Dylyn: Wow - ich wusste gar nicht, dass du von Guinevere weißt. Also die Sache war die, dass ich damals, als ich das machte, sehr von der König Arthur-Saga fasziniert war und mich eben Guinevere nannte. Als ich aber beschloss in eine andere Richtung zu gehen und mehr die Sachen zu machen, mit denen ich aufgewachsen war, dachte ich mir, dass ich nicht nur meine Musik, sondern auch meinen Namen ändern sollte - weil das, was ich nun mache mehr ich selbst ist. Ich heiße ja eigentlich Gwendolyn - und Dylyn ist dann eben die Hälfte davon.

GL.de: Was heißt denn "ich selbst"? Womit ist Gwendolyn denn aufgewachsen? Immerhin ist es je eher ungewöhnlich, dass eine so junge Frau heutzutage mit Musik aus den frühen 80ern so vertraut ist, dass sie diese als Inspirationsquelle betrachtet.

Dylyn: Ich muss mich dafür bei meinem Vater bedanken. Er ist 1954 geboren und meine Kindheit bestand letztlich aus Sachen wie den Beach Boys und später Led Zeppelin, Black Sabbath oder Cream - all diese unglaublichen Bands, mit denen ich dann selbst anfing, Platten zu sammeln. Später interessierte ich mich dann für Musik aus den 80ern - Depeche Mode, The Cure, Tears For Fears. Darin habe ich mich dann verliebt. Und heutzutage machen ja nicht mehr viele diese Art von Musik - und ich denke, das ist die beste und sie sollte unbedingt zurückkommen.

GL.de: Was ist denn so faszinierend an dieser Art von Musik? Vielleicht, dass sie zuweilen durchaus ein wenig rau ist, aber andererseits auch glamourös und größer als das Leben?

Dylyn: Ich denke, dass es hier um eine Art Flucht vor der Realität geht. Wenn man diese Songs hört, dann transportieren sie einen in eine andere Dimension. Nimm zum Beispiel Songs wie "A Best Friend's Girl" von den Cars - diese transportieren dich dann zurück an einen bestimmten Moment in deinem Leben. Da gibt es dann gleich dieses Gefühl von Rebellion und Aufregung - man fühlt sich einfach cool, diese Songs zu hören.

GL.de: Das hat vielleicht auch mit den Videos zu tun, die damals gerade aufkamen und mit denen diese Songs verknüpft sind. Dylyn scheinen Videos ja auch sehr wichtig zu sein?

Dylyn: Ja, das stimmt wohl. Ich scripte meine Videos auch selbst. Dabei möchte ich es aber auch belassen. Ich habe mich zwar mal als Schauspielerin versucht, aber ich bin einfach nicht besonders gut darin. Ich möchte mich dann doch voll auf die Musik konzentrieren, denn die passt besser zu mir.

GL.de: Wie entstehen denn die Dylyn-Songs?

Dylyn: Ich schreibe meine Songs zusammen mit meinem Produzenten, Colin Munroe. Wir haben das Dylyn-Projekt zusammen ins Leben gerufen. Er hat mich gebeten, 20 oder 30 Songs, die ich mag, auszusuchen und wir haben diesen dann Bilder zugeordnet, während die Songs spielten. Ich habe auf diese Art und Weise gewissermaßen zu mir selbst gefunden und definiert, was ich genau mag.

GL.de: Was zeichnet einen guten Song musikalisch aus?

Dylyn: Ganz einfach: Wenn man den Song herunterbrechen kann und er alleine auf der Gitarre noch gut klingt - dann ist es einfach ein guter Song.

GL.de: In den Dylyn Songs geht es inhaltlich ganz schön autobiographisch zu, oder?

Dylyn: Ja, das ist 100%ig richtig. Jeder Song basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen. Nimm z.B. Songs wie "Wolf". Es ist zwar nicht so, dass ich grundsätzlich immer "Cry Wolf" rufe, aber da gab es diesen Moment in meinem Leben, nach einer ziemlich üblen Trennung, wo ich an dem Punkt angelangt, wo ich eine gewisse destruktive Ader hatte und nicht auf die Gefühle anderer geachtet habe und wo mir das Thema Liebe egal war. In "American Nightmare" geht es darum, dass ich einen Albtraum dem typischen Amerikanischen Traum vorziehe. Es bin jetzt in einem Alter, in dem der Druck ziemlich groß ist, bestimmte Erwartungshaltungen zu erfüllen - eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen usw. Ich will das aber zur Zeit nicht machen. Irgendwann vielleicht mal - aber momentan ist es mir wichtig, mein eigenes Ding zu machen und ich selbst zu sein. Und ich weiß nicht, ob du zustimmst, aber ich denke, dass diese Generation von einer solchen Flut an Sachen zugeschüttet wird, die einfach nicht stimmen, dass ich selbst nicht mehr glauben mag, was in den Medien gesagt wird. Auch das ist Thema dieses Songs. Man muss sich seinen eigenen Weg suchen und sich selbst eine Meinung bilden.

GL.de: Andere Songs scheinen sich aber eher mit irgendwelchen Getränken zu beschäftigen - "Mimosa", z.B., "Sauvignon And A Kimono" und "Sober".

Dylyn: Oh, das berührt mich aber jetzt, dass du das sagst. Es ist so, dass ich ja mit meinen Eltern zusammen aufwuchs und mit ansehen musste, wie mein Vater trank. Er war zeitlebens ein Alkoholiker und ich denke, dass ich viel darüber schreibe, wie man mit Alkohol Gefühle maskieren kann. Es ist hart, so etwas beobachten zu müssen. Mein Vater ist eigentlich ein brillanter Mensch, er kann nur nicht mit Menschen umgehen. Und ich sehe das zuweilen in mir selbst auch - und das ist ein wenig unheimlich.

GL.de: Das heißt also, dass Musik eine Therapie ist?

Dylyn: Auf jeden Fall. Das ist auch der einzige Grund, warum ich die letzten drei Jahre meines Lebens überstanden habe, weißt du...

GL.de: Gibt es denn ein musikalisches Ziel?

Dylyn: Es kommt auf die Atmosphäre und die Produktion an. Man kann nicht allzuviel Druck auf diese Sache ausüben. Visuell und klanglich verstehe ich langsam, worum es geht. Ich habe etwas gefunden, das zu mir passt und darauf möchte ich aufbauen. Schau dir zum Beispiel David Bowie an: Der fing auch sehr sparsam an, baute darauf auf und verwandelte sich dann in diesen Glam/Punk/Pop-Ikone. Ich will mich nicht mit Bowie vergleichen, aber ich denke, man muss sich einfach immer weiter entwickeln, denn ansonsten bleibt man ewig auf der Stelle stehen.

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Text: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
 

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